Foto: Bundeswehr/Nicole Griebel

Foto: Bundeswehr/Nicole Griebel

29.03.2016
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Der PAO in Gao – ein Erfahrungsbericht aus Mali

Als die kleine Maschine die Staubglocke über der Sahel durchbricht, kann man die ersten Umrisse sehen. Roter Wüstensand, vereinzelte kleine Palmen und Sträucher, Kuh- und Ziegenherden – dann kommt der Niger ins Blickfeld. Das Flugzeug mit den knapp 40 deutschen Soldaten an Bord setzt zum Landeanflug auf Gao an.

Gao. Die historische Stadt, die französische Soldaten der Operation Serval 2013 – in heftigen Kämpfen – von den Dschihadisten befreiten, und die seit Anfang Februar das neue Zuhause für deutsche Blauhelmsoldaten geworden ist.

Ich bin eine der Soldaten, die im Norden Malis das erste Kontingent stellen. Das ist für mich etwas Einmaliges. In Deutschland begleite ich bereits seit Ende 2013 die beiden Einsatzgebiete der Bundeswehr in Mali, die europäische Trainingsmission in Mali (EUTM Mali) sowie die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (MINUSMA) als Sprecherin im Einsatzführungskommando. Und auch wenn ich für mehrere Aufenthalte bereits in Mali war, bin ich nun das erste Mal als Presseoffizier hier.

Der Einsatz ist mir somit nicht fremd, er ist – dienstlich gesehen – meine Heimat und mir mehr als vertraut. Und doch fühlt es sich absolut anders an, Teil des Vorkommandos zu sein und alles hautnah zu erleben.

Ein neues Kontingent aufzubauen ist in jeder Region dieser Welt eine Herausforderung. Man könnte meinen, die Bundeswehr, die das bereits mehrere Male durchgeführt hat, müsse nur eine Blaupause auf die entsprechende Landkarte legen und der Rest läuft von ganz alleine. Doch so einfach ist es doch nicht.

Die Herausforderungen beginnen beispielsweise mit der politischen und militärischen Entscheidung, welche Fähigkeiten überhaupt in einem multinationalen Einsatz gefordert sind, welches Material als Erstes vor Ort benötigt wird, wie viel Platz zur Verfügung steht und wie der Transport von Personal und Material von Deutschland in den Einsatz gewährleistet werden kann.

Im Norden Malis können wir uns in den ersten Wochen und Monaten auf die niederländischen Streitkräfte abstützen. Das Camp Castor in Gao ist von Beginn an für die Niederländer wie für uns die Homebase. Das Lager ist überschaubar in seiner Größe und absolut nicht vergleichbar mit beispielsweise dem großen deutschen Camp in Mazar-e Sharif.

Bisher war das Lager für knapp 500 Soldaten konzipiert. Das hat sich in den vergangenen sechs Wochen geändert. Aktuell sind rund 200 deutsche Soldaten hier, zusammen mit etwa 450 niederländischen Kameraden. Ein großer Teil der Deutschen schläft noch in niederländischen Containern, andere – wie etwa die deutschen Spezialpioniere – haben in klimatisierten Zelten ihr Zuhause auf Zeit gefunden. Überall ist der Raum begrenzt und eng, jeder muss auf die anderen Rücksicht nehmen, sich selbst zurücknehmen.

Zudem ist die Ressource Wasser in Gao von besonderer Bedeutung, es ist knapp und wertvoll. Praktisch heißt das: Jeder Soldat im Camp, gleich welcher Nation er angehört, hat rund vier Minuten täglich Zeit zum Duschen. Und auch wenn sich das kurz anhört, selbst als Frau schafft man es in der Zeit, sich die langen Haare zu waschen.

Obwohl wir hier mitten in der Wüste stationiert sind und das Camp nur geschützt und mit notwendigem militärischem Auftrag verlassen können, ist die Betreuung im Camp mehr als ausreichend. Es gibt ein riesiges Sportzelt, ausgestattet mit all den Errungenschaften, die ein Ausdauer- oder auch Kraftsportler benötigt, eine feste Bar sowie mittlerweile ein „Deutsches Eck“, in dem man die Tage ausklingen lassen kann. Eine Besonderheit dabei ist das absolute Alkoholverbot für alle im Camp.

Im Vergleich zu meiner Zeit bei ISAF in 2010 steht hier in Gao jedem Soldaten eine kostenfreie Internetflatrate zur Verfügung, auch kann man kostenfrei mit seinen Liebsten zu Hause telefonieren. Etwas gedulden mussten sich hingegen alle noch bei der Feldpost. Bis die ersten Päckchen und Briefe aus der Heimat bei uns eintrafen, dauerte es rund drei Wochen. Aber auch das ist wohl für ein erstes Kontingent „normal“ und wird bald schneller gehen.

Gao und der Einsatz hier fühlen sich manchmal etwas unwirklich an – insbesondere im Hinblick auf die Gefährdungslage. Zu Beginn des Einsatzes hatte ich mehr das Gefühl, dass die Gefahr 100 oder mehr Kilometer von uns entfernt ist, doch manchmal fühlt sie sich auch ganz real an. Immer dann, wenn man beispielsweise lediglich zum Flugplatz fährt und dafür die Weste im Fahrzeug mitführen muss, den Helm stets griffbereit, die Waffen teilgeladen. Es gibt immer wieder Anschlagswarnungen für die Stadt Gao, für die Region Gao, für die verschiedenen Militärbasen, die sich am Flugplatz aneinander reihen. Die UN hat ihr sogenanntes „Supercamp“ hier in Sichtweite, die malischen Streitkräfte betreiben zahlreiche Checkpoints in der Umgebung, ebenso wie ein eigenes Camp, das französische Barkhane Camp ist nur wenige Fahrtminuten entfernt und auch China ist in Gao mit einer Basis vertreten.

Die robuste Erweiterung des Einsatzes im Norden Malis bringt viele Herausforderungen: Für das gesamte Kontingent, wie auch für jeden einzelnen Soldaten. In einzelnen Bereichen könnte man sicherlich schon weiter sein, wenn man sich ausschließlich auf diesen einzelnen Aspekt fokussieren würde. Doch in einem ersten Kontingent können nicht nur die operativen Fähigkeiten betrachtet werden – es muss Stück für Stück an jeder Ecke gleichzeitig aufgebaut, und aus dem Boden gestampft werden.

Ich bin nun bereits seit sechs Wochen in Gao. Für mich gesprochen, habe ich den besten Job im gesamten Kontingent. Ich erlebe den Aufwuchs in all seinen Facetten, in allen Teilbereichen, lerne die unterschiedlichsten Menschen kennen und kann alles mit Stift, Block und Kamera begleiten. Und doch hat auch diese Zeit ein Ende, ein zweites Kontingent wird definitiv im Sommer übernehmen. Doch die Erinnerung an den roten Wüstensand, das Lächeln der Malier, die Hitze, die Herausforderungen und der Zusammenhalt dieses ersten Kontingents werden mir immer bleiben.

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