Flaggen bei der MSC: Der zweite Tag der internationalen Sicherheitskonferenz bot zahlreiche Auftritte der politischen Prominenz. Foto: MSC

Flaggen bei der MSC: Der zweite Tag der internationalen Sicherheitskonferenz bot zahlreiche Auftritte der politischen Prominenz. Foto: MSC

15.02.2020
jm

Tag zwei bei der MSC: Mehr westliches Werteverständnis als erwartet – zumindest verbal

München. Vielleicht steht es um die gemeinsamen Werte der freien Welt doch gar nicht so schlecht, vielleicht gibt es noch eine Art „Westness“: Den Eindruck konnte man bekommen, wenn man dem Auftakt des zweiten Konferenztags bei der MSC folgte. US-Außenminister Mike Pompeo wies gleich zu Beginn seiner Rede sowohl das Konferenz-Motto („Westlessness“) als auch die kritischen Bemerkungen von Bundespräsident Steinmeier von gestern zurück. „Der Tod der transatlantischen Allianz ist extrem übertrieben!“

Pompeo, der deutlich verbindlicher auftrat, als Vizepräsident Mike Pence vor einem Jahr, hatte eine klare Botschaft: Der Westen als Modell ist attraktiv und wird im Kampf der Systeme gegen Staaten wie China und Russland die Oberhand behalten. „Wir werden gewinnen – und wir werden das zusammen tun!“ Dazu brauche es allerdings Entschlossenheit: „Nennen Sie mir ein Beispiel aus der Geschichte, wo sich die Schwachen und Kleinmütigen durchgesetzt haben!“ Pompeo trat auch dem Vorwurf entgegen, die USA unter Präsident Trump hätten sich von der Idee einer internationalen Gemeinschaft verabschiedet und betrieben Politik auf Kosten ihrer Partner: Als Beleg führte er neben dem amerikanischen Engagement in Sachen Venezuela und der „Drei-Meere-Initiative“ für verbesserte Zusammenarbeit von zwölf Küstenstaaten an Ostsee, Mittelmeer und Schwarzem Meer auch die Führung der Anti-IS-Koalition und das Militärmanöver „Defender Europe 2020“ an. Hart blieb der US-Außenminister in der Ablehnung der Ostsee-Pipeline „Nordstream II“, die mehr russisches Gas nach Westeuropa bringen soll und der Beteiligung des chinesischen Elektronik-Konzerns Huawei am Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes.

Zuvor hatte auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Geschlossenheit im Bündnis aufgerufen: „Ich glaube an Europa und Amerika zusammen!“ Die gemeinsamen Werte hätten ihren Wert nicht verloren und würden Menschen in der ganzen Welt Hoffnung geben.Vor der Mittagspause dann die Gegenposition: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, mit Spannung erwarteter Stargast der MSC, stellte sich hinter den deutschen Außenminister. Er sieht den Westen in der globalen Weltordnung geschwächt, die vermeintliche Gewissheit, „unsere Werte“ seien universell und ewig, sei dahin. Die amerikanische Politik habe sich geändert, die US-Regierung habe ihre Beziehungen zu Europa zumindest „überprüft“. Die Konsequenz müsse eine stärkere Zusammenarbeit Europas in Fragen der Verteidigung sein. Zwar brauche man auch das transatlantische Bündnis der Nato. Bei Fragen der Verteidigung müsse es aber einen strategischen Dialog geben.

Erst im vergangenen Jahr hatte Macron der Nato den „Hirntod“ bescheinigt, Anfang des Monats hatte er den europäischen Partnern eine engere Zusammenarbeit bei der atomaren Abschreckung angeboten. Bei den politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen setzt Macron in der EU vor allem auf die Zusammenarbeit zwischen Paris und Berlin. Deutsch-französische Einigkeit allein reiche zwar nicht, um Dynamik in der EU auszulösen, ein Scheitern des deutsch-französischen Tandems sei aber ein „historischer Fehler“. Viele Menschen hätten nach Finanz- und Migrationskrise den Glauben an die Demokratie verloren. Die Antworten müssten jetzt von der EU kommen. Ausdrücklich erklärte der Präsident, dass er nicht frustriert sei, weil in bislang keine Reaktion aus Berlin auf seine Vorschläge gekommen sei.

Die große Politik, sie ist auch in diesem Jahr wieder die Kulisse für unzählige Nebenveranstaltungen, Begegnungen, gemeinsame Essen und mehr oder weniger vertrauliche Begegnungen. Sie sind auch der eigentliche Mehrwert für den Deutschen BundeswehrVerband. Sicher: Viele der Teilnehmer aus Bundeswehr, Regierung und Parlament trifft Oberstleutnant Wüstner auch regelmäßig in Berlin. Doch der extrem hohe Grad an Vernetzung hier in München, die Informationsdichte und ein bisschen auch die Stimmung einer internationalen Top-Veranstaltung steigern den Nutzen ganz erheblich. So kommt es, dass auch dieses Konferenzwochenende für den Bundesvorsitzenden gepackt voll ist mit spannenden Begegnungen. Angefangen beim Frühstück und noch lange nicht vorüber beim Empfang auf der Dachterrasse des Hotels „Bayerischer Hof“. Denn auf den folgt ja das „State Dinner“ des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder.

Am Nachmittag dann der Auftritt der deutschen Verteidigungsministerin. Zu sagen, ihre Rede sei „mit Spannung“ erwartet worden, wäre vielleicht nicht die ganze Wahrheit: So groß waren die Lücken in den Sitzreihen des Konferenzsaals, dass Teilnehmer beobachteten, wie Adjutanten und Studenten zum „Auffüllen“ eingeteilt wurden. Ob das dem „Lame Duck“-Syndrom nach der Rückzugsankündigung von Annegret Kramp-Karrenbauer geschuldet war – unklar, aber möglich.

Die Zuhörer erlebten eine engagierte Ministerin, die sich für den Westen als Idee stark machte, die gemeinsame Werte beschwor und Verantwortung übernehmen will. So forderte sie, dass Deutschland dem Versprechen von 2014, in der Sicherheitspolitik robuster aufzutreten, endlich Konsequenzen folgen lassen müsse: Nach dem „Konsens der Worte“ müsse ein „Konsens der Taten“ kommen. Als mögliches Beispiel nannte Kramp-Karrenbauer den Einsatz gegen islamistischen Terror in Afrika: „Die Sahelzone ist für Europa eine Schlüsselregion – etwa, wenn es um die Migration oder die Bedrohung durch den Terrorismus geht. Deswegen ist es so wichtig, dass auch Deutschland dort engagiert bleibt, auch militärisch.“

Im Falle Syriens hätten das Elend der Bevölkerung dort und die Auswirkungen des Konflikts auf Europa ganz deutlich gezeigt, was passiert, wenn Europäer keine Tatkraft zeigten. Es reiche nicht, die eigenen Schwächen zu beschreiben, das Handeln anderer zu kommentieren und sich zu beklagen. Gemeinsames Handeln der Europäer sei auch mit Blick auf die Straße von Hormus und dem Schutz freier Seewege nötig. Deutschland beteilige sich nicht an der US-Mission dort, weil die Bundesregierung im Umgang mit dem Iran eine Politik maximalen Drucks nicht für den richtigen Weg halte. Die Stabilität der Region und das Prinzip freier Seewege seien aber auch für Deutschland von höchster Bedeutung. Sie sei dafür, die Mittel des EU-Vertrags auszuschöpfen und auf einem EU-Gipfel einzelne Mitgliedstaaten zu beauftragen, eine gemeinsame Mission durchzuführen.

Viele der Zuhörer bewegte die Frage, wie es in Deutschland innenpolitisch weitergeht. Generale, Admirale und Parlamentarier, sie alle rätseln, wie sich die Dinge nach der Ankündigung von Annegret Kramp-Karrenbauer, sich vom Parteivorsitz zurückzuziehen, entwickeln, was jetzt im Bereich der Sicherheitspolitik passiert. Wieviel Zeit wird ihr für die mangelhaft ausgestattete Bundeswehr bleiben? Wieviel Autorität hat sie noch in den Haushaltsverhandlungen? Was wird aus der kürzlich ausgerufenen „Initiative Einsatzbereitschaft“? Fragen über Fragen. Weltpolitisch im Großen wie verteidigungspolitisch mit Blick auf die Bundeswehr im Kleinen. Weitere hochkarätige Redner im Konferenzsaal waren US-Verteidigungsminister Mark Esper, der russische Verteidigungsminister Sergej Lavrov und der Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, der die Welt zur Solidarität im Kampf gegen das Corona-Virus aufrief, sowie Facebook-Chef Mark Zuckerberg.

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