Bettina Knappke (M.), Leiterin der Abteilung „Komplexe Dienstleistungen/Einkauf“ im BAAINBw, während einer Tagung des DBwV im Januar. Foto: DBwV/Bombeke

Bettina Knappke (M.), Leiterin der Abteilung „Komplexe Dienstleistungen/Einkauf“ im BAAINBw, während einer Tagung des DBwV im Januar. Foto: DBwV/Bombeke

23.01.2019

„Vollständige Ausstattung hat für uns oberste Priorität“

Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) ist unter anderem zuständig für die Sicherstellung der Versorgung der Soldaten und zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr mit Bekleidung und persönlicher Ausrüstung. Unsere Redaktion hat mit Bettina Knappke gesprochen, die die Abteilung „Komplexe Dienstleistungen/Einkauf“ (E) führt.

Ausstattungsdefizite bei der Bereitstellung von Bekleidung und persönlicher Ausrüstung bestehen in einigen Bereichen fort. Was sind die Ursachen dafür und welche Bedeutung haben diese Faktoren für die Menschen in der Bundeswehr, die Weiterentwicklung des Beschaffungswesens und letztendlich für die Einsatzfähigkeit und Reputation der Truppe?

Bettina Knappke: Die Bundeswehr wurde seit der deutschen Wiedervereinigung bis zu ihrem personellen Tiefstand im Jahr 2016 deutlich verkleinert. Die Notwendigkeit der Nachbeschaffungen von Bekleidungs- und Ausrüstungsartikeln geriet da möglicherweise etwas aus dem Fokus. Es war ja immer genug für alle da! Darüber hinaus werden heute ganz andere funktionale und qualitative Forderungen an die Bekleidungs- und Ausrüstungsartikel gestellt.

Wesentliche Teile der Bedarfsdeckung und Bewirtschaftung im Bekleidungswesen wurden seit 2002 durch einen externen Dienstleister als komplexe Dienstleistung bereitgestellt. Seit ihrer Übernahme im Juli 2015 ist diese Gesellschaft (heute BwBM GmbH) eine 100-Prozent-Inhousegesellschaft der Bundeswehr und wird im Sinne der Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit der Bereitstellung der Bekleidungs- und Ausrüstungsartikel stetig optimiert.
Das BAAINBw mit seinem Auftragnehmer, der BwBM GmbH, kann und darf in seiner Funktion als Bedarfsdecker nur die Artikelmengen bereitstellen, die seitens der Bedarfsträger mittels bedarfsbegründender Dokumente gefordert und mit Haushaltsmitteln hinterlegt wurden. Übersteigen nun aufgrund aktueller politischer oder militärischer Forderungen oder Verpflichtungen der Bundeswehr die tatsächlich benötigten Mengen die bislang geforderten und somit nur in dieser Menge beschafften, entstehen zwangsläufig Ausstattungsdefizite. Deren Beseitigung braucht Zeit, die in den Planungsprozessen berücksichtigt werden muss.

Natürlich können auch durch Probleme im Beschaffungsverfahren Ausstattungsdefizite entstehen. Dies reicht von Konkurrentenklagen unterlegener Bieter über Kapazitätsengpässe bei den Herstellern bis hin zu Qualitätsproblemen bei gelieferten Artikeln.

Für die Menschen in der Bundeswehr besteht ein Anspruch auf Ausstattung, insbesondere bei Verlegung in Einsätze oder im Bereich des Arbeitsschutzes. Insofern ist ein Unverständnis der Betroffenen gegenüber Ausstattungsdefiziten sehr gut nachvollziehbar. Ohne eine aufgabenbezogene vollständige Ausstattung kann der Auftrag nicht ausgeführt werden, die Einsatzfähigkeit ist eingeschränkt, letztendlich leidet die Reputation der Truppe. Vollständige Ausstattung der Betroffenen hat für uns wie auch für den Bekleidungsdienstleister BwBM GmbH daher oberste Priorität.

Die nun notwendigen Maßnahmen sind in einem per Staatssekretär-Weisung umzusetzenden Zielkatalog dokumentiert, der auf gemeinsam mit allen Beteiligten erarbeiteten Ergebnissen einer Arbeitsgruppe beruht. Nachdem in der AG bedarfsträgerseitig festgestellt wurde, dass der konzeptionelle Bedarf deutlich höher als die bisher anerkannten Bedarfe ausfällt, ist neben der Optimierung der Beschaffungsabläufe das vornehmlich angestrebte Ziel der materielle Aufwuchs der aufgabenorientierten Ausstattung ab dem Jahr 2019, insbesondere für die Ausbildung und Aufstellung VJTF 2023.

Als Beispiel für die Optimierung der Verfahrensabläufe nennen wir gerne die ministeriell angewiesene sogenannte Beschleunigung der Bereitstellung von Bekleidung und persönlicher Ausrüstung. Dabei werden beginnend ab diesem Jahr marktgängige Artikel oder Artikel, die ohne großen Aufwand an die Anforderungen der Bundeswehr angepasst werden können, in einem vereinfachten Verfahren direkt durch die BwBM GmbH beschafft, um eine beschleunigte Beschaffung dieser Artikel zu erreichen.
 
Unverzichtbar ist in jedem Fall die aktive Mitarbeit aller Beteiligten: Ohne geeignete Forderung, das heißt wenn irgend möglich vorausschauende Planung, und Haushaltsmittel keine Beschaffung, ohne Rückmeldung aus der Nutzung keine Weiterentwicklung der Bestandsartikel im Sinne der Einsatzreife!

Für die Bereitstellung von militärischen Artikeln können Produktionskapazitäten am Markt limitiert sein. Planbarkeit ist in diesem Kontext ein wichtiges Stichwort. Gibt es hier Handlungs- beziehungsweise Einflussmöglichkeiten für die Bundeswehr?

Bettina Knappke: Sie sprechen ein wichtiges Thema an! Die Bundeswehr gehörte aufgrund ihrer personellen Verkleinerung und der niedrigeren Auftragswerte in den vergangenen Jahren lange nicht mehr zu den „Premiumkunden“ der Textilindustrie. Auch sind etliche Unternehmen gar nicht mehr am Markt vertreten. Für die Verbesserung der Situation der Bundeswehr als einem von vielen Nachfragern am Markt bedarf es also eines Signals an die verbliebene Industrie, damit diese ihre Produktionskapazitäten zur Verfügung stellt oder aufstockt.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht achten die Unternehmen – nachvollziehbar – auf eine möglichst kontinuierliche Auslastung. Das geeignete Signal kann deshalb nur sein, längerfristige Lieferverträge mit größeren Beschaffungsmengen in Aussicht zu stellen.

Dafür sind inzwischen die Voraussetzungen geschaffen: Das Planungsamt der Bundeswehr ermittelt aktuelle Bedarfszahlen für die zur Erfüllung des Auftrags wesentlichen Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände für die gesamte Bundeswehr und plant die entsprechenden Haushaltsmittel ein. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags hat im Juni 2018 die Bahn frei gemacht für die Beauftragung erforderlicher Mehrbedarfe bis zum Ende des Jahres 2020 sowie zusätzlich für die Projekte „Kampfbekleidungssatz Streitkräfte“ und „Modulare Ballistische Schutz- und Trageausstattung“ in den Jahren 2021 bis 2025. Hierfür sind wir sehr dankbar.

Das BAAINBw konnte also das Auftragsvolumen für seinen Dienstleister für Beschaffungen bereits massiv anheben, und dies sogar bis zum Jahr 2025! Die BwBM GmbH tritt damit aktuell an den Markt heran. Weitere Mehrbedarfe werden dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags im Frühjahr 2019 zur Billigung vorgelegt. Darin enthalten sind die neuen Artikel der Dienst- und Ausgehbekleidung, neue Gefechtshelme allgemein, neue Rucksacksysteme 110 Liter, ein neues Helmsystem für die Spezialkräfte und anderes.

Das Auftragsvolumen für Artikel der Bekleidung und persönlichen Ausrüstung wird dann nochmals deutlich aufgestockt. Wir reden inzwischen über mehrere Milliarden Euro. Für Nachbeschaffungen, die zum Beispiel aufgrund von Aussonderungen in der Nutzung erforderlich werden, werden der Industrie ebenfalls mehrjährige Rahmenverträge in Aussicht gestellt. Wir gehen davon aus, dass dies in Summe zum Ausbau der Produktionskapazitäten führen wird, die die Bundeswehr wieder als verlässlicher Nachfrager wahrnehmen kann. Planungssicherheit kann somit auf beiden Seiten erreicht werden.

Im Falle des neuen Kampfschuhsystems Streitkräfte ist die Rechnung bereits aufgegangen: Seitdem erhält die Truppe in der seitens der militärischen Organisationsbereiche vorgegebenen Reihenfolge kontinuierlich neue Kampfschuhe. Es werden insgesamt rund eine Million Paar neue Kampfschuhe für die Bundeswehr beschafft.

Ein Reizwort ist „Bekleidungsmanagement“: Ob Einführung eines zertifizierten Waren­korbs, Aufhebung von Einschränkungen bei Ausstattungserwerb über das Treuhandkonto oder Abrechnung von Zivilbekleidung, welche Gestaltungsmöglichkeiten sehen Sie?

Bettina Knappke: Sie zielen vermutlich auf die Attraktivität der Ausstattung und die Art ihrer Verteilung ab. Ideen und Gestaltungsmöglichkeiten existieren in diesem Kontext mit Sicherheit viele. Wie in allen Projekten muss der Bedarfsträger aufzeigen, welche Bedarfe er diesbezüglich hat. Zur Umsetzung etwaiger Ideen bedarf es seiner Entscheidung.

Nehmen wir das Beispiel der Selbsteinkleider und Teilselbsteinkleider. Warum sollte sich heutzutage ein/e Zeit- oder Berufssoldat/in bestimmte Artikel ihrer/seiner immerhin vom Dienst­herrn vorgegebenen Friedenszusatzausstattung selbst beschaffen? Dazu kommt der immense zusätzliche Verwaltungsaufwand, unter anderem zum Führen der Treuhandkonten. In einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung hat das BAAINBw im vergangenen Jahr untersucht, ob weiterhin die Trennung zwischen fiskalischer Ausstattung und den Selbst- und Teilselbsteinkleidern Bestand haben sollte, oder ob eine vollumfängliche fiskalische Ausstattung für alle Angehörigen der Bundeswehr wirtschaftlicher, zielführender und gerechter wäre. Das Ergebnis dieser Wirtschaftlichkeitsuntersuchung liegt dem BMVg zur Entscheidung vor und dürfte zeitnah veröffentlicht werden.

Über die Versorgungssicherheit mit persönlicher Ausrüstung und Bekleidung in der Fläche haben den DBwV mehrfach Klagen erreicht. Besonders hartnäckig halten sich Gerüchte über eine mangelhafte Ausstattung der Grundausbildungseinheiten – Frustration bei Rekruten und Ausbildern sind die Folge. Ist Ihnen dieser Sachverhalt bekannt beziehungsweise wie kann hier zeitnah Abhilfe geschaffen werden?

Die Ausstattung der Grundausbildungseinheiten, also die Ersteinkleidung der Rekrutinnen und Rekruten, ist eine mit der Bundeswehr Bekleidungsmanagement GmbH (BwBM) vertraglich festgelegte Leistung, welche mit einem sogenannten Servicelevel hinterlegt ist. So hat die BwBM die Vorgabe, im Rahmen der Ersteinkleidung 98 Prozent der Soldaten (Rekruten) sofort, 99,5 Prozent innerhalb von drei bis fünf Tagen und 99,9 Prozent innerhalb von zehnTagen vollständig auszustatten. Dem BAAINBw sind keine nennenswerten Störungen bei der Ersteinkleidung bekannt. Wir stellen fest, dass die BwBM die Servicelevel regelmäßig einhält beziehungsweise übertrifft. Unter Beachtung, dass im Rahmen der Ersteinkleidung innerhalb kürzester Zeit (zwei bis drei Tage) bis zu 275.000 Bekleidungsartikel auszugeben sind (ausgenommen Sonderbekleidung), bewerte ich diese Leistung als sehr gut. Leider kann es im Einzelfall dennoch sein, dass Artikel nicht beziehungsweise nicht in der passenden Größe verfügbar sind und gegebenenfalls Alternativartikel mit vergleichbarer Funktionalität ausgegeben werden müssen.

Natürlich erhalten die Grundausbildungseinheiten nicht den zunächst den Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen vorbehaltenen Kampfbekleidungssatz Streitkräfte! Auf der anderen Seite erhalten gerade die Rekruten in den Grundausbildungseinheiten im Rahmen der Steigerung der Attraktivität des Wehrdienstes bei ihrer Ersteinkleidung die neuen Kampfschuhe des „Kampfschuhkonzepts Streitkräfte“. Dies haben die militärischen Organisationsbereiche im Rahmen der Priorisierung und Festlegung der Ausstattungsreihenfolge untereinander abgestimmt und festgelegt. Dass dies zu einigem „Grummeln“ bei altgedienten Kameraden führt, ist verständlich und können wir den Eingaben an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags entnehmen, die zur Beantwortung regelmäßig „auf unserem Tisch landen“. Zur Ermunterung sollte auch an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass mit den beauftragten Mengen an Kampfschuhen mit Auslieferung durch die Hersteller innerhalb der kommenden zwei Jahre nach und nach alle Soldatinnen und Soldaten vollständig mit den neuen Kampfschuhen ausgestattet werden können!

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