Hermann Göring und Martin Bormann besichtigen das Führerhauptquartier nach dem Attentat. Foto: picture alliance/akg-images

Hermann Göring und Martin Bormann besichtigen das "Führerhauptquartier" nach dem Attentat. Foto: picture alliance/akg-images

19.07.2019
Michael Epkenhans/Susanne Eckelmann

Vor 75 Jahren: Aufstand des Gewissens

Am 20. Juli 1944, um 12:42 Uhr, explodierte im „Führerhauptquartier“ in Ostpreußen eine Bombe. Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen in den Jahren zuvor hatte ein junger Oberst, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, es geschafft, ein Attentat gegen Adolf Hitler zu verüben.

In der Hoffnung, damit das Signal für den Umsturz gegeben zu haben, eilte Stauffenberg nach Berlin. Er hoffte, dass seine Mitverschwörer dort inzwischen den „Walküre“-Befehl ausgegeben hatten. „Walküre“ war der Deckname für einen Plan zur Verhängung des Ausnahmezustands im Reich und die Übernahme der vollziehenden Gewalt durch die Wehrmacht im Falle innerer Unruhen. Diesen Plan wollten die Verschwörer nutzen, um die Spitzen des Regimes und dessen Schergen auszuschalten.

Lange Zeit hatte die Wehrmacht Hitlers Kriegspolitik unterstützt. Viele Generale und Soldaten hatten sich auch aktiv an den Verbrechen des Regimes beteiligt. Trotz ihres Eides auf den „Führer“ waren manche Offiziere jedoch nicht bereit, ihr Gewissen weiterhin diesem Eid unterzuordnen. Sie wollten dem unfassbaren, millionenfachen Mord an Juden, Russen, Polen und anderen im NS-Jargon „minderwertigen“ Menschen und Völkern, vor allem aber auch dem Krieg, ein Ende bereiten. Christliche Gebote und allgemein gültige moralische Wertvorstellungen sowie die Überzeugung, der „Majestät des Rechts“, wie es in ihrem Aufruf zur Rechtfertigung des Umsturzes hieß, wieder Geltung zu verschaffen, waren ihre wichtigsten Motive.

Doch so mutig die Tat Stauffenbergs auch war, sie hatte keinen Erfolg. Erste Gerüchte, dass Hitler das Attentat überlebt haben könnte, ließen seine Mitverschwörer in Berlin zögern. Als „Walküre“ dann nach seiner Rückkehr in den Bendler-Block, der Zentrale des Ersatzheeres, doch noch anlief, war es im Grunde zu spät. Es gelang zwar, einzelne Wehrkreise sowie die Befehlshaber im besetzten Paris zur Umsetzung des Befehls zu veranlassen. Die Abriegelung der NS-Dienststellen in Berlin schlug jedoch fehl.

Besonders fatal war, dass Propagandaminister Joseph Goebbels dem Major des Wachbataillons, der ihn verhaften sollte, ein Telefongespräch mit Hitler vermittelte. Nun war klar, dass Hitler das Attentat überlebt hatte. In dem Moment, als die Bombe explodierte, hatte er sich über den dicken Kartentisch gebeugt. Im Gegensatz zu einigen anderen, die neben ihm gestanden hatten und teils tödlich, teils schwer verletzt worden waren, war er dadurch ohne große Blessuren davongekommen.

Durch diese Nachricht, die bald auch über die Rundfunksender verbreitet wurde, begannen die in Berlin stationierten Truppen, sich gegen die Verschwörer zu wenden. Stauffenberg und seine engsten Mitverschwörer, Werner von Haeften, General Friedrich Olbricht und Oberst Albrecht Mertz von Quirnheim wurden noch in der Nacht auf Befehl des Befehlshabers des Ersatzheeres, Generaloberst Erich Fromm, im Hof des Bendler-Blocks standrechtlich erschossen.

Der ehemalige Generalstabschef, General Ludwig Beck, der ebenfalls zu den Verschwörern gehörte, versuchte vergeblich, sich das Leben zu nehmen. Ein Feldwebel gab ihm schließlich den „Gnadenschuss“. Alle anderen Mitverschwörer ergaben sich, so-weit sie nicht rechtzeitig hatten fliehen können.

Die Rache des Systems war brutal: Mehr als 200 Mitverschwörer und Mitwisser wurden hingerichtet, Tausende andere eingesperrt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg taten sich viele ehemalige Soldaten sehr schwer mit dem Widerstand. Für sie waren die Attentäter „Verräter“, die dem eigenen Volk in höchster Not in den Rücken gefallen waren. Der erste Generalinspekteur, General Adolf Heusinger, der am 20. Juli neben Hitler gestanden hatte, gab jedoch aus Anlass des 15. Jahrestags einen Tagesbefehl heraus, mit dem er die Männer des 20. Juli würdigte: „Wir Soldaten der Bundeswehr stehen in Ehrfurcht vor dem Opfer jener Männer, deren Gewissen durch ihr Wissen aufgerufen war. (…) Ihr Geist und ihre Haltung sind uns Vorbild.“ An diesem Urteil hat sich bis heute nichts geändert. Stauffenberg und seine Mitstreiter gehören daher zu Recht zu den traditionsstiftenden Vorbildern der Bundeswehr.

Vita Claus Schenk Graf von Stauffenberg 1907-1944

Militär

  • 1907: 15. November: Claus Schenk Graf von Stauffenberg wird als Sohn des Oberhofmarschalls Alfred Stauffenberg und dessen Ehefrau Caroline (geb. Gräfin Üxküll-Gyllenband) in Jettingen (Bayern) geboren. Zu seinen Vorfahren mütterlicherseits gehört der Heeresreformer General August Graf Neithardt von Gneisenau (1760-1831). Er ist Zeit seines Lebens gläubiger Katholik.
  •  1923: Stauffenberg und sein Bruder Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944) werden in den Kreis um Stefan George eingeführt. Stauffenberg verehrt den Dichter vorbehaltlos bis an sein Lebensende.
  • 1926: 1. April: Nach vorzeitiger Ablegung des Abiturs tritt Stauffenberg in das traditionsreiche 17. Reiterregiment in Bamberg
  • 1927/28: Ausbildung an der Infanterieschule in Dresden.
  • 1932: April: Anlässlich der Reichspräsidentenwahl spricht sich Stauffenberg gegen Paul von Hindenburg und zugunsten von Adolf Hitler aus.
  • 1933: Mai: Ernennung zum Leutnant. Stauffenberg ist an der militärischen Ausbildung der Mitglieder der Sturmabteilung (SA) beteiligt und organisiert die Übergabe illegaler Waffendepots an die Reichswehr. 26. September: Heirat mit Nina Freiin von Lerchenfeld. Aus der Ehe gehen zwei Töchter und drei Söhne hervor.
  • 1934: Versetzung an die Kavallerieschule Hannover. Die Kavallerie wird zunehmend zur motorisierten und gepanzerten Truppe ausgebaut.
  • 1936: 6. Oktober: Beginn des Studiums an der Kriegsakademie in Berlin-Moabit.
  • 1938: Absolvierung einer Generalstabsausbildung in Berlin. Beförderung zum Zweiten Generalstabsoffizier unter Generalleutnant Erich Hoepner. Stauffenberg und Hoepner nehmen an der Besetzung des tschechischen Sudetenlands teil.
  • 1939: Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs Einsatz als Oberleutnant in einer Panzerdivision beim Überfall auf Polen. Peter Graf Yorck von Wartenburg und Ulrich Graf Schwerin von Schwanenfeld (1902-1944) bitten Stauffenberg, sich zum Adjutanten Walther von Brauchitschs, des Oberbefehlshabers des Heeres, ernennen zu lassen, um an einem Umsturzversuch teilzunehmen. Stauffenberg lehnt ab.
  • 1940: Er nimmt als Generalstabsoffizier an der Westoffensive gegen Frankreich teil. Berufung in die Organisationsabteilung des Oberkommandos des Heeres.
  • 1941: Dezember: Stauffenberg begrüßt die Vereinheitlichung der Befehlsgewalt des Oberbefehlshabers des Heeres und des Obersten Befehlshabers der Wehrmacht in Hitlers Händen.
  • 1942/1943: Angesichts der deutschen Massenmorde, aber auch wegen der unsachgemäßen militärischen Führung schließt Stauffenberg sich dem militärischen Widerstand an. Er ist sich bewusst, dass die Wehrmacht als eine von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und vom Sicherheitsdienst (SD) kaum infiltrierte Organisation über die nötigen Machtmittel zum Umsturz verfügt. Wie viele andere Militärs auch, fühlt er sich zunächst durch seinen Treueeid gegenüber Hitler gebunden.
    Gemeinsam mit seinem Bruder Berthold und mit den Mitgliedern des Kreisauer Kreises ist er an den Entwürfen zu Regierungserklärungen für die Zeit nach dem Umsturz beteiligt. Die Verschwörer legen sich auf die Wiederherstellung der vor 1933 in der Verfassung garantierten Freiheiten und Rechte fest, lehnen jedoch die Wiederherstellung der parlamentarischen Demokratie ab.
  • 1943: Stauffenberg wird zur 10. Panzerdivision versetzt, die den Rückzug General Erwin Rommels in Afrika decken soll. Durch einen Tieffliegerangriff verliert er ein Auge, die rechte Hand und zwei Finger der linken Hand. Nach seiner Genesung in Deutschland erarbeitet Stauffenberg gemeinsam mit General Friedrich Olbricht, Alfred Ritter Mertz von Quirnheim und Henning von Tresckow den Operationsplan "Walküre". Nach offizieller Lesart dient der Plan der Niederwerfung innerer Unruhen.
    Oktober: Stauffenberg wird zum Stabschef des Allgemeinen Heeresamts in der Berliner Bendlerstraße ernannt, wodurch er Zugang zu den Lagebesprechungen in den Führerhauptquartieren erhält. Er untersteht Olbricht, dem Leiter des Allgemeinen Heeresamts, und baut mit dessen Förderung ein militärisch-oppositionelles Netz auf. Er koordiniert die Attentatspläne mit Carl-Friedrich Goerdeler und Ludwig Beck und hält Verbindung zum zivilen Widerstand um Julius Leber, Wilhelm Leuschner sowie zu den Mitgliedern des Kreisauer Kreises. Die Umsturzpläne sehen für Stauffenberg den Rang eines Staatssekretärs im Reichskriegsministerium vor.
  • 1944: Januar: Nach der Verhaftung Helmuth James Graf von Moltke finden keine Treffen des Kreisauer Kreises mehr statt. Die Mehrheit der Mitglieder stellt sich Stauffenberg trotz Moltkes bekannter Vorbehalte zur Durchführung des Attentats zur Verfügung.
    1. Juni: Ernennung Stauffenbergs zum Stabschef des Befehlshabers des Ersatzheers.
    5. Juli: Er erfährt von der Verhaftung Adolf Reichweins und Lebers. Er entschließt sich nach mehreren misslungenen Attentatsversuchen auf Hitler, den Anschlag persönlich auszuführen.
    11. Juli: Da die Verschwörer die gemeinsame Beseitigung Hitlers und seiner potentiellen Nachfolger Hermann Göring und Heinrich Himmler planen, unterlässt Stauffenberg auf Hitlers "Berghof" in Berchtesgaden die Zündung des Sprengstoffs, als er Hitler allein vorfindet.
    15. Juli: Trotz der erneuten Abwesenheit Görings und Himmlers beabsichtigt Stauffenberg im Führerhauptquartier "Wolfsschanze" bei Rastenburg (Ostpreußen, heute: Polen) die Zündung des Sprengstoffs. Nachdem er sich telefonisch bei Olbricht in Berlin rückversichert hat, kehrt er zur Besprechung zurück. Hitler hat den Raum jedoch bereits verlassen. In Berlin kann der von Olbricht ausgelöste "Walküre"-Alarm als Übung kaschiert werden.
    20. Juli, ca. 7.00 Uhr: Stauffenberg fliegt gemeinsam mit seinem Adjutanten Werner von Haeften von Berlin zum Führerhauptquartier "Wolfsschanze".
    Ca. 11.30 Uhr: Stauffenberg und Haeften gelingt es nur, einen der beiden vorgesehenen Sprengsätze scharf zu machen.
    Ca. 12.35 Uhr: Stauffenberg betritt den Besprechungsraum. Das Gedränge verhindert, die Tasche mit dem Sprengstoff unmittelbar neben Hitler zu deponieren. Stauffenberg stellt sie weiter entfernt ab und verlässt unter einem Vorwand den Raum.
    12.42 Uhr: Die Sprengladung detoniert in dem mit 24 Personen besetzten Raum. Hitler befindet sich unter den 20 Überlebenden. Erich Fellgiebel (1886-1944) lässt an die Mitverschwörer in Berlin weiterleiten: "Es ist etwas Furchtbares geschehen: der Führer lebt!".
    12.50-14.00 Uhr: Fellgiebels nicht eindeutige Nachricht erreicht Olbricht. Er zögert, den "Walküre"-Alarm auszulösen. Nach der Bombenexplosion wird das Führerhauptquartier abgesperrt. Stauffenberg und Haeften können die Wachmannschaften täuschen und gelangen zum Flugplatz. Die beiden Attentäter starten zum Rückflug nach Berlin. Stauffenberg ist überzeugt, Hitler getötet zu haben.
    Ca. 15.00 Uhr: In Rangsdorf bei Berlin geben sie telefonisch die Meldung an die Bendlerstraße durch: "Hitler ist tot." Mertz von Quirnheim überredet den immer noch zögernden Olbricht, die Staatsstreicheinheiten zu alarmieren.
    Ab ca. 16.45 Uhr: Stauffenberg und Haeften treffen in der Bendlerstraße ein. Der in das Attentat eingeweihte Generaloberst Friedrich Fromm (1888-1945), Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres, verweigert die Zusammenarbeit und wird festgenommen.
    Ca. 17.00 Uhr: Auf Initiative von Hitler und Joseph Goebbels wird im Rundfunk das Überleben Hitlers gemeldet. Fast gleichzeitig erhalten die Stabsoffiziere die Fernschreiben mit den Anweisungen der Verschwörer. Die überwiegende Mehrheit der Offiziere verhält sich angesichts der widersprüchlichen Meldungen abwartend.
    Ca. 19.00 Uhr: Major Otto-Ernst Remer (1912-1997), Kommandeur des Wachbataillons in Berlin, wird von Goebbels über das Scheitern des Anschlags unterrichtet. Remer löst daraufhin die Absperrung des Regierungsviertels auf und beteiligt sich an der Niederschlagung des Staatsstreichs.
    Ab ca. 22.30 Uhr: Eine Gruppe regierungstreuer Offiziere verhaftet Stauffenberg und die Mitverschwörer. Fromm ordnet die sofortige Erschießung wegen Hoch- und Landesverrats an.
  •  20./21. Juli: In der Nacht wird Claus Schenk Graf von Stauffenberg gemeinsam mit Werner von Haeften, Albrecht Ritter Merz von Quirnheim und Friedrich Olbricht im Hof des Bendlerblocks erschossen. Ludwig Beck wird Gelegenheit zur Selbsttötung gegeben. Er wird nach einem misslungenen Selbstmordversuch ebenfalls erschossen.
  •  21. Juli: Die Leichen der Erschossenen werden auf einem Friedhof mit ihren Uniformen und Ehrenzeichen bestattet. Himmler lässt sie ausgraben und ordnet deren Verbrennung an. Ihre Asche wird über die Felder verstreut.

Susanne Eckelmann
© Deutsches Historisches Museum, Berlin
Stand 14. September 2014; Lebendiges Museum Online

   

 

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