Ankunft eines französischen Corona-Patienten am Bundeswehrkrankenhaus Ulm. Die Gefahren einer Pandemie seien lange bekannt gewesen, heißt es in einem Dokument der GIDS. Bundeswehr/Björn Hoßfeld

Ankunft eines französischen Corona-Patienten am Bundeswehrkrankenhaus Ulm. Die Gefahren einer Pandemie seien lange bekannt gewesen, heißt es in einem Dokument der GIDS. Bundeswehr/Björn Hoßfeld

06.04.2020
yb

Bundeswehr-Denkfabrik zu Corona-Krise: Alarmglocken wurden überhört

Berlin. Sind wir sehenden Auges in die Katastrophe gesteuert? Das legt ein Dokument des „German Institute for Defence and Strategic Studies“ (GIDS) nahe. Die Denkfabrik der Bundeswehr – das GIDS fußt auf einer Kooperation der Führungsakademie der Bundeswehr und der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg – hat die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Sicherheitspolitik untersucht.

Die Gefahren einer Pandemie seien lange bekannt gewesen, schreibt der Autor Oberst i.G. Matthias Rogg. So habe sich bereits 2012 im Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz an die Bundesregierung ein ganzes Kapitel mit einer „Pandemie durch das Virus Modi-SARS“ gewidmet. Und sogar im aktuell gültigen Weißbuch 2016 habe sich ein Abschnitt mit „Pandemien und Seuchen“ befasst und auf die Gefahren regionaler Destabilisierungen hingewiesen.

Auch wenn die Gefahren bekannt gewesen seien – dass kein Staat der Welt auf Covid-19 vorbereitet war, sei doch nicht überraschend, schreibt Rogg. In den internationalen Systemen zur Früherkennung hätten die Alarmglocken nicht laut genug geläutet. Oder man habe sie einfach überhört. Warum die Welt offensichtlich so blind in die Katastrophe gerutscht ist, müsse schonungslos untersucht werden.

Im Gegensatz zu anderen Staaten könne sich Deutschland auf eine „funktionierende Verwaltung, ein exzellentes Gesundheitssystem und hervorragende Sozialsysteme“ stützen. Dennoch werde in der Corona-Krise immer deutlicher, wo es hakt: Rogg beklagt das „Fehlen substanzieller, eigentlich gesetzlich vorgeschriebener Ressourcen auf der Ebene der Kommunen und Länder“. Aber auch beim Bund mangele es an strategischen Reserven bei Personal, Material und Infrastruktur. Der Bundeswehr fehle es seit dem Aussetzen der Wehrpflicht an strategischer Personaltiefe, ebenso mache sich durch den Wegfall des Zivildienstes der Mangel an hochengagierten jungen Menschen in den Sozial- und Gesundheitssystemen bemerkbar.

Rogg warnt vor den Folgen der Krise für die Bundeswehr: Der Begriff „Sicherheit“ werde für viele Menschen in Zukunft ausschließlich mit gesundheitlicher, sozialer und wirtschaftlicher Sicherheit in Verbindung gebracht. Es wäre fatal, würden alle Aspekte der militärischen Sicherheit Deutschlands und Europas dadurch in den Hintergrund treten.

Doch es gebe auch Chancen. Unter den Bedingungen von Naturkatastrophen zeige sich immer wieder, dass Konfliktparteien in Auseinandersetzungen Wege der Zusammenarbeit suchen. Rogg verweist etwa auf Libyen, wo die internationalen Akteure Verhandlungen über einen „Corona-Waffenstillstand“ aufgenommen hätten. Rogg spricht von Bewegung in Konflikten, die wie zementiert schienen. Dies eröffne auch Spielräume für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik.

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