Die neue Sitzordnung im Forum gestaltet die Veranstaltungen lebendiger. Foto: ZInFü/Schönbrodt

Die neue Sitzordnung im Forum gestaltet die Veranstaltungen lebendiger. Foto: ZInFü/Schönbrodt

10.10.2018
Ralf Goldberg, ZInFü

Führen im digitalen Umfeld

Koblenz. … ist das Jahresthema des Zentrums Innere Führung, das in einer ganzen Reihe von Veranstaltungen mit unterschiedlichen Zielgruppen innerhalb und außerhalb der Bundeswehr diskutiert werden soll. Das 12. Kolloquium des Freundeskreises Zentrum Innere Führung e.V., der Karl-Theodor-Molinari-Stiftung und des Zentrums Innere Führung am 13. September 2018 in Koblenz machte den Anfang. Ein Tagungsbericht.

Was meint Digitalisierung?


In seiner ursprünglichen Bedeutung ist damit die Umwandlung von analogen Ressourcen in ein digitales Format gemeint. Doch geht die Entwicklung in hohem Tempo viel weiter. Durch Smartphone und Tablet-PC können Menschen ihr gesamtes Leben vernetzen und via Facebook und anderen sozialen Netzwerken mit Freunden und Familie teilen. Die neuen Medien beeinflussen so zunehmend unseren Umgang, Kommunikationsverhalten, Sozialisationsprozesse und Sprachkultur. Auch die mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen in der Wirtschafts- und Arbeitswelt vollziehen sich in rasanter Geschwindigkeit und haben somit auch für die Bundeswehr und ihre Führungskultur zentrale Bedeutung. Digitalisierung und Gute Führung sind sowohl Chance als auch Herausforderung zugleich für die Bundeswehr.

Generalmajor Reinhardt Zudrop, Kommandeur ZInFü: „Gute Führung ist Basis für die Einsatzbereitschaft der Truppe.“


Er hat seit August 2017 das vom BMVg aufgelegte Programm „Innere Führung heute“ federführend in über 30 Workshops begleitet. Das Programm hat das Ziel, die Bedingungen, unter denen in der Bundeswehr geführt wird, zu verbessern, Hindernisse zu identifizieren, zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren. Das Thema Digitalisierung und vernetzte Arbeit wurde in jedem Workshop diskutiert und als fundamentale Veränderung für die Führungskultur beschrieben. Digitalisierung birgt die Gefahr der Führungsunkultur, in dem das Prinzip „Führen mit Auftrag“ abgelöst wird durch Lotus Notes - zugleich sind immer mehr Aufträge unter erhöhtem Zeitdruck zu bearbeiten. So sind im Zeitalter der Digitalisierung die Anforderungen an die militärischen Führer enorm gewachsen. Selbstführung gewinnt an Bedeutung. Ferner müssen sie die Menschen mitnehmen, Zukunftsängste nehmen und in diesen bewegten Zeiten der Veränderungen die Innere Führung als zentrales Element vorleben, fordern und festigen.

Hauptmann Andreas Steinmetz, stellvertretender DBwV-Bundesvorsitzender: „Wir müssen mit den Menschen arbeiten, die da sind.“


Steinmetz stellt Vertrauen, Wertschätzung und Anerkennung als wesentliche Elemente Guter Führung heraus - nicht nur im Einsatz, sondern auch im Grundbetrieb. Für eine gute Führungskraft rückt der Mensch gerade im digitalen Zeitalter ganz klar in den Mittelpunkt. „Denn eine gute Führungskraft weiß, nicht die Technologien, sondern die Beziehungen zu und zwischen den Menschen sind der zentrale Erfolgsfaktor im 21. Jahrhundert“, so Steinmetz. Im Grundbetrieb und erst recht im Einsatz ist gute Führung das entscheidende Kernelement für Effizienz, Erfolg und gutes Klima in der Truppe.

Flottillenadmiral Roland Obersteg, Kommando Cyber- und Informationsraum: „Wir werden uns inhaltlich, kulturell und gesellschaftlich mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen müssen.“


Digitalisierung verändert das militärische Führen auf dem Gefechtsfeld und in der Stabsarbeit. So muss z.B. der Infanterist der Zukunft nicht nur seine Waffe kennen, muss nicht nur geländegängig und fit sein, sondern auch „smart“. Er wird digitalisiert angebunden sein, er weiß ohne Sichtverbindung nur über Tablett, wo seine Kameradinnen und Kameraden sind. Diese digitalen Informationen können bis in die höchste Führungsebene gespiegelt werden. Doch eines können die digitalisierten Daten nicht wiedergeben: wie ist der psychische und physische Zustand der Soldaten? Das weiß nur der Führer vor Ort. Ihm muss deshalb dezentral die Entscheidungskompetenz zugestanden werden. Er trägt die Verantwortung für Leib und Leben seiner Leute. Führen mit Auftrag wird im digitalen Gefechtsfeld überlebensnotwendig. In der digitalisierten Stabsarbeit besteht die Gefahr, Vertrauen durch Kontrolle zu ersetzen. Zahlen und Daten dürfen nicht wichtiger werden als die Bewertungskompetenz des Einheitsführers vor Ort.

Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: „Es ist ein Irrglaube zu meinen, nur, wenn man alles weiß, kann man richtig handeln.“


Man kann viele Informationen haben, aber nie alle. Der militärische Führer muss Entscheidungen treffen aufgrund der Informationen, die er hat. In der digitalen Welt aber sorgen immer mehr Sensoren für einen Informations-Overkill. Immer mehr Lage-Informationen nehmen schließlich die Option, steuernd zu handeln und die Initiative zu ergreifen – man reagiert nur noch und kann den Gegner nicht mehr zu Reaktionen zwingen. Fortschritt und neue Technologien erfordern, deshalb immer auch eine Risikobewertung mitzudenken. Denn in Breite und Tiefe vernetzte Systeme sind anfällig und verwundbar, so dass, wenn nicht alle Subsysteme funktionieren, alles nicht funktioniert.

Ergänzt wurden die Vorträge noch durch Diskussionen im und mit dem Plenum, sowie durch Redebeiträge eines Polizeibeamten, der eine Polizeiinspektion führt und einer Wirtschaftswissenschaftlerin, die als Managementberaterin tätig ist.

Grundlegend herrschte Einvernehmen bei den Akteuren, dass die Digitalisierung nicht Aufgabe und Auftrag der Bundeswehr verändert, wohl aber die Art der Auftragserfüllung. So muss die Bundeswehr den gesellschaftlichen und technischen Wandel nicht nur nachvollziehen, sondern gestalten. Die Bundeswehr ist aufgefordert, unterschiedliche Haltungen gegenüber technischen Entwicklungen und deren Folgenabschätzung auszuhalten und agil zu tragen. Dabei, so ein Ergebnis des Koblenzer Kolloquiums, sollte man auch darüber nachdenken, wie überwiegend analog gewachsene Führungskräfte von jüngeren „digital natives“ lernen können, ohne beispielsweise ihre Rolle als Entscheider dadurch aufzugeben. Ist am Ende nicht digital egal – und Führung entscheidet?

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