Auf dem Podium der Königsbronner Gespräche: Generalleutnant Markus Laubenthal (r.) und Moderator Michael Stempfle. Foto: DBwV/Henning

Auf dem Podium der Königsbronner Gespräche: Generalleutnant Markus Laubenthal (r.) und Moderator Michael Stempfle. Foto: DBwV/Henning

26.03.2019
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Königsbronner Gespräche: „20 Jahre aus der Substanz gelebt“

Königsbronn. Ganz im Zeichen der europäischen Turbulenzen haben in diesem Jahr die Königsbronner Gespräche zur Sicherheitspolitik gestanden. Mit Blick auf das Brexit-Chaos, die politische Polarisierung in Europa und die bevorstehenden Wahlen diskutierten Politiker, Wissenschaftler und Spitzenmilitärs in der historischen Hammerschmiede die Frage, welche wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Folgen die jüngsten Entwicklungen haben könnten. Sie waren sich darin einig, dass die Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen nicht weniger, sondern mehr Europa sein müsse.

„Nur ein starkes und einiges Europa ist in der Lage, gemeinsam mit der Nato – zur Not aber auch allein – seine und damit unser aller Interessen zu verteidige“, sagte Wolfgang Rudischhauser, Vize-Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, zum Auftakt. Und hatte damit die Vorlage gegeben für eine lebhafte Diskussion im Auditorium und auf dem Podium. Doch zunächst skizzierte Generalleutnant Markus Laubenthal, Abteilungsleiter Führung Streitkräfte im BMVg, die Situation der Bundeswehr und die europäische Sicherheitsarchitektur aus Sicht der Streitkräfte. Diese hätten weit mehr Aufgaben, als es zunächst den Anschein habe. Es gehe nicht nur um Afghanistan oder Mali, nicht nur um die schnelle Nato-Eingreiftruppe VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) oder um Cyber-Abwehr – es gehe um alles zusammen. Die größte Aufgabe sei aber die Landes- und Bündnisverteidigung. Hier habe die Bundeswehr Nachholbedarf: „Wir haben 20 Jahre aus der Substanz gelebt“, sagte Laubenthal.

In der Europäischen Union wachse die Einsicht, dass man in Sachen äußere Sicherheit mehr zusammen tun könne, ja müsse, sagte der Drei-Sterne-General. Deswegen würden bald weitere Vereinbarungen zur stärkeren militärischen Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern geschlossen. Daraus entstehe zwar noch keine Europäische Armee. Zudem müsse man aufpassen, dass die übrigen Aufgaben nicht vernachlässigt würden, mahnte Laubenthal. Wie es funktionieren könne, habe die Übung „Trident Juncture“ in Norwegen aber eindrucksvoll gezeigt. „Das war eine ordentliche Leistung.“ Die Entwicklung des Fähigkeitsprofils der Streitkräfte hänge von den Finanzen ab. „Gibt es weniger Geld, werden die einzelnen Schritte dieser Entwicklung eben kleiner“, wies Laubenthal auf den Finanzbedarf der Bundeswehr hin.

Moderator Michael Stempfle (ARD-Hauptstadtstudio) konnte in der Fragerunde das Thema Beraterverträge nicht aussparen. Laubenthal betonte, dass gerade in IT-Angelegenheiten externer Sachverstand gebraucht würde. Mit Blick auf die Cyber-Truppe sei klar, dass diese Fähigkeit absolut notwendig sei, um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu gewährleisten. Ob etwas bei der Auftragsvergabe nicht ordnungsgemäß abgelaufen sei, würden die Untersuchungen zeigen.

Auf dem Podium ging der Blick der Experten weit über die nationalen und kontinentalen Grenzen hinaus. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kieswetter warnte davor, den Wunsch nach sozialer Sicherheit gegen die sicherheitspolitischen Erfordernisse auszuspielen. Er habe den Eindruck, dass die Bürger dies häufig als ein Entweder-Oder sähen. Dabei sei Deutschland als eines der reichsten Länder in der Lage, sicherheitspolitische und soziale Stabilität zu gewährleisten. DBwV-Vize Hauptmann Andreas Steinmetz sagte, dass es in Europa zahlreiche politische Instrumente und Mittel zur Konfliktbewältigung gebe. Die müsse man aber auch ausschöpfen, etwa im Europarat. Fest stehe, dass Europa langfristig zusammenstehen müsse. Die Alternative zur Europäischen Union sei ein Rückfall in die Nationalstaaterei, aber: „Das ist keine Option.“

Hier goss Stempfle etwas Wermut in den Wein. „Die Appelle für mehr Europa gibt es doch schon lange. Warum soll das jetzt klappen?“ Ronja Kempin von der Stiftung Wissenschaft und Politik verwies in ihrer Antwort auf die unter Federführung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini erarbeitete Europäische Globale Strategie. Sie räumte jedoch ein, dass das Einstimmigkeitsprinzip häufig einem entschlossenen und schnellen Handeln der EU entgegenstehe.

Einigkeit bestand auch darin: Es ist eminent wichtig, den Menschen in Deutschland und Europa zu erklären, warum man in Sicherheit investieren sollte. Der frühere DBwV-Bundesvorsitzende Oberst a.D. Ulrich Kirsch machte auf die völlig gegensätzlichen Positionen etwa der Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz im Bayrischen Hof und der Friedensdemonstranten draußen vor der Tür aufmerksam. Er wünsche sich, dass mehr kommuniziert würde. „Wo ist etwa der junge Brigadegeneral, der aktiv Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung in Sicherheitsfragen betreibt?“

Kirsch rannte damit offene Türen ein. „Ich glaube, dass der Journalismus inzwischen das Thema Sicherheit entdeckt hat“, sagte Kiesewetter. Dennoch würden auch Politiker noch zu häufig innenpolitisch argumentieren, etwa beim Haushalt. Er habe der Bundeskanzlerin in der Unionsfraktionssitzung zu diesem Thema die Frage gestellt, wie man das bescheidene Ergebnis beim Verteidigungsetat den osteuropäischen Nachbarn erklären solle. „Denn die haben das Zwei-Prozent-Ziel umgesetzt, trotz deutlich schlechterer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.“ Das sei eine Frage der Glaubwürdigkeit. „Die Gefahr ist groß, dass sich die Osteuropäer von Europa abwenden“, warnte Kiesewetter. Wichtiger als die absoluten Zahlen sei jedoch der investive Anteil am Haushalt. Der müsse von jetzt 14 auf 20 Prozent steigen.
 
Der Landtagsabgeordnete Guido Wolf, baden-württembergischer Minister für Justiz und Europa, rief noch einmal in Erinnerung, wie sehr jeder einzelne von der europäischen Idee profitiere, etwa von Reisefreiheit, Berufsfreiheit und dauerhaftem Frieden. Das betrachteten viele junge Europäer als Selbstverständlichkeit. „Aber die Jugend muss auch lernen, für diese Selbstverständlichkeit zu kämpfen.“ Und nein, er lasse sich nicht einreden, dass es einen Gegensatz zwischen Heimat und Europa gebe. „Ich bin Baden-Württemberger, Deutscher und Europäer.“

Der Brexit, aber auch die innenpolitischen Entwicklungen in Polen, Ungarn und Rumänien, seien ein Weckruf für die Europäische Union. „Es geht um die Frage: Bleiben wir eine Rechts- und Wertegemeinschaft oder lassen wir uns auseinanderdividieren?“ Wolf mahnte eine bessere Schwerpunktsetzung an. „Europa muss sich um die wichtigen und richtigen Dinge kümmern.“ Er bezeichnete die kommenden Europawahlen als Schicksalswahl. „Das sagen wir Politiker zwar vor jeder Wahl, aber diesmal stimmt es“, schmunzelte der Minister. Es müsse verhindert werden, dass die Europaskeptiker noch mehr Stimmen als bisher bekämen.

In der zweiten Podiumsrunde ging es um Chancen und Risiken für die heimische Wirtschaft. Auch hier stimmten die Experten darin überein, dass nur Europa einen Schutz vor Handelshemmnissen und weiteren Risiken bieten könne. Gerade als Gegengewicht zu den wirtschaftshegemonialen Bestrebungen Chinas und der USA müsse die EU zusammenstehen. Dabei gehe es darum, wirtschaftlich starke und innovative Regionen auch stark zu halten.

Am Ende hatten die Teilnehmer, ob auf dem Podium oder im Auditorium, eine außerordentlich lebendige und diskussionsfreudige  Veranstaltung erlebt. Und so steht der achten Auflage der Königsbronner Gespräche im kommenden Jahr nichts entgegen, wie Kiesewetter in seinem Schlusswort ankündigte.

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