Major Achim Gasper tritt in diesem Jahr das erste Mal für das Team Invictus aus Deutschland an. Er und die Kameraden werden vom 16. bis 22. April in Den Haag gegen andere kriegsversehrte Soldaten und Soldatinnen aus 20 Nationen antreten. Um Konkurrenz und Medaillen geht es dabei aber eigentlich nicht. Foto: Daniela Skrzypczak

24.03.2022
Franziska Kelch

Major Achim Gasper im Porträt: „Die Invictus Games sind für mich ein Neustart“

Achim Gasper ist Ingenieur bei der Luftwaffe – seine „Berufung“. Nach dem Wehrdienst 2003 schlägt er die Unteroffizierlaufbahn ein, wird Fluggerätemechaniker – der beste seines Jahrgangs deutschlandweit. In 21 Monaten absolviert er eine Ausbildung, für die andere 42 Monate brauchen. Es folgen Fachausbildungen am „Tornado“, die Bewerbung zum Offizier und das Maschinenbaustudium. Dann stürzt 2015 bei einer TLP-Übung, etwa 50 Meter von ihm entfernt, eine griechische F-16D ab.

Ein Freund von ihm stirbt bei dem Unglück. Die Bilder, die Gasper mitnimmt, wird er nicht mehr los. „Ich habe fast zwei Jahre mit allem Möglichen kompensiert, aber eingestanden habe ich mir das nicht“, sagt der junge Major. „Das“ ist seine PTBS, sind Flashbacks zu dem Tag im Januar 2015. Man könne sich das als Außenstehender nicht vorstellen, meint Gasper. Und doch versucht er zu erklären: „Das ist nicht so, als ob man einen Film schaut. Wenn ich einen Flashback habe, spüre ich den mit allen Sinnen, als sei es Realität. Egal ob ich bei Aldi stehe oder im Auto sitze.“ Gemeinsam mit seiner Therapeutin und viel Sport arbeitet er daran, mit der PTBS zu leben und zu erkennen, wenn ein Flashback droht.

Therapie und Sport sind auch Arbeit
Weder die Traumatherapie noch der Sport werden Achim Gasper von seiner PTBS heilen. Das weiß er. Aber er hat ein klares Ziel und dafür lohnen sich die Mühen: „Ich will schnellstmöglich wieder einsatzbereit sein.“ Dafür sei er zwischenzeitlich zweimal zwei Stunden wöchentlich in die Therapie gegangen. Klingt nicht viel? Ist es aber. Denn sich Woche um Woche, wieder und wieder, mit dem eigenen Trauma zu konfrontieren, erfordert Willenskraft und Mut – und die kosten Kraft.

Der Major der Luftwaffe liebt seinen Job. Aber er kann sich nicht mehr im gleichen Maße wie früher konzentrieren. Vor der Erkrankung konnte er ohne Pausen durcharbeiten – jetzt nicht mehr. Da hilft der Sport ungeheuer. Wo andere in die Truppenküche gehen oder mit dem Kameraden einen Kaffee trinken, setzt sich Gasper aufs Rad oder Rudergerät. Er verausgabt sich und „macht sich den Kopf aus“. Das sei zwar hilfreich, aber auch nicht nur Spaß, so der Ingenieur. Schließlich seien außerhalb der Lehrgänge in der Sportschule in Warendorf keine Kameraden da, die sich neben ihm auf dem Rad abstrampeln, nicht der Trainer, der ihn antreibt. Da muss er sich selbst motivieren, „stundenlang“ Sport zu machen.

Der spezielle Geist des Teams Invictus
In Warendorf motivieren die Trainer und Therapeuten, aber auch die Kameraden in der Sporttherapie einander. Für Gasper ist das Besondere, dass da „niemand verurteilt wird, für nichts“. Das sei im Dienst nicht immer so. Gasper klingt dabei weder vorwurfsvoll noch bitter. Sein Chef zum Beispiel habe verstanden, dass er seine Arbeit machen will – und kann, wenn er sich selbst organisieren darf, man ihm Pausen zugesteht. Aber so sind nicht alle. Er ist in seiner Laufbahn auch irritierenden Äußerungen begegnet: „Als Stabsoffizier haben sie keine PTBS“, das war so eine Irritation. In Warendorf ist das anders. Da haben „alle dasselbe Problem“ und „wenn man da im Training in Tränen ausbricht, dann ist das halt so.“

Obwohl im Team Invictus Soldaten vom Mannschafter bis zum Oberst aus verschiedenen Teilstreitkräften und Organisationsbereichen oder unterschiedlichen Alters zusammenkommen, schweißt sie alle eins zusammen: „Man muss den anderen nicht erklären, was mit einem los ist. Wir sprechen in der Gruppe sehr wenig darüber, wie es zu unserer PTBS gekommen ist und welche Erlebnisse wir hatten.“

Was zählt: Sport oder Medaillen?
Für Achim Gasper ist die Antwort klar: Der Sport. Ja, er würde bei den Invictus Games schon gerne seine Bestzeit im Rudern erreichen – oder überbieten. Aber für ihn hat der Sport eine Funktion, er ist nicht Selbstzweck. Er denkt nicht wie ein Leistungssportler, sondern wie ein Soldat – der versehrt ist. Und für den ist der Sport ein wichtiger Baustein seiner Therapie. „Ich trainiere nicht für den Sport, sondern um wieder in mein Leben zu kommen.“ Wenn man allerdings auf den Tagesablauf eines Invictus-Athleten schaut, wirkt der fast wie der eines Leistungssportlers. In mehreren Trainingslagern bereiten sich die Soldaten auf die Spiele vor. Trainer beobachten genau, für welche Sportarten sie geeignet sind. Bei Gasper sind das Radfahren und Rudern – auf stationären Geräten, wohlgemerkt. „Auf dem Wasser bin ich noch nie gerudert“, sagt der Major lachend.

Der Tag beginnt um 7 Uhr mit der ersten Sporteinheit, dann kommt das Frühstück und ab dann wechseln sich Trainingseinheiten, Physiotherapie und Psychologengespräche ab. Dazu gehört auch, dass die Trainer detailliert die Abläufe im Stadion erläutern und die Sportler auf die „unfassbare Lautstärke“ vorbereiten, sagt Gasper. Schließlich erzeugen die Luftrudergeräte sehr viel Krach und dann sei man eben nicht auf der „Wettkampfbahn bei den Bundesjugendspielen“. Sobald das Wettrudern startet, lärmen jubelnde Zuschauer und „Musik wie im Aerobic-Kurs“ um die Wette. Das kann antreiben und euphorisieren – oder einen Flashback auslösen. Deswegen können alle Athleten jederzeit abbrechen. Das will natürlich niemand, auch Gasper nicht. Er ist nun schon so weit gekommen. Mit seiner Frau hat er nicht nur gelernt, mit der PTBS zu leben, sondern auch noch das Hochwasser im Ahrtal überstanden, bei dem sie alles, „vom Haus bis zur Unterhose“, verloren haben. Die Invictus Games sind für ihn und seine Frau daher „zehn Tage Auszeit und danach kommt der Neustart“ – und das erste gemeinsame Kind.

Die Invictus Games finden dieses Jahr vom 16.-22. April in Den Haag statt. Etwa 500 Soldaten und Soldatinnen aus 20 Nationen nehmen daran teil und treten in verschiedenen Sportwettbewerben gegeneinander an. Sie eint, dass sie kriegsversehrt sind - aber unbesiegt. Daher auch der Name Invictus Games. Invictus heißt unbezwungen. Erstmals fanden die Spiele 2014 statt und wurden von Prinz Harry, dem Duke of Sussex, ins Leben gerufen. Die deutsche Mannschaft trainiert am Zentrum für Sportmedizin und an der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf.

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