Vizepräsident militärisch Generalmajor Klaus Veit und Vizepräsident Armin Schmidt-Franke im Gespräch mit DBwV-Bundesvorstandsmitglied Oberstleutnant Andreas Geckeis (v.l.)

Vizepräsident militärisch Generalmajor Klaus Veit und Vizepräsident Armin Schmidt-Franke im Gespräch mit DBwV-Bundesvorstandsmitglied Oberstleutnant Andreas Geckeis (v.l.)

04.06.2018

BAAINBw: "Kreislauf war für über zwei Jahrzehnte unterbrochen"

Rund um das BAAINBw gab es zuletzt einige Aufregung, Grund dafür waren unter anderem Gerüchte um einen möglichen Umbau. Jetzt hatte der DBwV die Gelegenheit, ausführlich mit der Leitung der Behörde zu sprechen. Vizepräsident Armin Schmidt-Franke stand genauso Rede und Antwort wie Vizepräsident militärisch Generalmajor Klaus Veit, der sich kurz nach dem Gespräch zum 31. Mai in den Ruhestand begab.

Viele in der Truppe haben eine negative Meinung vom Rüstungsbereich und insbesondere vom BAAINBw. Was sagen Sie diesen Kameradinnen und Kameraden?

Vizepräsident Schmidt-Franke: Die gegenwärtige Situation bei der Materiallage ist auch für uns nicht befriedigend. Unser Ziel ist es, die bestmögliche Ausrüstung so schnell wie möglich zu den Soldatinnen und Soldaten zu bringen und einsatzfähig zu halten. Aber ich warne davor, alle momentanen Probleme dem Rüstungsbereich zuzuschreiben. Dass heute Ausrüstung und Ersatzteile fehlen, hat seine Ursachen zum überwiegenden Teil in den Sparmaßnahmen der vergangenen 25 Jahre. Die personellen und finanziellen Einschnitte haben uns genauso getroffen wie die Streitkräfte und natürlich auch die Rüstungsindustrie.

Generalmajor Veit: Ich bin selbst Soldat und kann den Unmut sehr gut verstehen. Die Soldatinnen und Soldaten sind es letztlich, die ihren Kopf für uns alle hinhalten. Aber ich muss Herrn Schmidt-Franke beipflichten. Ich erlebe hier jeden Tag hart arbeitende, verlässliche Menschen, die vor den neuen Trendwenden äußerst kreativ arbeiten mussten, um in den Hochphasen der Sparpolitik die Bundeswehr materiell am Leben zu erhalten. Wir haben in den vergangenen vier Jahren viel geändert und wir wachsen wieder – und wir bekommen wieder Geld. Dass wir nun aber binnen einer Legislaturperiode die Fähigkeiten zurückgewinnen, die wir in 25 Jahren weggespart haben, ist eine Illusion.

Die Soldatinnen und Soldaten warten auf neues Material oder darauf, dass ihr altes Material endlich repariert wird, Stichwort Einsatzbereitschaft. Wie kann es sein, dass die Bundesrepublik Deutschland so schlecht dasteht?

Veit: Nach 1990 hatte niemand mehr ernsthaft damit gerechnet, dass militärische Konflikte in Europa überhaupt wieder möglich sein könnten, und damit die Landes- und die Bündnisverteidigung wieder in den Vordergrund militärischer Planung rücken könnte.  Vor diesem Hintergrund hat sich Deutschland sicherheitspolitisch umorientiert. Wir wurden eine Berufsarmee und haben uns auf die Auslandseinsätze konzentriert. Gleichzeitig sollten wir sparen. In der Konsequenz wurden im Heer die Anzahl gepanzerten Verbände massiv verringert und die Heeresflugabwehr aufgelöst, bei Luftwaffe und Marine die riesigen Flotten verkleinert und so weiter.

Schmidt-Franke:
Diese Fähigkeiten wieder aufzubauen ist schon allein aus Rüstungssicht gar nicht so einfach. Es handelt sich um hochkomplexe Waffensysteme, die im Gefecht bestehen müssen und die nicht mal eben in zwei Jahren entwickelt und gebaut werden. Während des Kalten Krieges wurden die Hauptwaffensysteme fortlaufend aktualisiert und an die neuen Bedrohungen angepasst. Während das letzte Schiff an die Truppe ausgeliefert wurde, wurde die nächste Generation bereits entwickelt. Dieser Kreislauf war für über zwei Jahrzehnte unterbrochen oder wenigstens stark verlangsamt. Erfahrene Leute in der Bundeswehr und in der Industrie sind in den Ruhestand gegangen oder abgebaut worden. Fabriken und Konstruktionsbüros sind heute nicht mehr existent.

Auch aus den Einsätzen, zum Beispiel Mali, hört man immer wieder von Problemen mit der Ausrüstung. Was tun Sie konkret, um den Kameradinnen und Kameraden, die für Deutschland im Einsatz sind, das beste Material zur Verfügung zu stellen?

Schmidt-Franke: Wir haben mit den sogenannten Sofortinitiativen für den Einsatz eine Möglichkeit, sehr schnell und am andernfalls sehr langwierigen Beschaffungsprozess vorbei Aufträge zu vergeben und Material zu beschaffen, wenn die Lage im Einsatzland es erfordert. Ich erinnere hier etwa an die gepanzerten Fahrzeuge, die nach den schrecklichen Anschlägen auf deutsche Soldaten in Afghanistan binnen kurzer Zeit im Einsatz waren. Allerdings sind die rechtlichen Hürden für dieses Verfahren hoch und wir werden es aktuell nicht für Beschaffungen im Rahmen der Landesverteidigung anwenden können.

Veit: Wir entsenden mittlerweile Offiziere und Unteroffiziere als Rüstungsteams in die Einsätze, gegenwärtig beispielsweise nach Mali, um vor Ort etwa bei der Instandsetzung zu unterstützen. Sie sollen auch kurzfristig Feedback in unsere Projektteams hier im BAAINBw geben, was vor Ort funktioniert und – viel wichtiger – was nicht. Zudem haben wir in den Einsätzen mittlerweile sehr viel sehr gutes Material. Das neue Kampfbekleidungssystem etwa, die Heron Aufklärungsdrohne oder die geschützten Bergefahrzeuge wie der Bison, um nur mal einige Beispiele zu nennen.

Politiker, Journalisten und auch manche Generale fordern einen radikalen Neuanfang und eine Privatisierung des BAAINBw. Wie stehen Sie dazu? Veit: Obwohl es mich vermutlich nicht mehr betreffen wird, da mein Ruhestand unmittelbar bevorsteht, beschäftigt mich dies natürlich sehr. Einerseits ist es richtig, die Prozesse zu überprüfen und zu optimieren, was wir für den Bereich Beschaffung bereits getan haben. Im Bereich Nutzung, also was Instandsetzung und Ersatzteile betrifft, sind wir gerade dabei. Diesen Reformen sollte man nun auch erstmal Zeit geben, um sich auszuwirken.

Unsere Verfahren Prozesse, und damit meine ich insbesondere das Customer Product Management, sind grundsätzlich gut und haben sich vielfach bewährt. Ich habe wenig Verständnis für Kritik von denjenigen, die uns öffentlich in den Senkel stellen, obwohl sie sehr genau wissen, dass es in den meisten Fällen weder unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch unsere Verfahren sind, die die gegenwärtige Lage zu verantworten haben.

Schmidt-Franke: In den Medien geistern derzeit Vorstellungen umher, die mitunter gar nicht machbar sind. Viele der Dinge, die wir tun, sind hoheitliche Aufgaben, die man nicht einfach so an nichtstaatliche Akteure abgeben kann. Zudem wäre eine privatwirtschaftliche Unternehmung genauso an die unzähligen rechtlichen Rahmenbedingungen gebunden, die auch uns viel Zeit kosten. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass eine, wie auch immer geartete, einfache Umstrukturierung unseres Amtes kurzfristig viel ändern könnte.

Auch eine private Organisation wäre an das Vergaberecht, die Bundeshaushaltsordnung und unzählige weitere Rechtsvorschriften und Normen gebunden. Zudem möchte ich auch darauf hinweisen, dass wir im Gegensatz zur Privatwirtschaft nicht nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung, sondern dem Prinzip des Gemeinwohls handeln. Für den gegebenen Zweck unseres Amtes halte ich letzteres für das deutlich angemessenere Ziel. Dabei verkenne ich nicht, dass wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, um die Leistungsfähigkeit der Beschaffungsorganisation wesentlich zu erhöhen.

Angesichts all der negativen Meldungen, können Sie Zeitsoldaten, die bald aus dem militärischen Dienst ausscheiden, eine Karriere im Rüstungsbereich empfehlen?


Schmidt-Franke: Selbstverständlich. Die Aussichten auf eine gute Karriere sind im Rüstungsbereich vielversprechend. Da wir lange einen Einstellungsstopp hatten, werden wir nun binnen der nächsten zehn Jahre einen signifikanten Teil unserer Dienstposten nachbesetzen müssen. Zudem wachsen wir wieder, was weitere Möglichkeiten eröffnet.

Veit: Außerdem bieten wir ein wirklich abwechslungsreiches Arbeitsleben. Ein neues Maschinengewehr in New Mexico erproben, einen Vertrag mit dem israelischen Verteidigungsministerium in Tel Aviv aushandeln, als wehrtechnischer Attaché deutsche Interessen in Singapur vertreten oder als Risikomanager hier in Koblenz neue Rüstungsprojekte schnell in die Truppe bringen. Das alles machen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rüstungsbereichs.

Wie wollen Sie gerade bei IT der Konkurrenz durch das CIR begegnen? Wie versuchen Sie die Laufbahn Rüstung so attraktiv zu machen, dass das fehlende Personal gewonnen werden kann? Haben Sie an eine Stellenzulage, ähnlich wie bem Sanitätspersonal, für Rüstung gedacht?

Schmidt-Franke: Die Konkurrenz um das beste Personal ist natürlich groß. Aber wir haben bereits heute viel zu bieten. Herr Veit nannte gerade ja einige der besonders interessanten Tätigkeiten. Der Dienst als Bundesbeamter bzw. -beamtin oder Angestellter bzw. Angestellte im Rüstungsbereich bietet verlässliche und familienfreundliche Rahmenbedingungen auch für diejenigen, die an einem Ort sesshaft werden und gleichzeitig einen bedeutenden Dienst für die Allgemeinheit leisten wollen. Wir bieten also nicht nur sichere, sondern auch sehr spannende Arbeitsplätze.

Veit: Über eine Stellenzulage könnte man sicherlich sprechen, wobei das nicht in unserer Verantwortlichkeit liegt, darüber zu entscheiden ebenso wie die Personalwerbung. Insofern können wir sicherlich Anregungen geben, viel mehr aber auch nicht. Was wir tun können und was auch unseren jetzigen und künftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Gute kommt, ist, den Rüstungsbereich besser darzustellen.

Wir werden in diesem Jahr erstmalig in größerem Umfang an einem regionalen Laufevent hier in Koblenz teilnehmen, wir haben ein Erklärvideo gemacht, um der Öffentlichkeit verständlich zu erläutern, was wir eigentlich tun, und wir führen auch dieses Interview. Denn all den gegenwärtigen Herausforderungen zum Trotze, die sich in den vergangenen 25 Jahren des Sparens angesammelt haben, leisten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr gute und verlässliche Arbeit. Eine Arbeit, zu der wir auch stehen und auf die ich stolz bin.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick