Die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann befürwortet den Einsatz von bewaffneten Drohnen und bekennt sich klar zum Kommando Spezialkräfte (KSK). Foto: DBwV/Mika Schmidt

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann befürwortet den Einsatz von bewaffneten Drohnen und bekennt sich klar zum Kommando Spezialkräfte (KSK). Foto: DBwV/Mika Schmidt

25.07.2020
Oliver Krause

Strack-Zimmermann im Interview: "Wir brauchen diese Spezialisten ohne Wenn und Aber"

Die Bundeswehr:Das KSK hat aktuell mit schlimmen Vorwürfen zu kämpfen. Wie bewerten Sie die Lage?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann:  Rechtsextremismus in der Bundeswehr ist ein Alptraum und muss hart verfolgt und Netzwerke aufgedeckt werden. Wir sprechen von erschreckend vielen Fällen, dürfen aber das KSK und die Bundeswehr im Allgemeinen nicht unter Generalverdacht stellen.
 
Die neue Wehrbeauftragte sprach zuletzt mit Blick auf das KSK von „mehr als Einzelfällen“. Sie machen sich das offensichtlich nicht gemein.
Jedem Vorwurf muss nachgegangen und es muss aufgeklärt werden. Dabei ist es aber auch wichtig, Zeugenaussagen zu beleuchten. Hauptmann J., der in seinem Brief an die Verteidigungsministerin schwere Vorwürfe erhoben hat, ist noch in der Ausbildung und hatte mit dem KSK unmittelbar noch nichts zu tun.

Ist ein Schreiben direkt an die Verteidigungsministerin der richtige Weg? Schließlich gibt es doch einen Dienstweg und das Amt des Wehrbeauftragten.
Es gibt den Dienstweg und natürlich die Beschwerdemöglichkeit an die Wehrbeauftragte. Offensichtlich hat sich J. über einen Politiker in seinem Wahlkreis direkt an den parlamentarischen Staatssekretär gewandt. In der Bundeswehr und besonders beim KSK ist Kameradschaft unerlässlich. Sich in so einem Umfeld aus der Deckung zu wagen und Kritik zu artikulieren, ist sicher nicht einfach. Auch an der Hierarchie vorbei auf Missstände aufmerksam zu machen, ist durchaus mutig. Ich frage mich ungeachtet dessen allerdings, warum der Hauptmann sich nicht bereits an den ehemaligen Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels gewandt hat.

Sie haben eine Neuaufstellung des KSK ins Gespräch gebracht.
Wir brauchen diese Spezialisten ohne Wenn und Aber. Angesichts der Brisanz der Vorwürfe, sollten wir aber darauf achten, diese Spezialkräfte-Einheit nicht grundsätzlich in Frage zu stellen. Eine Überlegung könnte sein, basierend auf einer bereits in 2017 geführten Diskussion im BMVg, die Spezialkräfte der Bundeswehr in einer Einheit zusammenzulegen. Diese neue Einheit könnte dann direkt dem BMVg unterstellt werden, was ihrer Bedeutung übrigens gerecht werden und die politische Kontrolle stärken würde.

Christian Lindner hat in der „Welt“ gefordert, Deutschland müsse sich nach Corona auf die staatlichen Kernfunktionen besinnen: Gesundheit, Bildung, Justiz, Blaulichtorganisation, Bundeswehr. Steht die FDP in einer Wirtschaftskrise zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato?
Dietmar Bartsch von der Linkspartei hat kürzlich gesagt, „uns bedroht keine fremde Armee, uns bedroht ein Virus.“ Diese Aussage macht deutlich, dass die Gegner der Bundeswehr Corona instrumentalisieren, um Haushaltsmittel einzusparen. Das dürfen wir nicht akzeptieren. Wir als FDP stehen an der Seite einer gut ausgerüsteten Bundeswehr.

Für die FDP haben die Politikbereiche Priorität, die unserer Sicherheit und Freiheit nach außen, wie im Innern dienen. Denn die sicherheitspolitische Lage hat sich durch Corona nicht verbessert. Im Gegenteil, die Terroristen dieser Welt haben die Lage ausgenutzt und sind wieder in die Offensive gegangen. Insofern ist es wichtig, die Bundeswehr weiter zu stärken. Um das zu erreichen, brauchen wir nicht nur mehr Geld, sondern auch eine effiziente Beschaffung. Wenn höhere Verteidigungsausgaben zu keiner spürbaren Verbesserung der materiellen Einsatzbereitschaftslage führen, werden sich die Haushaltspolitiker kaum überzeugen lassen, den Etat zu erhöhen.
 
Zum „Tag der Bundeswehr“ haben Sie gegenüber NDR-Info erklärt, Einsatzbereitschaft sei das zentrale Thema. Gehört zur materiellen Einsatzbereitschaft nicht auch der bestmögliche Schutz im Einsatz? Stichwort: Bewaffnung von Drohnen.
Einsatzbereitschaft ist Attraktivität. Wenn die Bundeswehr Männer und Frauen gewinnen und binden will, muss das Gerät top sein. Wenn junge Menschen in die Streitkräfte kommen und feststellen müssen, dass das Material nicht funktioniert oder vorhanden ist, werden wir sie wieder verlieren. Dass Flugausbilder die Luftwaffe verlassen, weil sie nicht fliegen können und schlimmstenfalls ihre Fluglizenz verlieren, ist dramatisch.

Die Gegner von bewaffneten Drohnen sprechen gerne gezielt von „Killerdrohnen“, um vom eigentlichen Sinn abzulenken und bestimmte martialische Bilder zu erzeugen. Das ist perfide. In der Tat geht es darum, die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zu schützen. Unter Umständen wäre das Karfreitagsgefecht in Afghanistan vor zehn Jahren anders verlaufen, wenn die Fallschirmjäger von bewaffneten Drohnen unterstützt worden wären. Wem die Bundeswehr am Herzen liegt und möchte, dass die Truppe stark und gut geschützt ist, kann nicht gegen bewaffnete Drohnen sein.

Bei den Drohnen-Workshops wurden keine neuen Argumente ausgetauscht. Trotzdem ist die Beschaffung weiter offen. Glauben Sie noch an eine Beschaffung in dieser Legislaturperiode?
Ich befürchte nein. Die SPD ist mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich klar auf einem Anti-Bundeswehr-Kurs. Das zeigen auch die Diskussionen um die Tornado-Nachfolge und der Wechsel im Amt des Wehrbeauftragten. Dass die SPD erfahrene und pragmatische Kollegen wie Fritz Felgentreu, mit dem zu arbeiten und zu diskutieren viel Freude bereitet, ziehen lässtbeziehungsweise Hans-Peter Bartels in die Wüste schickt, hat mit der Übernahme staatspolitischer Verantwortung nichts mehr zu tun und belegt einmal mehr den Linkskurs der SPD.

Bleiben wir bei der staatspolitischen Verantwortung. Die nukleare Teilhabe ist eine Grundfeste unserer Sicherheitsvorsorge im Bündnis. In der großen Koalition ist sie umstritten. Macht Ihnen das Angst?
Das Thema nukleare Teilhabe ist ein nicht einfaches. „Unser“ Außenminister Guido Westerwelle hat 2011 noch die Vision einer atomwaffenfreien Welt unterstützt. Und wir empfanden das alle als richtig und zeitgemäß. Das war aber drei Jahre vor der russischen Annexion der Krim und dem Einmarsch in der Ostukraine mit inzwischen über 12 000 Toten, über die hierzulande übrigens kaum jemand spricht.

Im Rahmen der nuklearen Teilhabe der Nato sitzt Deutschland mit am Tisch, kann mitbestimmen und ein Veto einlegen. Wenn wir sie aufkündigen, enden wir als zahnloser Tiger und verlieren unseren Einfluss. Daher sollte Deutschland an der nuklearen Teilhabe festhalten.

9500 von 34 500 US-Soldaten sollen Medienberichten abgezogen werden. Wie sollte Deutschland darauf reagieren?
Außenminister Heiko Maas sollte endlich aktiv werden und nicht nur als Mahner und Warner auftreten. Das kann Lieschen Müller so halten, von einem deutschen Außenminister erwarte ich aber eine deutliche Ansage. Viele Aussagen von Präsidenten Donald Trump oder seines scheidenden Botschafters sind äußerst befremdlich. Es geht schließlich um die Sicherheit aller Nato-Staaten.

Deutschland ist eine wichtige logistische Drehscheibe für Operationen in Afrika wie dem Nahen und Mittleren Osten. Es gibt europaweit kein vergleichbares US-Militärkrankenhaus wie das in Landstuhl. Ich glaube nicht, dass der Präsident das wirklich weiß, obwohl er es wissen müsste. Seine Familie kommt aus der Gegend. Ich weiß aber, dass die Generalität in der USA versucht, dem Präsidenten klar zu machen, was er mit dem Abzug anrichten würde.

Andererseits kann ich verstehen, dass die Amerikaner von uns innerhalb des Bündnisses mehr Engagement und Einsatz erwarten. Deutschland muss – 75 Jahre nach Kriegsende – für seine eigene Sicherheit und die der Nachbarn mit einstehen. Wir heben zwar gerne und schnell den moralischen Zeigefinger, doch im Ernstfall überlassen wir gerne den Amerikanern und den Franzosen den Vortritt. Das werden diese Länder mit Sicherheit nicht länger akzeptieren. Diese Erwartung seitens der USA an Deutschland ist nicht neu, schon Barack Obama und bereits vor ihm Bill Clinton haben ihn erhoben.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat in der „WamS“ vor chinesischen Atomwaffen gewarnt, die Europa erreichen könnten. Einer Umfrage der Körber-Stiftung zufolge befürworten 36 Prozent der Deutschen eine engere Beziehung zu China. Fast genauso viele wollen engere Beziehungen zu den USA. Da stimmt doch etwas nicht.
Dass die Menschen gute Beziehungen zu China wollen, ist grundsätzlich ja nicht zu kritisieren. Je besser die Beziehung zu einem Land, desto geringer die Kriegsgefahr. Das gleiche gilt für den Umgang mit Moskau. Einen dauerhaften Frieden in Europa wird es nur gemeinsam mit Russland geben.

Ich rate trotzdem zu einem nüchternen Blick. China ist in Afrika sehr aktiv, investiert in Infrastruktur und sichert sich Rohstoffe. Auch in Europa haben sie es auf Schlüsseltechnologien und kritische Infrastruktur abgesehen. Stoltenberg ist kein Kriegstreiber, wenn er uns sensibilisiert auf Chinas nuklearfähige Langstreckenraketen. Wenn diese uns bedrohen, können wir das nicht sehenden Auges hinnehmen. Meine große Sorge ist, dass wir naiv und geschichtsvergessen auftreten. Darum müssen wir gerade jungen Menschen erklären, warum Europa stark sein muss, will es nicht zwischen den Großmächten zerrieben werden. Hans-Dietrich Genscher ist unser bestes Vorbild. Auf der einen Seite hart in der Sache sein, gleichzeitig das Gespräch suchen und um eine diplomatische Lösung ringen.

(Das Interview wurde zuerst in der Juli-Ausgabe des DBwV-Magazins "Die Bundeswehr" veröffentlicht.)

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