Der Verzicht auf parlamentarische Vorlagen für permanent benötigte Ausstattung wie Bekleidung könnte Kapazitäten für die Beschaffung von Großgerät und komplexe Systeme freimachen

Der Verzicht auf parlamentarische Vorlagen für permanent benötigte Ausstattung wie Bekleidung könnte Kapazitäten für die Beschaffung von Großgerät und komplexe Systeme freimachen

17.12.2018

Experten für die Optimierung der Beschaffungsorganisation?

Sind diejenigen, die sich aktuell mit der Optimierung der Beschaffungsorganisation befassen, auch alle und ohne Ausnahme Experten für Rüstung, Beschaffung und Nutzung sowie für Organisationsfragen? Sind sie an einer tatsächlichen Verbesserung interessiert? Und wenn nicht: Was treibt sie dann, was ist ihr Ziel?
Wie komme ich zu diesen kritischen Fragestellungen?

Im Koalitionsvertrag stand: „Wir werden bis Ende 2019 untersuchen, in welcher Weise die Beschaffungsorganisation der Bundeswehr an ihren Standorten in ihrer Organisationsform angepasst werden sollte.“ Ein zweiter Satz, den ich für wesentlich wichtiger halte, hat es leider nicht in den Koalitionsvertrag geschafft: „Darum wollen wir uns in Zukunft auf die Vorlage wichtiger Beschaffungsvorhaben konzentrieren und die Summe für die Vorlagepflicht erhöhen.“

Ich kann daraus nicht ableiten, dass damit eine erneute und auf das BAAINBw fokussierte Betrachtung gemeint war, woraus eine neue Aufbauorganisation allein dieses Amts folgen würde. Ich war der Meinung, dass, wenn die Bestandsaufnahme einen Änderungsbedarf feststellt, die gesamte Beschaffungsorganisation der Bundeswehr angepasst werde. Dazu gehört natürlich eine vollumfängliche und sorgfältige Analyse der Ausgangslage, militärisch „Lagefeststellung“ genannt. Eine solche Lagefeststellung durch die gebildete TaskForce Beschaffungsorganisation ist aktuell nicht zu erkennen.

Der Expertenrat sollte nicht nur in der Lage sein, die vorgelegten zu prüfenden Feststellungen zu kommentieren, sondern auch zu bewerten, ob diese vollständig sind oder ob es Alternativen gibt. Und er sollte prüfen, ob die vorgelegten Überlegungen überhaupt in sich schlüssig und folgerichtig sind.

Nach zahlreichen Gesprächen mit Mitarbeitern, Soldaten und zivilen Kollegen aus den Projektabteilungen und Vertragsreferaten komme ich im Rahmen einer Lagefeststellung zu dem Ergebnis, dass die Rahmenbedingungen, unter denen Rüstung, Entwicklung, Beschaffung und Nutzung durchgeführt werden, der eigentliche Kern des Problems sind.
Wir erwarten deshalb, dass:

  1. schon beim Aufsetzen eines Projekts geprüft wird, ob dieses – im Kontext eines ganzheitlichen Fähigkeits- und Ressourcenmanagements – finanziell und bei Auftraggeber und Auftragnehmer personell sowie materiell so ausgestattet ist, dass es auch im Zeit- und Kostenrahmen durchgeführt und nachhaltig genutzt und betrieben werden kann. Haben Task-Force und Expertenrat hierzu schlüssige Konzepte? Darüber ist bisher nichts bekannt geworden.
  2. die Projekte ein verfügbares Budget für eine komplette Projektphase erhalten, zumindest für den Zeitraum bis zu einer definierten Ausbaustufe/einem Meilenstein (auch über- oder mehrjährig). Gibt es in der Task-Force und im Expertenrat dazu Überlegungen und Lösungsansätze? Auch darüber ist bisher nichts bekannt geworden.
  3. der Ausnahmetatbestand, ob „nationale Sicherheitsinteressen betroffen“ sind, so weit wie bei unseren Partnern in Europa gefasst wird. Diese legen die EU-Vorschriften oft ganz anders aus als wir. Dabei könnte beispielsweise auch die Beschränkung, dass bei einem höheren Bedarf das bisher vereinbarte Beschaffungsvolumen nur um maximal 50 Prozent erhöht werden darf, aufgehoben werden und anstelle einer neuen Ausschreibung direkt Ergänzungsbeschaffungen bei demselben Auftragnehmer oder eine schnelle freihändige Vergabe an einen anderen Auftragnehmer zulässig sein.
  4. vereinbarte Leistungs-, Zeit- und Kostenziele zu erbringen sind und diese gegenüber den Auftragnehmern zwingend durchgesetzt werden, auch unter Zuhilfenahme von Vertragsstrafen und ähnlichem. Hat die Task-Force diesbezüglich Verbindung mit den betroffenen Ministerien aufgenommen, um Handlungsmöglichkeiten auszuloten? Auch darüber ist bisher nichts bekannt geworden.
  5. bei den parlamentarischen 25-Millionen-Euro-Vorlagen die Grenze auf mindestens 50 Millionen Euro angehoben und bei der Beschaffung von handelsüblicher und permanent benötigter Ausstattung (Rechner, Bekleidung, Inventar) sowie bei routinemäßigen Folgebeschaffungen darauf verzichtet wird. Die parlamentarischen Vorlagen wären damit auf die Beschaffung von Waffen, Waffensystemen und komplexen Systemen fokussiert. Der Prozess innerhalb des BAAINBw könnte vereinfacht werden, indem der Umfang einer Vorlage auf den für das Parlament benötigten Anteil verringert wird. Im Falle von Nachfragen könnten weitere Inhalte immer noch erarbeitet und vorgelegt werden. Der Arbeitsaufwand in den Vertragsreferaten würde deutlich abnehmen, eine durchgreifende Kostenkontrolle ist dennoch immer möglich. Sind auch hierzu Gespräche mit dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags geführt worden? Darüber ist bisher nichts bekannt geworden.
  6. es dem die Gesamtverantwortung tragenden Projektleiter überlassen wird, wen er zur Mitzeichnung aufruft. Bereits bei der Einführung des CPM (nov.) wurde dieses versucht, aber nicht umgesetzt. Querschnittsreferate benutzen die Mitzeichnung immer wieder als Hebel gegen Projekte, ohne die Auswirkungen selbst verantworten zu müssen. Sind hier Vorschläge erarbeitet oder bereits Maßnahmen ergriffen worden, um die Rolle des Projektleiters zu stärken? Darüber ist bisher nichts bekannt geworden.
  7. Maßnahmen erörtert werden, wie die fehlenden Dienstposten kurzfristig besetzt und der Personalbedarf nachhaltig gedeckt werden kann. Könnten nicht etwa Zeitsoldaten mit technischen Abschlüssen das Fehl abmindern, zivile Beschäftigten direkt gemäß ihren eigenständig erworbenen Zusatzqualifikationen befähigungsgerecht eingesetzt und gefördert werden? Hat man also die Laufbahnverordnungen auf dem Prüfstand, um Binnenwerbung zu stärken und Qualifizierungen anzuerkennen? Darüber ist bisher nichts bekannt geworden.

Bekannt geworden ist hingegen, dass es Überlegungen gibt, Projekte auszugliedern und damit auch Fachleute aus ihren Abteilungen herauszulösen, um so neue Schnittstellen zu schaffen, ohne dass die oben beschriebenen Rahmenbedingungen geändert würden. Was ist daran also erfolgversprechend oder zielführend? Wie verhält sich eigentlich die Leitung des BAAINBw zu dieser gesamten Thematik? Wurden bereits eigene Vorschläge oder Strategien entwickelt und in den Untersuchungsprozess eingebracht? Darüber ist bisher nichts bekannt geworden. Kann sich irgendjemand vorstellen, dass ein Expertenrat über die Zukunft des Heeres, der Marine, Luftwaffe oder eines Organisationsbereichs befinden soll, ohne dass die jeweiligen Inspekteure dazu gehört werden und diese ihre Vorstellungen einbringen können? Oder kommt es auf einen solchen Fachbeitrag aus dem zuständigen Amt gar nicht mehr an, weil „die Würfel längst gefallen“ sind?

Bekannt geworden ist weiterhin, dass man auf Forderung der Personalvertretungen weitere Mitglieder des BAAINBw zur Teilnahme am Expertenrat zugelassen hat. Deren Beiträge werden jedoch höchstens zur Kenntnis genommen, nicht aber wirklich aufgegriffen und sachgerecht zur Diskussion gestellt.

Daher komme ich zu dem Schluss, dass die „Experten“ in Task-Force und Expertenrat weiter an den Symptomen herumdoktern – wie dies bereits in der Vergangenheit geschah – und daher wohl erneut keinen spürbaren Erfolg haben werden, solange sie nicht an die eigentlichen Probleme des Beschaffungswesens herangehen. Sie trauen sich nicht einmal, diese, nämlich insbesondere die Rahmenbedingungen, die von Politik und Industrie zu verantworten sind, deutlich und offen anzusprechen.

Warum holt man sich immer wieder Experten, wenn die eigentlichen Experten für Rüstung, Beschaffung und Nutzung sowie für Organisationsfragen im eigenen Haus verfügbar sind und unter den oben beschriebenen Problemen zu leiden haben?

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