Soldaten tragen aus Deutschland geschickte Weihnachtsbäume auf die „Mecklenburg-Vorpommern“ Foto: dpa

Soldaten tragen aus Deutschland geschickte Weihnachtsbäume auf die „Mecklenburg-Vorpommern“ Foto: dpa

22.12.2017
Ansgar Haase, dpa

In jeder Messe ein Baum: Heiligabend auf hoher See

Östliches Mittelmeer. Afghanistan, Mali, Jordanien: Mehr als 3700 Bundeswehrsoldaten müssen Weihnachten weit entfernt von der Heimat verbringen. Zu den Betroffenen gehören in diesem Jahr erstmals auch die Besatzungsmitglieder der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“, die Deutschland für den EU-Einsatz „Sophia“ gegen Schleuserkriminalität und zur Seenotrettung im Mittelmeer zur Verfügung stellt. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt Kommandant Christian Schultze (44) über die Vorbereitungen für einen Heiligabend auf hoher See und die nicht immer einfache Mission vor der libyschen Küste.

Frage: Herr Fregattenkapitän, Sie und ihre Besatzung werden Weihnachten mehr als 2000 Kilometer entfernt von der Heimat auf dem Mittelmeer verbringen. Der Weihnachtsbaum wird fehlen, oder?
Christian Schultze: Sie werden es nicht glauben, aber wir haben auf dem Schiff Weihnachtsbäume. Jede Messe, also jeder Gemeinschaftsraum, hat einen. Zudem steht einer auf dem Flugdeck. Insgesamt sind es fünf.

Woher bekommt man denn auf dem Mittelmeer Weihnachtsbäume?
Die hat uns unser Patenland Mecklenburg-Vorpommern geschickt. Als wir vor kurzem einen Hafenaufenthalt in Cagliari auf Sardinien hatten, haben wir sie an Bord genommen.

Aber kann auf einem Kriegsschiff wirklich Weihnachtsatmosphäre aufkommen?
Das ist zumindest das Ziel. Für Heiligabend hat der eingeschiffte Militärpfarrer zusammen mit 25 Soldatinnen und Soldaten ein Krippenspiel organisiert, es gibt einen Weihnachtsgottesdienst und dann sogar noch eine Christmette. Am 25. haben wir ein Gemeinschaftsevent im Hangar geplant. Wenn nichts dazwischen kommt, wollen wir uns da die Helene-Fischer-Show anschauen und gemeinsam Spaß haben. Und natürlich gibt es gutes Essen - Heiligabend zum Beispiel Gänsebrust mit Orangensauce, Rosenkohl und Schupfnudeln.

Ein solches Programm kann es nicht immer geben. Wie schaffen Sie es, die Soldatinnen und Soldaten während des fast sechsmonatigen Einsatzes motiviert und bei Laune zu halten?
Wichtig ist es, nicht zu lange an einem Stück auf See zu sein, also einen Ausgleich zwischen See- und Hafenphasen zu haben. Zudem versuche ich, das Leben an Bord für die Soldatinnen und Soldaten so angenehm wie möglich zu machen. Was sind Dinge, die den Soldatinnen und Soldaten wichtig sind auf dem Schiff? Was macht den Arbeitsalltag erträglicher an Tagen, an denen die Motivation nicht ganz so groß ist? Den jungen Leuten ist es heute extrem wichtig, dass sie regelmäßig mit ihren Freundinnen und Freunden und Verwandten kommunizieren können. Das ist hier sichergestellt. Jedes Besatzungsmitglied hat die Möglichkeit, jeden Tag in der dienstfreien Zeit zu telefonieren, E-Mails zu schreiben und so den Kontakt zu pflegen.

Wichtig ist auch, dass es bestimmte Routinen an den Arbeitstagen unter der Woche und an den Wochenenden gibt. Ich versuche zum Beispiel, die Sonntage nach Möglichkeit frei zu halten - zumindest für diejenigen, die keine Dienste oder Wachen haben. Das heißt, keine Durchsagen, keine Musterungen, keine Arbeiten.

Apropos Kommunikation: Können die Soldaten an Bord auch soziale Medien wie Facebook oder Twitter nutzen oder übers Internet Filme oder Serien schauen?

Das funktioniert leider nicht. Die Bandbreite reicht aus für die private E-Mail-Kommunikation und die dienstlichen IT-basierten Dienste.  Alles andere ist leider nicht möglich, wenn wir auf See sind. Da muss man sich auf Text und Sprache konzentrieren.

Ist es vielleicht sogar besser, dass soziale Medien nicht genutzt werden können? Gerade auf Facebook wird oft kontrovers diskutiert, dass die „Mecklenburg-Vorpommern“ nicht nur zur Waffenembargo-Kontrolle und zur Abschreckung von Schleusern unterwegs ist, sondern auch, um Migranten von nicht seetauglichen Booten zu retten und sie nach Europa zu bringen.

Ich habe eine sehr lockere Haltung zu sozialen Medien. Wenn wir im Hafen sind, können sie auch genutzt werden.

Und was sagen Sie jungen Männern und Frauen, die Sie fragen, warum Bundeswehrsoldaten Migranten aus Seenot retten müssen?

Zunächst hat jeder Seefahrer - ganz gleich ob auf einem Segelboot, einem Tanker oder Kriegsschiff - die allgemeine Pflicht, Menschen aus Seenot zu retten. Dabei spielt keine Rolle, warum jemand Seenot erlitten hat. Auf dem Meer sind alle gleich. Da interessieren keine Hautfarben, Religionen, politischen Ansichten und so weiter. Es geht im Moment der Seenotrettung schlicht darum, Menschenleben zu retten. Punkt.

Die Gesamtsituation zu bewerten, ist eine politische Aufgabe. Meiner Besatzung sage ich, dass wir einen Auftrag haben, den uns der Bundestag erteilt hat, also das vom deutschen Volk demokratisch gewählte Parlament. Das verstehen dann auch alle hier an Bord, denn wir wollen schließlich vernünftige Arbeit machen.

Sind es viele, die den Einsatz kritisch sehen?

Nein. Die überwiegende Mehrheit hier an Bord ist der festen Überzeugung - genauso wie ich auch - dass es eine vornehme Aufgabe ist, Menschen aus Seenot zu retten - egal aus welcher Motivationslage heraus diese Frauen und Männer in ein Boot gestiegen sind. Wenn wir Menschen retten, gibt das ein gutes Gefühl. Das ist jedes Mal spürbar. Alle sind Feuer und Flamme, niemand meckert, niemand mosert. Alle sind hochkonzentriert und bestrebt, gute Arbeit abzuliefern.

Was war bislang der emotionalste Moment an Bord?
Unter den Menschen, die wir kürzlich gerettet haben, war eine hochschwangere Frau, die dann an Bord eine Spontangeburt hatte. Maverloy hat die Mutter den kleinen Jungen genannt. Das soll so viel bedeuten wie „Gott ist großartig“. 2450 Gramm war er schwer und 51 Zentimeter lang. Das ist eine Sache, die mir immer in Erinnerung bleiben wird. In solchen Momenten herrscht immer eine himmelhochjauchzende Freude an Bord. Die hat sich wie ein Lauffeuer durch die gesamte Besatzung verbreitet.

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