Annegret Kramp-Karrenbauer spricht vor Studenten an der Universität der Bundeswehr. Die Verteidigungsministerin plant die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates in Deutschland. Foto: Sven Hoppe/dpa

Annegret Kramp-Karrenbauer spricht vor Studenten an der Universität der Bundeswehr. Die Verteidigungsministerin plant die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates in Deutschland. Foto: Sven Hoppe/dpa

07.11.2019
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Kramp-Karrenbauer fordert Nationalen Sicherheitsrat und schnellere Bundestagsbeschlüsse

Berlin. Mehr Verantwortung, mehr internationales Engagement der Bundesrepublik und in der Konsequenz auch mehr Einsätze der Bundeswehr: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer versucht derzeit, diese Botschaften auf verschiedenen Kanälen in die öffentliche Diskussion zu bringen. Jetzt bringt die Ministerin und CDU-Chefin auch die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats und schnellere Bundestagsbeschlüsse ins Spiel. Das Ziel: Deutschland solle eine „Gestaltungsmacht“ werden.

Wie das vonstattengehen soll, erläuterte Kramp-Karrenbauer am Donnerstag (7. November) vor dem Führungsnachwuchs der Bundeswehr an der Universität der Bundeswehr in München. Den jetzigen Bundessicherheitsrat will die Ministerin zu einem Nationalen Sicherheitsrat weiterentwickeln – „hin zu einem Ort, der die verlässliche Koordination unserer strategischen Instrumente gewährleistet. Ein Ort, an dem zusammengedacht wird, was zur Schaffung einer auf Humanität beruhenden Ordnung zusammengehört. Diplomatie, Militär, Wirtschaft und Handel, Innere Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit.“ So könne die Reaktion auf Krisen schneller und effektiver ausfallen, sagte die Ministerin.

Zugleich plädierte Kramp-Karrenbauer für eine Vereinfachung und Beschleunigung des parlamentarischen Verfahrens zur Meinungsbildung, wenn es darum geht, Soldaten in Einsätze zu schicken: „Mir ist wichtig, dass die Bundeswehr an völkerrechtlich legitimierten internationalen Operationen teilnehmen kann, ohne dass Verzögerungen und Unsicherheiten über unsere Leistungsbereitschaft entstehen – und zugleich die Rechte des Bundestags erhalten bleiben.“

Krisen werde es immer geben, so die Ministerin im Hörsaal der Universität, man werde nicht jede Bedrohung ausschalten können. Die Zweifel an der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sieht Kramp-Karrenbauer auch darin begründet, dass die Absichtserklärungen und die strategischen Konzepte der Bundesregierung nicht immer mit dem tatsächlichen Handeln übereinstimmten. „Wir Deutschen sind oft besser darin, hohe Ansprüche, auch moralisch hohe Ansprüche zu formulieren, an uns und an andere, als selbst konkrete Maßnahmen vorzuschlagen und umzusetzen“, sagte Kramp-Karrenbauer, „dies gilt insbesondere für unsere militärischen Beiträge, geht aber darüber hinaus“.

Vor den Studierenden in München wiederholte die IBuK ihre Forderung nach der Übernahme von mehr Verantwortung Deutschlands in Europa. Das Land habe allen Grund, „mutiger zu handeln“. Die bisherige „Kultur der Zurückhaltung“ stellte die Ministerin in Frage. „Wenn wir den Mut haben, diese Rolle der Gestaltungsmacht anzunehmen, wird das ein Gewinn für uns alle sein“, sagte Kramp-Karrenbauer.

Die Grundsatzrede der Ministerin vor dem Führungsnachwuchs in München begrüßte der DBwV-Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner. Dass Kramp-Karrenbauer jetzt eine Debatte anstößt, welche die Bundeskanzlerin seit Veröffentlichung des Weißbuchs vermieden habe, zeuge von Mut und Gestaltungswillen. „Das verdient Respekt. Auch wenn sie bei ihrer Grundsatzrede, die im Kern dem Weißbuch 2016 entstammt, gesellschaftlich auf einem schmalen Grat unterwegs ist, hat sie dabei nicht nur den DBwV, sondern auch weite Teile der Wissenschaft an ihrer Seite“, sagte Oberstleutnant Wüstner.

Der Verbandschef hofft darauf, dass der Rede Kramp-Karrenbauers ein gesellschaftlicher Diskurs folgt und dass die Ideen der Ministerin substanziell unterfüttert werden – die Verteidigungsministerin dürfe nicht beim „man müsste mal“ stehen bleiben. „Es braucht konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung eines Sicherheitsrats, zur von ihr betonten Vereinfachung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes und vor allem endlich zur Stärkung der materiellen Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr“, sagte Wüstner. Insbesondere beim Aspekt der Einsatzbereitschaft brauche es kluge Entscheidungen zur Weiterentwicklung der Bundeswehr für künftige Einsatzoptionen vor dem Hintergrund hybrider Bedrohungen.

Der Bundesvorsitzende warnte aber auch vor einer weiteren Überdehnung der Streitkräfte in zusätzlichen Einsätzen.  Die Bundeswehr sei infrastrukturell und materiell ausgehöhlt, „auch wenn die Soldatinnen und Soldaten nach wie vor mit enormem Improvisationsvermögen das Beste aus der Situation machen“, so Wüstner.  Und weiter: „Eine weitere größere durchhaltefähige Mission, wie sie einigen in Syrien vorschwebt, ist ohne die Wegnahme anderer Aufträge nicht zu verantworten.“

Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Henning Otte bezeichnete die Rede Kramp-Karrenbauers als „zukunftsweisend“.  „Es ist gut und richtig, dass Annegret Kramp-Karrenbauer von Deutschland fordert, mehr Verantwortung als internationaler Akteur zu übernehmen und militärisch handlungsfähiger zu werden. Nur so kann Deutschland seine sicherheitspolitischen Interessen konsequent vertreten. Nur so können wir für unsere Partner im transatlantischen Bündnis und in der Europäischen Union glaubwürdig und verlässlich sein“, sagte Otte.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, forderte die Ministerin auf, ihren Worten schnellstmöglich Taten folgen zu lassen.  „Deutschland braucht ein anderes sicherheitspolitisches Selbstverständnis und muss international mehr Verantwortung übernehmen“, pflichtete Strack-Zimmermann der Verteidigungsministerin bei. Gleichzeitig warnte die Liberalen-Politikerin: „Doch zuerst muss die Bundeswehr überhaupt dazu befähigt werden. Dank jahrelanger Miss- und Mangelwirtschaft pfeift sie förmlich aus dem letzten Loch: Zu wenig Personal, schlechte Ausstattung, miserables Beschaffungsmanagement. Nur dank dem großen persönlichen Engagement der Soldaten kann die Bundeswehr aktuell ihren Aufgaben gerecht werden.“

Bereits am Vortag, beim Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin, hatte die Verteidigungsministerin ein stärkeres internationales Engagement Deutschlands gefordert. In den Räumen der Unionsfraktion ging es um die transatlantische Partnerschaft. Vor zahlreichen Gästen, darunter auch DBwV-Vize Hauptmann Andreas Steinmetz, betonte Kramp-Karrenbauer, dass Partnerschaft und Freundschaft keine Einbahnstraße sein könnten. Bei der Frage, was man in den Bündnissen wie der Nato beisteuere, ginge es darum, was man bereit sei für die eigene Sicherheit zu leisten. Und es ginge um die Frage, was man an Fähigkeiten in die Nato hineingeben wolle. „Die Partner verlassen sich auf uns, so wie wir uns auch deren Beiträge verlassen“, betonte die Ministerin.

Auch auf das Zwei-Prozent-Ziel der Nato ging Kramp-Karrenbauer ein: „Das, was Deutschland zusagt, muss auch eingehalten werden – es geht auch um unsere Glaubwürdigkeit. Auch dafür steht die Chiffre von zwei Prozent in der Nato.“ Wenn man über die zwei Prozent rede, rede man nicht nur über das Geld, sondern auch über die Fähigkeiten, die Deutschland zur Verfügung stellt, sowie über die Einsätze und das Engagement.

Seit einigen Tagen forciert die Ministerin die Debatte, in der es zwar nicht mehr konkret um ihren umstrittenen Syrien-Vorstoß geht, aber um das Engagement Deutschlands auf internationaler Ebene im grundsätzlichen Sinne. Schon zu Beginn der Woche sagte Kramp-Karrenbauer der „Süddeutschen Zeitung“, Deutschland müsse künftig „offen damit umgehen, dass wir – so wie jedes andere Land dieser Welt – eigene strategische Interessen haben“ und bezog sich damit auf den Schutz der Handelswege. Deutschland werde den Erwartungen, mehr Verantwortung zu übernehmen, nicht immer gerecht, so die CDU-Chefin und forderte gleich mehr Initiative. Deutschland müsse „Impulse setzen“ und „Optionen aufzeigen“.

Für viel Wirbel hatten bereits vor wenigen Wochen die Syrien-Pläne Kramp-Karrenbauers gesorgt. Der Koalitionspartner fühlte sich nicht mitgenommen, es kam zu Dissonanzen innerhalb der Bundesregierung. Außenminister Heiko Maas stichelte sogar noch auf Staatsbesuch in der Türkei gegen die Verteidigungsministerin. Dieses Thema scheint erst einmal wieder vom Tisch zu sein, auch weil Kramp-Karrenbauer auf nationaler wie internationaler Ebene kaum Zuspruch für ihre Idee erhielt.

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