Rund 200 Spieße kamen zur Tagung mit dem Generalinspekteur nach Hannover. Foto: Bundeswehr/Kai-Axel Döpke

01.11.2019
DBwV

No action, talks only? BV spricht Klartext bei der Spießtagung des GI in Hannover

Hannover. Es gibt Dinge, die es so wahrscheinlich nur bei der Bundeswehr gibt. Dinge, die gut, wichtig und bewahrenswert sind. Die Spießtagung des Generalinspekteurs ist so etwas: Deutschlands oberster Soldat trifft die Männer und Frauen mit der gelben Kordel, die Menschen, die das Ohr am Herzen der Truppe haben. Die Folge ist ungefilterter Austausch, Stille-Post-Effekt ausgeschlossen. Kein Wunder, dass der DBwV zu den geistigen Vätern dieses besonderen Formats gehört. Kein Wunder, dass auch bei der 14. Auflage der Spießtagung der Bundesvorsitzende mit am Tisch saß, zuhörte, Fragen stellte – und Position bezog.
 
Die Rede von Oberstleutnant André Wüstner am zweiten Tag der Veranstaltung hätte die Überschrift „klare Kante“ tragen können. Sein alarmierender Befund: Zu wenig entwickelt sich in die richtige Richtung, zu langsam sind Veränderungen. Egal, wohin man bei der Bundeswehr schaut, überall gibt es einen großen Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Seine Zuversicht will der Bundesvorsitzende dennoch nicht verlieren: „Ich glaube, wir haben eine große Chance mit den Menschen, die gerade Führungsverantwortung tragen. Aber schaffen sie es, die Organisation aus der systemischen Trägheit zu führen? Erhalten sie die politische Rückendeckung für die dafür nötigen Schritte? Ich hoffe es für uns alle!“

Mit Bezug auf ein Experiment, das auf den schleichenden Übergang in die Handlungsunfähigkeit von Organisationen übertragen werden kann, fragte er: „Wie weit sind wir in der Bundeswehr? Können wir noch Dinge verändern, oder hat sich die systemische Trägheit oder sogar Handlungsunfähigkeit schon unverrückbar festgesetzt?“
 
Neben den kulturellen Herausforderungen in puncto ´Mindset von Politik und Streitkräften´ sprach der Bundesvorsitzende einzelne Aspekte wie den Abbau von Führungserschwernissen, die Schaffung von klaren Zuständigkeiten – Stichwort: Verantwortung – und Entscheidungsfreiheit als zentrale Gestaltungsfelder an. Und er warnte für den Fall, dass der Ruck ausbleiben sollte: „Menschen gewöhnen sich daran, Gehälter zu beziehen, aber keine Verantwortung zu übernehmen.“
 
Noch immer passiere zu wenig. „Es ist falsch, aktuelle Verfahren im Mü-Bereich zu verändern und dann zu erwarten, dass schnell alles besser wird. Die jetzigen Verfahren passen nicht in die heutige Zeit und müssen radikal verändert werden, andernfalls werden wir die notwendigen Schritte zu einer verbesserten Einsatzbereitschaft nicht schnell genug gehen können.“

Besonders gefährlich sei diese Tendenz angesichts der Tatsache, dass Politik zunehmend auf Streitkräfte setze. Wüstner: „Politik ist gnadenlos. Politik bestellt. Fraglich ist vor dem Hintergrund der Haushaltsverhandlungen, ob sie auch zahlt. Und dann kann alles plötzlich sehr schnell gehen, wie wir an den Beispielen Afghanistan, Mali oder Irak gesehen haben. Einzelnen politischen Akteuren ist dann die Ausbildungshöhe unserer Kräfte egal. Bei unausgegorenen Ideen sind es unsere Kameradinnen und Kameraden, die dafür zahlen – mit ihrem Leben! Deshalb sind wir zurecht immer kritisch bei strategielosen Impulsen.“

Oberstleutnant Wüstner rief die versammelten Spieße auf, Fehlentwicklungen immer glasklar zu benennen und Abhilfe einzufordern, damit es nicht eines Tages heiße: „No action, talks only.“
 
Dieses Risiko braucht der DBwV aktuell nicht zu fürchten, er liefert: Mit dem Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetz ist es gelungen, das mittlerweile dritte großes Gesetzespaket in dieser Legislaturperiode im Sinne der Menschen der Bundeswehr zu verbessern. Unter dem Beifall der Teilnehmer wies Wüstner auf ganz konkrete Verbesserungen hin: Die zusätzliche Erhöhung der Spießzulage, die Schaffung der Führungszulage oder die Erhöhung der AVZ-Sätze. Alles wichtige Erfolge, die denjenigen zu Gute kommen, die täglich mit einer hervorragenden Einstellung ihren Dienst versehen und das Letzte aus den schwierigen Rahmenbedingungen herausholen. Das Selbstverständnis auf unterster Ebene passt nach wie vor, deshalb erhalten wir auch international mit Blick auf unser Personal hohe Anerkennung.

Am Vortag hatten Generalinspekteur Eberhard Zorn und der Sprecher der Beratergruppe Spieße, Oberstabsfeldwebel Kai Bratzke, die rund 200 Teilnehmer begrüßt. General Zorn hatte gleich zu Beginn dem DBwV nicht nur für seine Unterstützung der Spießtagung, sondern auch ganz besonders mit Blick auf das BesStMG gedankt. Danach hatte er dem Plenum einen Überblick über aktuelle Themen wie Syrien („keiner muss packen“), Einsätze („erwarte nicht, dass wir kurzfristig aus Einsätzen rausgehen“), Personal („Bestandsentwicklung verläuft sehr positiv“), Beschaffung („Geschwindigkeit ist nicht unsere Stärke“) und Spieße („jeder Spieß sollte Oberstabsfeldwebel sein“) gegeben.

Weitere Höhepunkte waren ein Vortrag von Generalleutnant Markus Laubenthal, dem Abteilungsleiter Führung Streitkräfte, und eine Podiumsdiskussion mit Inspekteuren oder deren Stellvertretern. Die Beratergruppe hatte bewusst das Thema „Das Bild des Unteroffiziers heute und morgen“ gesetzt.
 
„Gerade nach dem hervorragenden Vortrag von Oberstabsfeldwebel Bratzke und der Diskussion merkte man, dass bei den Spießen und Wachtmeistern das Mindset noch stimmt. Ob es gelingt, dieses weiter zu tragen, wird sich zeigen. Wir werden jedenfalls alle daran arbeiten. Nicht für uns, sondern für einsatzbereite Streitkräfte und hervorragende Unteroffiziere als Rückgrat unsere Armee“, sagte Wüstner. Die Spieße und Wachtmeister zeigten sich abschließend zufrieden.
 
„Der Generalinspekteur und der Bundesvorsitzende sind beide selbst ins Geschirr gegangen, um unsere Bundeswehr nach vorne zu bringen. Das konnten wir mehr als deutlich während der Vorträge spüren und das gibt uns Zuversicht, dass Politik irgendwann doch erkennt, dass Rahmenbedingungen schnell verbessert werden müssen.“, fasste ein Kompaniefeldwebel am Ende der Tagung seine Eindrücke zusammen.

Im nächsten Jahr werden wir sehen, wo wir stehen. Für die Beratergruppe der Spieße ist schon heute klar: Nachlassen werden sie nicht. Weder im Dienst, noch bei der Vorbereitung der nächsten Tagung. Und im DBwV laufen die Chef-, Spieß- und Kommandeurtagungen in den Landesverbänden neben weiteren Tagungen planmäßig weiter. Ein Element hervorragender Verbandspolitik, die seit über 60 Jahren funktioniert!

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