Beim Treffen in Brüssel vereinbarten die Nato-Verteidigungsminister ambitionierte und kostspielige Projekte. Das setzt Deutschland unter Druck: Schon jetzt ist eine der größten Wirtschaftsnationen der Welt nicht in der Lage, ihren Nato-Hausaufgaben nachzukommen. Foto: Nato

Beim Treffen in Brüssel vereinbarten die Nato-Verteidigungsminister ambitionierte und kostspielige Projekte. Das setzt Deutschland unter Druck: Schon jetzt ist eine der größten Wirtschaftsnationen der Welt nicht in der Lage, ihren Nato-Hausaufgaben nachzukommen. Foto: Nato

02.07.2019
yb

Die Nato blickt in die Zukunft und ins All – die Bundeswehr auf einen schrumpfenden Etat

Berlin. Es waren mal wieder sehr ambitionierte Pläne, die in der vergangenen Woche im Brüsseler Nato-Hauptquartier verkündet wurden: Mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen will das Bündnis auf das drohende Aus des INF-Vertrags  über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen reagieren.
 
Die Bedrohung sieht die Allianz vor allem im russischen Mittelstreckenwaffensystem SSC-8, das atomar bestückt werden kann. Nach Nato-Angaben hat das System eine Reichweite von 2000 Kilometern. Russland widerspricht und gibt eine Reichweite von lediglich 480 Kilometern an. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte beim Treffen der Verteidigungsminister, dass man keine atomare Nachrüstung anstrebe: „Wir werden nicht spiegeln, was Russland tut. Wir wollen kein Wettrüsten.“

Allerdings sollen „Beobachtung, Überwachung und Aufklärung“ gestärkt werden – ebenso die Luft- und Raketenabwehr sowie weitere konventionelle Fähigkeiten – die Rede ist von der Entwicklung neuer wirkungsvoller Waffensysteme, die einen Abschreckungseffekt auf Russland haben sollen.
 
Bei ihrem Austausch über die künftige Nato-Strategie haben die Verteidigungspolitiker auch über den Einsatz neuer Technologien gesprochen. „Künstliche Intelligenz, Quantencomputer, Biowaffen, Drohnen und neue Waffensysteme infolge des Technischen Fortschritts werden auch Folgen haben für die Widerstandsfähigkeit des Bündnisses, aber auch für die Waffenkontrollregime“, wird ein Nato-Diplomat in einem Bericht der „Welt“ zitiert. All das erfordere zusätzliche Milliardensummen, die sich noch nicht beziffern ließen.

Als sei das alles noch nicht genug, blickt die Allianz nun auch ins All. „Es ist wichtig, dass wir auch im Weltraum wachsam sind“, hatte Stoltenberg noch vor Beginn des Verteidigungsministertreffens gesagt. Der Grund: Die Nato ist allein durch ihre Satellitenkommunikation stark von der Technik im Weltraum abhängig. Ein feindlicher Angriff auf die Satelliten der Nato-Staaten könnte fatale Folgen haben. Das Bündnis will nun mit einer neuen Strategie die Antwort auf mögliche Attacken im oder aus dem Weltraum finden.

Vom wirkungsvollen neuen konventionellen Waffensystem bis hin zu einem Schutz der im Weltraum eingesetzten Technologie: Die Vorhaben der Allianz sind ambitioniert – und kostspielig. Als Ursula von der Leyen vergangene Woche an Russland appellierte, sich doch bitte an den INF-Vertrag zu halten und im Vertrag zu bleiben, hatte sie vielleicht auch die vielen Milliarden im Sinn, die bei einem Scheitern durch die Nato für zusätzliche Maßnahmen aufzubringen wären – und somit auch durch Deutschland.

Und hier liegt die Krux: Schon jetzt ist nach der Verabschiedung der Finanzplanung bis 2023 in der vergangenen Woche klar, dass Deutschland weit davon entfernt ist, seinen Nato-Hausaufgaben nachzukommen. Es ist kaum vorstellbar, wie sich Deutschland an der Finanzierung von neuen Waffensystemen und neuen Technologien beteiligen will, wenn es noch nicht einmal in der Lage ist, beim vorhandenen Gerät für eine halbwegs akzeptable Einsatzbereitschaft zu sorgen.

Zwar steigt der Etat in 2020 auf eine Rekordsumme von 44,9 Milliarden Euro – gemessen am Finanzbedarf sind das aber immer noch fünf Milliarden Euro zu wenig. Noch schlechter sieht es in der Planung für die kommenden vier Jahre aus. Die Bundesregierung hatte der Nato zugesagt, in den kommenden Jahren den Verteidigungsetat auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Da aber der Wehretat von 2021 bis 2023 von 44,1 auf 43,9 Milliarden sinken soll, entfernt man sich wieder deutlich vom 1,5-Prozent-Ziel: Gerade mal 1,24 Prozent des BIP werden es nach derzeitigem Stand in 2023 sein. Eigentlich müsste der Verteidigungshaushalt bis 2023 schrittweise auf 57 Milliarden angehoben werden, um den Finanzbedarf der Streitkräfte zu decken – die Lücke zwischen Auftrag und Mitteln ist inakzeptabel groß – und wird nur noch größer.

Oberstleutnant André Wüstner sieht verheerende Folgen für die Glaubwürdigkeit der Politik in der Bundeswehr sowie Deutschlands im Bündnis. „Die Wiedererlangung der Einsatzbereitschaft wird um Jahre verschoben. Die Bundesregierung muss nun schleunigst erklären, welche Vorhaben entgegen den Planungen nicht mehr oder erst deutlich später realisiert werden können“, forderte der DBwV-Vorsitzende.

Eine Reihe von Projekten könnte nun gefährdet sein, vom Mehrzweckkampfschiff MKS-180 bis hin zu europäischen Rüstungsvorhaben wie dem Kampfjet der Zukunft, dessen Modell noch vor wenigen Tagen mit großem Pomp in Anwesenheit der Verteidigungsministerin in Paris der Öffentlichkeit präsentiert wurde.
 
Laut Medienberichten ist auch die voll ausgestattete Brigade für die Nato-Speerspitze Makulatur. Bis 2023 – dann ist Deutschland wieder an der Reihe, die Brigade zu stellen – sollten die eingesetzten Einheiten alles benötigte Material zur Verfügung haben, ohne es mühsam in ganz Deutschland einsammeln zu müssen. Auch von diesem Versprechen ist die Bundesregierung wieder abgerückt, heißt es in dem Bericht der „Welt“.  Ein weiteres gebrochenes Versprechen, welches das Vertrauen der Bündnispartner in Deutschland nicht gerade stärken wird.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick