Sie standen schon näher beisammen: Die Staats- und Regierungschefs beim Nato-Gipfel in Brüssel. Foto: dpa

Sie standen schon näher beisammen: Die Staats- und Regierungschefs beim Nato-Gipfel in Brüssel. Foto: dpa

12.07.2018
yb/dpa

Nato-Gipfel: Harmonisch geht anders

Berlin./Brüssel. Es ist der erste Gipfel im neuen Nato-Hauptquartier in Brüssel. Von feierlicher Stimmung und Harmonie war man am ersten Tag des Gipfels (11. Juli) jedoch weit entfernt: Noch auf der Anreise griff US-Präsident Donald Trump erneut einige Bündnispartner scharf an. Im Zentrum der Kritik: Deutschland. Eigentlich sollte in der belgischen Hauptstadt über die neue Kommandostruktur des Bündnisses und über die Bemühungen zur Abschreckung gegenüber Russland gesprochen werden. Doch all das geriet zunächst in den Hintergrund. Trotz aller Differenzen einigten sich die Nato-Staaten auf eine gemeinsame Abschlusserklärung – ohne jedoch zentrale Streitpunkte zu klären.
 
Trump wiederholte schon vor Beginn des Gipfels seine Vorwürfe der vergangenen Wochen. Zu gering seien die verteidigungspolitischen Anstrengungen Deutschlands, zu niedrig die Ausgaben für die Streitkräfte. Vor der Landung seines Flugzeugs in Brüssel setzte Trump wieder eine seiner gefürchteten Twitter-Nachrichten ab: „Viele Länder in der Nato, die wir verteidigen sollen, liegen nicht nur bei den zwei Prozent (was niedrig ist) zurück, sondern sie sind seit vielen Jahren auch bei Zahlungen, die nicht geleistet wurden, säumig. Werden sie die USA entschädigen?“, fragte Trump.
 
Zum Start des Gipfels traf sich Trump mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu einem Arbeitsfrühstück in der US-Botschaft. Der Präsident zeigte sich weiter in Angriffslaune und nahm wieder Deutschland mit einem neuen Vorwurf ins Visier: In Bezug auf den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2, die russisches Gas durch die Ostsee nach Mittel- und Westeuropa bringen soll, sagte Trump, dass sich Deutschland in die Abhängigkeit Russlands begebe. „Deutschland ist total von Russland kontrolliert“, so der US-Präsident wörtlich. Das Land sei ein „Gefangener“ Russlands. Die USA beschützten Deutschland, doch die Bundesrepublik mache einen milliardenschweren Erdgasdeal mit Russland.
 
Noch vor ihrer Anreise mit den neuen Verbalattacken Trumps konfrontiert, reagierte die Bundeskanzlerin scharf: „Ich bin sehr froh, dass wir heute in Freiheit vereint sind als die Bundesrepublik Deutschland und dass wir deshalb auch sagen können, dass wir unsere eigenständige Politik machen können und eigenständige Entscheidungen fällen können“, sagte Angela Merkel.
Die CDU-Chefin unterstrich in Brüssel die großen Anstrengungen Deutschlands für die Nato und die USA. „Wir stellen den größten Teil unserer militärischen Fähigkeiten in den Dienst der Nato“, sagte Merkel vor einem am Nachmittag geplanten Einzelgespräch mit Trump. „Und wir sind bis heute sehr stark in Afghanistan engagiert. Und damit verteidigen wir auch die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika.“

In Bezug auf die Verteidigungsausgaben sagte Merkel, dass Deutschland dabei sei, diese deutlich zu erhöhen. „Wir fühlen uns also den Beschlüssen von Wales, uns in Richtung zwei Prozent zu entwickeln bei den Verteidigungsausgaben, verpflichtet“, sagte die Kanzlerin. Sie gehe „sehr fröhlich und auch durchaus bewusst, dass wir ein wichtiger Teil der Nato sind, in diese Diskussion“.
 
Relativ gelassen gab sich die Verteidigungsministerin auf die Angriffe vom großen Partner im transatlantischen Bündnis. „Wir haben uns jetzt fast schon daran gewöhnt“, sagte Ursula von der Leyen kurz vor Beginn des Gipfels. Trumps Kritik sei in gewisser Weise berechtigt, sagte die Ministerin. Dennoch bekräftigte sie, den Fokus nicht nur auf das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu richten. Von der Leyen appellierte dabei an den unternehmerischen Geist von Trump. „Ich hätte gern, dass der Geschäftsmann Donald Trump nicht nur auf die Bilanzaufstellung schaut, sondern auch auf den Ertrag“, sagte sie. Deutschland sei etwa zweitgrößter Nettozahler und zweitgrößter Truppensteller in der Nato. Sie würde es sehr begrüßen, wenn der Fokus stärker auf Fähigkeiten und Beiträge zum Bündnis gerichtet würde.
 
Verständnis für die Position des US-Präsidenten äußerte auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. „Der US-Präsident hat eine andere Form von Kommunikation, die ist mir fremd, und sie gefällt mir auch nicht. Doch in der Frage der militärischen Verteilungslasten hat er nicht ganz unrecht“, sagte der ehemalige Finanzminister der Funke-Mediengruppe. Deutschland habe sich verpflichtet, die Militärausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen – und es sei nicht sicher, ob das erreicht werde. „Ich bin kein großer Fan von Trump, aber diese kritische Position kann ich verstehen“, fügte der CDU-Politiker hinzu.
 
Trotz aller Differenzen einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf eine gemeinsame Gipfelerklärung. In dem in Brüssel verabschiedeten Text wird allerdings keine Lösung für die vor allem zwischen Deutschland und den USA ausgetragene Auseinandersetzung aufgezeigt. Die 29 Staaten bekräftigen lediglich noch einmal ihr „uneingeschränktes Bekenntnis“ zu dem sogenannten „Zwei-Prozent-Ziel“ aus dem Jahr 2014. Nach dem persönlichen Gespräch zwischen Merkel und Trump am Mittwochnachmittag hatte der US-Präsident versöhnlichere Töne angeschlagen: „Wir haben ein hervorragendes Verhältnis“, sagte er nach dem Treffen. Auch das Verhältnis zu Merkel beschrieb er als „sehr, sehr gut“. Sie habe „herausragenden Erfolg“, sagte er, ohne zu verraten, was er genau damit meint.

Am Abend griff der US-Präsident aber erneut via Twitter an und machte so deutlich, wo der Hauptstreitpunkt in der Allianz liegt: Die Bündnispartner „müssen sofort zwei Prozent des BIP zahlen, nicht erst 2025“, so Trump.

Unabhängig vom Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels ist für den Deutschen BundeswehrVerband eine Sache klar: Deutschland könne nur mit einer gut finanzierten und personell wie materiell voll ausgestatteten Bundeswehr seiner Verantwortung gerecht werden, sagte der DBwV-Vorsitzende Oberstleutnant André Wüstner im Vorfeld des Gipfels. Der Verbandschef betonte, dass die Nato maßgeblich für die Sicherheit Deutschlands bleibe. Wüstner wörtlich: „Jahrzehntelang waren wir Nutznießer der Nato. Künftig werden wir auf die Wirksamkeit des Bündnisses mehr denn je angewiesen sein. Viele Politiker haben leider noch nicht verstanden, dass die Nato ein wesentlicher Garant unserer Sicherheit bleiben muss – und dass unser Beitrag zu einer fairen Lastenteilung eben nur durch eine wieder voll einsatzbereite Bundeswehr realisierbar ist.“

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick