Die letzten Wehrpflichtigen im Jahr 2011. Das Thema Wehrpflicht taucht immer wieder aus der Versenkung auf - und das gerne im Sommerloch. Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert

Die letzten Wehrpflichtigen im Jahr 2011. Das Thema Wehrpflicht taucht immer wieder aus der Versenkung auf - und das gerne im Sommerloch. Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert

04.07.2020
jm

Sommerloch oder Superplan? Wehrbeauftragte bricht Lanze für die Wehrpflicht

Berlin. Schön, dass auch in Zeiten von Corona manche Dinge zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk funktionieren! Pünktlich zum ersten Juli-Wochenende kommt eines der beliebtesten Sommerloch-Themen wieder in die Schlagzeilen: die Wehrpflicht. In diesem Jahr war es die neue Wehrbeauftragte, die diesen Evergreen hervorholte. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte Eva Högl, die Aussetzung der Wehrpflicht sei ein „Riesenfehler“ gewesen, schon vor dieser Entscheidung habe es Sorgen gegeben, dass sich der Rechtsextremismus in einer Berufsarmee stärker ausbreite. Högl: „Man muss diese Entscheidung sehr kritisch analysieren.“ Generell tue es der Bundeswehr sehr gut, wenn ein großer Teil der Gesellschaft eine Zeit lang seinen Dienst leiste.
 
Der DBwV sieht die von der Wehrbeauftragten eingeforderte Diskussion grundsätzlich positiv. Der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner: „Solche Debatten sorgen dafür, dass sich die Gesellschaft immer wieder mit dem Thema ‚Dienst für unser Land, Dienst für uns alle‘ auseinandersetzt. Wichtig wäre im Rahmen der von Frau Högl geforderten Analyse zu erfahren, wie es um die Einstellung der Gesellschaft zur Bundeswehr steht – im Kern der unter Dreißigjährigen. Und wie sich das innere Gefüge der Bundeswehr seit Aussetzung der Wehrpflicht verändert hat.“ Dazu bedürfe es einer Studie, die dann Grundlage für eine seriöse Debatte sein könne.
 
Der Bundesvorsitzende trat der These entgegen, dass es einen automatischen Zusammenhang zwischen der Aussetzung der Wehrpflicht und der Anfälligkeit für Rechtsextremismus gebe, räumte allerdings ein: „Frau Högl hat Recht: Die Bundeswehr ist mittlerweile leider nicht mehr das so oft zitierte ‚Spiegelbild der Gesellschaft‘.“
 
Wüstner weiter: „Ich würde es sehr begrüßen, wenn sich jetzt mal mehr Politiker und Parteien mit den Themen ‚Wehrpflicht‘, ‚Dienst für die Gemeinschaft‘ und grundsätzlich unserer ‚wehrhaften Demokratie‘ mit Bezug zur Bundeswehr befassen, anstatt immer nur wie aufgeschreckte Hühner zu flattern, wenn es in Teilen der Bundeswehr zu Fehlverhalten kommt. Dann würden sie nebenbei übrigens auch feststellen, dass viele Fehlentwicklungen ihre Ursachen in politischen Reformfehlern haben. Das wiederum würde eine Fehlerkultur voraussetzen, von der die Politik leider noch etwas entfernt ist. Dabei bin ich sicher, dass es die Bürger zu schätzen wüssten, wenn auch Politiker mal zugeben würden, dass sie sich geirrt haben.“
 
Der Bundesvorsitzende: „Unabhängig von der Frage der Wehrpflicht gilt: Die Bundeswehr hat Maßnahmen ergriffen, um die Resilienz zu stärken, die Immunität gegen Radikalismus zu erhören – und weitere müssen folgen. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Bundeswehr, sondern genauso für den Öffentlichen Dienst – und ganz besonders für die Schulen, wo doch die Grundlagen für das Berufsleben gelegt werden.“
 
Nahezu gleichzeitig mit dem Interview der Wehrbeauftragten wurde bekannt, dass Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im kommenden Jahr einen Freiwilligendienst in der Bundeswehr einführen will. Unter dem Titel „Dein Jahr für Deutschland“ sollen Jugendliche erst eine sechsmonatige Grundausbildung erhalten und dann für weitere sechs Monate zu Reservediensten herangezogen werden.“ Ausdrücklich wandte sich die Ministerin dagegen, die Wehrpflicht in ihrer alten Form wieder aufleben zu lassen oder ihren Plan als „Kampf gegen Rechts“ zu verstehen. Es gehe vielmehr um die Frage, „wie wir die stärken, die für diese Gesellschaft wirklich etwas tun wollen.“
 
Für den DBwV ist die Idee der Ministerin interessant. Für den Bundesvorsitzenden ist allerdings klar: „Dafür benötigt man ein klares Konzept. Ich gehe davon aus, dass dies in Kürze dem Parlament und der Öffentlichkeit vorgestellt wird, bevor man dafür wirbt.“ Dabei müsse sie allerdings nicht nur einen deutlich höheren Finanzbedarf wegen der nötigen Erhöhungen in Sachen Ausbildungskapazität und Infrastruktur einrechnen, sondern je nach Zielsetzungen auch strukturelle Veränderungen mit Blick auf die Reserve angehen.

Was die Verteidigungsministerin genau im Blick hat, wie sie ihr erstes Jahr im Amt wahrnahm, wie es in der Partei weitergeht, das alles wird sicherlich im morgigen ARD Sommerinterview um 18.05 Uhr im „Bericht aus Berlin“ Thema sein. Man darf gespannt sein.

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