Eine Aufklärungsdrohne Heron beim Start vom Flugplatz in Mazar-e Sharif. Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke

Eine Aufklärungsdrohne Heron beim Start vom Flugplatz in Mazar-e Sharif. Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke

26.05.2020
Yann Bombeke

Drohnen-Debatte: verdammt zum Zusehen, verdammt zum Abwarten

Berlin. Was würden bewaffnete Drohnen der Bundeswehr im Einsatz konkret für Vorteile bringen? Über die militärisch-operativen Aspekte bewaffneter Drohnen hat das Verteidigungsministerium jetzt die Abgeordneten des Bundestags informiert. Die zweite Präsentation konnte auch öffentlich per Livestream mitverfolgt werden.

„Verdammt zum Zusehen“ und „verdammt zum Abwarten“ – dies sind zwei Sichtweisen, zwei Perspektiven, die das Dilemma von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz in vielen Situationen zum Ausdruck bringen. Zwei Offiziere führten den Parlamentariern bei der Präsentation von Staatssekretär Peter Tauber vor Augen, wie wertvoll bewaffnete Drohnen sein könnten, um den Soldaten im Einsatzgebiet ein Plus an Sicherheit zu geben.

Da ist Oberstleutnant i.G. Jan Smekal, ein ehemaliger Tornado-Pilot der Luftwaffe. Smekal stieg vor zehn Jahren vom Jet-Cockpit in den Container zur Steuerung der Aufklärungsdrohne Heron 1 um. 14 Auslandseinsätze hat er hinter sich, ist jetzt Referent im BMVg. In Mali und Afghanistan hat er Situationen am Boden beobachtet, in die er nicht eingreifen konnte. Smekal zeigt den Politikern zum Teil drastische Bilder, von Drohnen aufgenommen. Da sind die vier afghanischen Polizisten, die in einen Pickup gezerrt und außerhalb eines Dorfes von Aufständischen hingerichtet werden. Oder der UN-Konvoi in Mali, der in eine Sprengfalle gerät und von Unbekannten beschossen wird. „Das sind Szenarien, wie sie aktuell stattfinden“, sagt Oberstleutnant i.G. Smekal. Als Drohnenpilot kann er mit der Heron 1 die Situation beobachten, aber nicht direkt eingreifen. Er ist „verdammt zum Zusehen“.

Oberst Matthias Ehbrecht ist heute im BAPersBw. In seiner letzten Verwendung war er Kommandeur im Camp Pamir bei Kundus in Nordafghanistan. Das Camp wird regelmäßig von Aufständischen ins Visier genommen: Ungelenkte Raketen treffen immer wieder das deutsche Feldlager. Der Feind sitzt auf der anderen Seite eines Flusses. Bodenkräfte haben es schwer, dorthin zu gelangen. Ohnehin ist es eine Gegend, welche die afghanischen Sicherheitskräfte meiden. Das Areal wird von einer Aufklärungsdrohne beobachtet. Auf den Videobildern ist zu sehen, wie Aufständische eine BM-1-Rakete in Stellung bringen und abfeuern. Nach etwas mehr als zehn Sekunden schlägt sie im Lager ein. Zehn bis 15 Sekunden, das ist die Zeit, die den deutschen und afghanischen Soldaten bleibt, sich in Deckung zu bringen. „Für Soldaten ist es echt unbefriedigend, dass sie nichts gegen den Beschuss unternehmen können, außer sich zu verstecken“, sagt Ehbrecht. Die Soldaten sind in diesen Situationen „zum Abwarten verdammt“.

Wären die geschilderten Situationen anders gelaufen, wenn die Drohnen, die das Geschehen beobachteten, bewaffnet gewesen wären? Darüber kann man nur spekulieren. Aber: „Wir sind der Meinung, dass eine bewaffnete Drohne ein ergänzendes Mittel für unsere Soldatinnen und Soldaten im Einsatz sein kann, um ihren Einsatz effektiver und auch sicherer zu erfüllen“, sagt Peter Tauber. Der Parlamentarische Staatssekretär im BMVg ist sich bewusst: „Das ist wahrscheinlich eines der kontroversesten Themen, die wir in dieser Legislaturperiode im Bundestag zu beraten und zu entscheiden haben.“

Das Bild bewaffneter Drohnen sei davon geprägt, wie andere Staaten sie einsetzen, sagt Tauber. „So, wie manche andere Streitkräfte eine bewaffnete Drohne nutzen, wollen wir es nicht tun“, sagt der Unionspolitiker. Deutsche Drohnen würden schon jetzt ganz bewusst aus dem Einsatz heraus gesteuert. „Unsere Soldaten gehen mit in den Einsatz, sie sehen den Konvoi, der morgens aus dem Lager hinausfährt und sind froh, wenn sie die ‚Jungs und Mädels‘ am Abend wieder im Camp haben“, sagt Tauber zu den Abgeordneten.

Elementares Prinzip: Am Ende entscheidet immer der Mensch

Ganz wichtig sei, dass am Ende immer ein Mensch entscheidet. Dies sei ein „elementares Prinzip“, so Tauber. Die Entscheidungsprozesse wurden bei der Info-Veranstaltung in der Vertretung des Freistaates Bayern beim Bund von Generalleutnant Bernd Schütt, Abteilungsleiter Strategie und Einsatz im BMVg, genau dargestellt: Die Drohne liefert Bilder in den Gefechtstand. Da sitzen der Befehlshaber, ein Rechtsberater und ein interkultureller Einsatzberater. Die Bilder können auch nach Deutschland ins Einsatzführungskommando gesendet werden. Die Entscheidung zum Einsatz von Waffen trifft nicht der Drohnenpilot, sondern der Befehlshaber im Gefechtstand.

Auch die Waffen, mit denen deutsche bewaffnete Drohnen ausgerüstet werden sollen, wurden angesprochen. So sollen kleinere Systeme zum Einsatz kommen als die 250-Kilogramm-Bomben, die sonst in den Einsatzgebieten bei der Luftnahunterstützung eingesetzt werden. Oberstleutnant i.G. Smekal betonte, dass oft schon kleinere Kampfmittel ausreichen würden. So habe man sich bewusst für die Heron TP und nicht für das US-amerikanische Modell „Predator“ entschieden, da die Heron auch so genannte Effektoren abfeuern könne. Dies sind kleinere Geschosse mit weniger als 10 Kilogramm Wirkmittel. Mit solchen Waffen könne etwa der Motorraum eines Pickups getroffen werden. Das Fahrzeug wäre damit außer Gefecht gesetzt.

Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die genannten Beispiele der Bundeswehr: Es sei fraglich, ob Drohnen die jeweiligen Situationen hätten beeinflussen können. Reinhard Brandl (CDU) hofft hingegen, dass „wir bald ans Ende der Debatte kommen.“ Brandl sagte: „Ich habe das Grundvertrauen in die Bundeswehr, dass sie die Waffen, die wir ihr an die Hand geben, nach bestem Wissen und Gewissen verhältnismäßig richtig und gemäß der Einsatzvorgaben einsetzt.“ Auf eine baldige Entscheidung hofft auch Oberstleutnant i.G. Smekal: Die Truppe warte ungeduldig auf eine Entscheidung.

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