Studiotechnikerin bei der Arbeit - während einer Live-Sendung von Radio Andernach aus Masar-e-Sharif. Foto: Bundeswehr

Studiotechnikerin bei der Arbeit - während einer Live-Sendung von Radio Andernach aus Masar-e-Sharif. Foto: Bundeswehr

19.07.2019
ch

Radio Andernach: "Wir sind Teil der Kameraden, die im Einsatz sind"

Oberstleutnant Bernd Stichling führt als Dezernatsleiter Betreuungsmedien die Truppenbetreuungssender Radio Andernach und BWTV. Bei einem Besuch am Standort Mayen fragten wir ihn, welche Ansprüche er an diese Medien und ihre Redakteure hat und wie die technische Zukunft der Sender aussieht.

Die Bundeswehr: Was ist das Besondere an Ihrem Truppensender?
Oberstleutnant Bernd Stichling: Der Unterschied betrifft ganz klar unsere Zielgruppe. Unsere Kernzielgruppe sind alle Soldaten im Auslandseinsatz, in Missionen, in einsatzgleichen Verpflichtungen sowie die Angehörigen von Soldaten im Einsatz. Für diese Zielgruppe machen wir jeden Tag unser Programm. Wir leisten mit Information und allem, was dazu gehört, unseren Beitrag für den umfangreichen Auftrag „Betreuung im Auslands­einsatz mit Unterhaltung“.

Wie viele Mitarbeiter haben Radio Andernach und BWTV?
Wir sind insgesamt bei 73, darunter 53 Unteroffiziere, 17 Offiziere und drei Zivile. Die zivilen Mitarbeiter sind bei BWTV in der technischen Unterstützung eingesetzt.

Welche Vorkenntnisse sind notwendig und wie lange dauert die Ausbildung, um bei Radio Andernach oder BWTV Dienst tun zu können?
Das Handwerkszeug lernen die Offiziere der operative Kommunikation innerhalb ihrer Verwendungslehrgänge. Hier werden ihnen redaktionelle Grundfertigkeiten durch Lehrgänge wie RedakteurWirkenCIR, Manager Soziale Medien, Wordpress sowie durch ein vierwöchiges ziviles Praktikum in einem Medienunternehmen vermittelt. Auch die Unteroffiziere erlangen innerhalb ihrer Verwendungslehrgänge entweder ihre redaktionelle oder technische Grundbefähigung der operativen Kommunikation.
Im Anschluss findet bei den Betreuungsmedien eine weiterführende trimediale Ausbildung der crossmedialen Redakteure sowie eine elek­trotechnische der Rundfunkstudiounteroffiziere statt. Sie findet modular statt, wobei jedes Modul zwei bis drei Wochen dauert. Insgesamt gehen wir von drei Monaten Ausbildung aus, wenn die Kameraden bereits mit einer Qualifikation zu uns kommen. Außerdem werden alle Feldwebel und Unteroffiziere im Rahmen ihrer zivilen Aus- und Weiterbildung zum Mediengestalter, bei uns meist „Bild und Ton“, oder „IT-Systemelektroniker“ ausgebildet, das sind zum einen 21 Monate zivile Aus- und Weiterbildung als junge Unteroffziere und bei den Feldwebeln später nochmal neun Monate auf der Meisterebene.

Wie lang ist die Stehzeit?
Die Unteroffiziere können eigentlich bis zum Ausscheiden bei uns bleiben, das ist aber in den wenigsten Fällen so. Viele wollen noch einmal eine Veränderung oder müssen wechseln, weil sie Berufssoldat werden wollen. Das sorgt schon für Fluktuation insbesondere bei den Feldwebeln. Bei den Offizieren ist die Stehzeit in der Regel zwischen zwei und vier Jahren.

Berichten Radio Andernach und BWTV auch über kritische Themen wie die Sicherheitslage oder Kritik an der Ministerin?
Das gehört mit zu unserem Auftrag. Wir liefern die Informationen, damit sich die Kameraden im Einsatz ein eigenes Urteil bilden können. Das versuchen wir abzubilden, indem wir unterschiedliche Stimmen bringen, unterschiedliche Positionen darstellen, und das Ganze so neutral wie möglich zur Verfügung stellen. Dazu gehören auch kritische Fragen. Gerade die Dinge, die in den Medien diskutiert werden, müssen wir auch anbieten. Wir stellen die offizielle Meinung des BMVg dar, aber ebenso die anderen Stimmen. Das ist unser Anspruch und gehört fest zum Programm.

Sie sind dabei, vier Korrespondententeams mit jeweils zwei Soldaten aufzustellen und auszubilden. Was ist das Ziel?
Es ist unsere Intention, durch Korrespondententeams mehr Einsätze abzudecken und auch häufiger zu bedienen. Aktuell können wir mit zwei Einsatzredaktionen nur zwei Einsätze abdecken, die anderen müssten wir eigentlich vernachlässigen. Heute gibt es aber viel mehr Einsätze und Missionen. Darauf reagieren wir nun, um mehrere Einsätze zeitgleich und intensiver abdecken zu können.  
Wenn es irgendwo im Einsatz brennt, sei es im Sudan, weil dort Aufstände sind, dann müssen wir mit unseren Redakteuren vor Ort sein und aktuell berichten, was mit unseren Kameraden im Einsatz passiert. Deshalb bereiten wir die Korrespondententeams so vor, dass sie innerhalb von kurzer Zeit in den Einsatz gehen können. Um die Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, sind wir gerade dabei, temporäre Dienstposten im Einsatz zu beantragen und so gut ausgebildet, gut vorbereitet – „combat ready“ sozusagen – flexibel auf die Lage in den Einsatzgebieten reagieren zu können. „Combat ready“ ist wichtig, damit unsere Korrespondenten nicht den Kameraden vor Ort zur Last fallen. Ich erwarte von den Redakteuren, die wir in den Einsatz schicken, dass sie wissen, wie man mit der Waffe umgeht und sich unter Feindbeschuss verhält.

Warum senden Sie in Uniform?
Weil wir alle Soldaten sind. Es ist richtig, dass man das nicht sieht, aber unser Motto ist: Soldaten senden für Soldaten. Ganz besonders im Einsatz ist es wichtig, dass wir die gleiche Uniform anhaben wie die Soldaten im Einsatz. Es ist immer etwas anderes, wenn sich zivile Kollegen im Einsatz melden, als wenn Kameraden in Uniform eine Patrouille begleiten wollen. Wir sind ein Teil der Kameraden, die im Einsatz sind.

Mit Radio Andernach und BWTV werden nur Soldaten im Einsatz angesprochen. Warum sind die Sender nicht auch in der Heimat verfügbar?
BWTV dürften wir in Deutschland aus rein rechtlichen Gründen, Stichwort Rundfunkstaatsvertrag, nicht in die Öffentlichkeit ausstrahlen, sondern nur in die Liegenschaften der Bundeswehr übertragen. Bei Radio Andernach verhält es sich ebenso: Es gibt keinen Staatssender, keinen Radiosender, der öffentlich über UKW in Deutschland ausstrahlt. Was aber gehen würde, ist ein eingeschränkter Betrieb mit einer Absicherung, sodass nur eine geschlossene Nutzergruppe erreicht wird, zum Beispiel über einen passwortgeschützten Bereich im Internet oder – wie bei BWTV – über einen Receiver, der verschlüsselt überträgt. Dieser Wunsch, beide Sender auch in Deutschland zu empfangen, wird übrigens sehr häufig an uns herangetragen, insbesondere natürlich von Kameraden, die das Programm im Einsatz bereits kennengelernt haben.

Gehen Sie in puncto Technik mit der Zeit?
Die Nutzungsgewohnheiten unserer Zielgruppe verändern sich, wie im zivilen Bereich auch. Dem passen wir uns an. Wir gehen davon aus, dass jeder Soldat im Einsatz ein Smartphone mit Internetanbindung, ein Tablet oder ein Laptop hat, und diese Geräte wollen wir mit Inhalten bedienen. Dazu braucht man sowohl fürs Fernsehen als auch fürs Radio einen Webstream. Unser Ziel ist es, diesen Stream lokal vor Ort im Einsatz oder für die Angehörigen hier in Deutschland bereitzustellen. Das ist etwas, wo wir professioneller werden müssen. Denn das beinhaltet nicht nur die Übertragung des reinen Radioprogramms, sondern auch Zusatzinformationen, beispielsweise welcher Titel aktuell gespielt wird oder ob gerade die „Morning-Show“ oder „Meet & Greet“ läuft.
Außerdem haben sich die Gewohnheiten auch dahingehend geändert, dass man nicht mehr um 20 Uhr vorm Fernseher sitzt, um die Nachrichten zu gucken, sondern sie vielleicht um 22 Uhr abruft. Deshalb wollen wir Programminhalte auch noch zusätzlich „on demand“ anbieten, damit man zeitversetzt Beiträge abrufen kann. Bisher stellen wir nur ausgewählte Beiträge auf die Website zum späteren Herunterladen und Abhören. Unsere Hörer und Zuschauer über UKW und Satellit zu erreichen, ist das eine, aber wir sehen das Internet als weiteren Verbreitungskanal, als die Plattform, die wir viel stärker bedienen müssen.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie aus der Truppe?
Die sind durchweg positiv. Wir haben viele Stammhörer, die unser Programm verfolgen, insbesondere auch unter den Angehörigen. Kritisches Feedback betrifft in erster Linie die Zusammenstellung der Sendungen, so gibt es beispielsweise im Bereich BWTV Phasen, in denen sehr viel Bundesliga übertragen wird und die Nichtfußballfans wünschen sich dann mehr Tennis oder Ähnliches. Aber da wir ein Einkanalsender sind, müssen wir die vorherrschenden Interessen unserer Hörer bedienen, und das sind in der Regel Fußball und Motorsport. Ein ähnliches Phänomen haben wir beim Musikprogramm. Hier müssen wir den Musikgeschmack vom 18- bis zum 60-Jährigen treffen. Das versuchen wir über unsere Spartenprogramme mit Black Music, Schlagern und so weiter zu erreichen. Aber wir können es nicht immer allen recht machen. Deshalb gibt es ja die Möglichkeit der Beteiligung: Man kann für den Wunschfilm abstimmen und Musikwünsche abgeben.

Haben Sie selbst im Einsatz Radio Andernach gehört, BWTV gesehen?
Definitiv. Alternativen waren ja kaum gegeben. Bei uns lief der Radiosender den ganzen Tag während der Dienstzeit und auch im Fitnessstudio haben wir ihn gehört. Das war eine willkommene Ablenkung und Brücke in die Heimat.        

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