Deutsche Soldaten in Mali: Der Einsatz bleibt gefährlich, wie eine Reihe von Vorfällen in den vergangenen Wochen gezeigt hat. Foto: dpa

Deutsche Soldaten in Mali: Der Einsatz bleibt gefährlich, wie eine Reihe von Vorfällen in den vergangenen Wochen gezeigt hat. Foto: dpa

01.03.2019
yb/mit Material von dpa

Turbulente Tage in Mali: Von Terrorattacken, Politikerreisen und Regierungsfliegerpannen

Berlin. Wenn die Einsatzgebiete der Bundeswehr verstärkt in den Medien Erwähnung finden, hat das im Normallfall zwei Gründe: Entweder ist etwas Besonderes passiert oder Politiker besuchen die deutschen Soldaten im Auslandseinsatz. In den vergangenen Tagen ist Mali in den Fokus der Berichterstattung gerückt – aus beiden oben genannten Gründen. Es hat eine Reihe von Zwischenfällen gegeben, die erneut gezeigt haben, wie gefährlich der Einsatz im westlichen Afrika ist. Zudem sind Außenminister Heiko Maas (SPD) und Mitglieder des Verteidigungsausschusses ins Einsatzgebiet gereist.

Vor knapp zwei Wochen machte zunächst eine außergewöhnliche Meldung die Runde: Ein deutscher Konvoi geriet in der Nähe von Gao unter Beschuss. Die Soldaten der Bundeswehr, die den Auftrag hatten, ein Fahrzeug der belgischen Kräfte zu bergen, erwiderten das Feuer. Dabei wurde ein malischer Soldat schwer verwundet – wie sich herausstellte, waren die Deutschen anscheinend unter „friendly fire“ geraten. Der malische Soldat wurde von deutschen Kräften zur weiteren medizinischen Versorgung in eine französische Sanitätseinrichtung gebracht.

Noch beunruhigender der Vorfall am vergangenen Sonntag (24. Februar): Von Toten und Verletzten war zunächst die Rede, als Agenturen von einem Angriff mit Raketen, Handfeuerwaffen und Selbstmordattentätern auf das Camp „Gecko“ im Süden Malis berichteten. In dem Feldlager unweit der Stadt Koulikoro werden im Rahmen der EU-Mission EUTM Mali einheimische Kräfte trainiert – auch von Bundeswehrsoldaten. Später relativierten sich die ursprünglich recht dramatisch klingenden Meldungen: Bei dem Angriff wurden keine Raketen eingesetzt und glücklicherweise kam bis auf zwei Selbstmordattentäter niemand zu Tode – drei malische Soldaten erlitten aber Verwundungen. Dass es nicht schlimmer kam, ist offenbar der schnellen Reaktion spanischer Soldaten zu verdanken, die gemeinsam mit ihren malischen Verbündeten die angreifenden Fahrzeuge stoppten, bevor diese in das Camp eindringen konnten. Das Al-Kaida-nahe Bündnis Dschamat Nusrat al-Islam wa al-Muslimin (Unterstützergruppe für den Islam und Muslime, JNIM) beanspruchte den Angriff für sich, wie ein Sprecher des malischen Militärs bestätigte.

Gerade dieser Vorfall sorgte für Aufsehen und Besorgnis: Der Süden Malis galt bislang als relativ sicher. Einen koordinierten Angriff in dieser Form auf die Einsatzkräfte von EUTM Mali hatte es zuvor nicht gegeben – man kann von einer neuen Qualität sprechen.

Im Norden des Landes, Einsatzgebiet der deutschen Beteiligung an der Mission MINUSMA, ist Gewalt an der Tagesordnung. Immer wieder werden die UN-Truppen zum Ziel von Angriffen. Nach Angaben der Vereinten Nationen starben dabei seit 2013 insgesamt 191 Kräfte der Friedensmission in der Ausübung ihres Dienstes (Stand: 31. Januar 2019). Dass Terrorgruppen in den vergangenen Monaten ihre Aktivitäten gesteigert haben, zeigen auch Berichte der französischen Streitkräfte. Im Rahmen der Anti-Terror-Operation Barkhane gehen die französischen Kräfte zurzeit energisch gegen terroristische Gruppierungen vor. Vor wenigen Tagen meldete die französische Armee, mit Yahia Abou Hamman, einen der führenden Köpfe von Al-Kaida in der Region, in einer Militäroperation am 21. Februar „neutralisiert“ zu haben. Nur zwei Tage später seien bei einer gemeinsamen Mission von französischen und malischen Einheiten 15 Terroristen „außer Gefecht gesetzt“ worden.

Entsprechend besorgt über die Sicherheitslage zeigte sich Außenminister Heiko Maas bei seinem Besuch in dem westafrikanischen Land. Der Anschlag auf das Feldlager, in dem auch deutsche Soldaten stationiert sind, habe gezeigt, dass der Terrorismus in dem Wüstenstaat noch nicht besiegt sei, sagte Maas. Der Außenminister stellte die Bundeswehr in Mali auf einen langen Einsatz in dem Land ein. Bei einem Besuch der deutschen Soldaten in Gao sprach der SPD-Politiker am 27. Februar von einem „sehr gefährlichen Einsatz“. Der Friedensprozess zwischen der Regierung und Rebellengruppen werde immer wieder von Terroristen torpediert. „Dagegen müssen wir uns durchsetzen, deshalb braucht man hier wohl auch einen langen Atem.“ Maas stellte der Bundeswehr zusätzlichen Schutz in Aussicht, falls dies nötig sei. Man werde alles dafür tun, dass die Soldaten mit der „bestmöglichen Ausrüstung und bestmöglichen Infrastruktur“ für ihre Sicherheit sorgen könnten.

In der Krisenregion waren im Laufe der Woche auch Mitglieder des Verteidigungsausschusses unterwegs. Im April stehen die Mandatsverlängerungen für die Missionen EUTM Mali und MINUSMA an, so konnten sich Verteidigungspolitiker verschiedener Parteien nun ein Bild von der Lage vor Ort verschaffen. Besorgt zeigte sich dabei auch der SPD-Politiker Fritz Felgentreu. Die Mali-Reise des Verteidigungsausschusses habe durch den Schusswechsel zwischen deutschen Kräften und malischen Soldaten im Raum Gao und dem Terroranschlag auf das Camp „Gecko“ unerwartete Brisanz erhalten, so Felgentreu. „Beides zeigt: Mali ist ein gefährliches Einsatzgebiet – und es wird zurzeit schwieriger. Dabei überlagern sich mehrere Konfliktlinien. Im aktuellen Brennpunkt, in Zentralmali, geht die Gefahr für die Bevölkerung weniger vom Terror als von ethnischen Konflikten aus“, sagte der Vereidigungspolitiker unserer Redaktion. Zugleich habe man aber auch gesehen, dass die Malier dankbar für das Engagement von EU und Vereinten Nationen seien, so Felgentreu. Die Menschen wünschten sicher eher ein noch robusteres Mandat als einen Abzug. Mit Blick auf die auslaufenden Mandate sprach sich Felgentreu für eine Fortsetzung der Bundeswehr-Einsätze aus: „Die Sahelzone ist ein hochkomplexer Raum mit großer sicherheitspolitischer Bedeutung für Europa. Deshalb ist es sinnvoll, die Anstrengungen zur Stabilisierung Malis fortzusetzen. Der Bundestag sollte beide Mandate verlängern. Klar ist aber auch: Nur mit militärischen Mitteln können wir auf Dauer nicht erfolgreich sein. Der viel beschworene vernetzte Ansatz wird für Mali unverzichtbar bleiben. Eine Erfolgsgarantie gibt es dabei nicht.“

Gegen eine Fortsetzung des deutschen Mali-Engagements sprach sich Rüdiger Lucassen von der AfD aus. „Die Sicherheitslage in Mali hat sich deutlich verschlechtert“, sagte Lucassen, „in der Zentralregion gab es 2018 sechs Selbstmordattentate, in den ersten zwei Monaten 2019 bereits fünf. Das militärische Engagement, das die Truppensteller in Mali einbringen, reicht nicht aus, um das Land zu stabilisieren.“ Von den rund 13.000 eingesetzten Soldaten könne nur ein Bruchteil in der Fläche eingesetzt werden, so der AfD-Politiker. Gerade afrikanische Truppen verfügten über einen wesentlich geringeren Einsatzwert und würden ihre Feldlager häufig nicht verlassen. „Der Einsatzraum ist damit völlig überdehnt“, so Lucassen.  Zudem verfüge die Bundesregierung über keine eigene Afrikapolitik, aus der sich eine eindeutige sicherheitspolitische Zielsetzung ableiten lasse. „Die militärische Ausbildungsunterstützung ist unzureichend in eine Vernetzung mit anderen staatlichen und halbstaatlichen Organisationen und NGOs eingebunden“, kritisierte Lucassen, „es besteht die dringende Gefahr, dass auch deutsche Truppen in innerethnische Konflikte hineingezogen werden. Das kann nicht im Interesse Deutschlands liegen.“

Mit der Delegation des Verteidigungsausschusses hat auch Christine Buchholz die deutschen Soldaten besucht. Auch die Politikerin der Fraktion Die Linke spricht für eine Beendigung des Mali-Einsatzes der Bundeswehr aus. „Seit Bundeswehr und andere internationale Truppen in Mali sind, hat sich die Sicherheitslage dramatisch verschlechtert“, sagte Buchholz unserer Redaktion, „Kämpfe und Anschläge finden nun nicht mehr nur im Norden, sondern zunehmend in Zentralmali statt. Dort verübten malische Soldaten im letzten Jahr Massaker an Zivilisten.“ In Bezug auf den Angriff auf das bisher sicher geglaubte Camp der EU-Trainingsmission EUTM Mali spricht Buchholz von einer neue Qualität. „Bei dem Anschlag, der sich gegen die internationalen Truppen richtete, wurden mehrere Gebäude massiv beschädigt. Eine Person außerhalb des Lagers starb. Es ist reiner Zufall, dass weder malische, noch internationale Soldaten getötet worden sind“, sagte die Parlamentarierin. Und weiter: „Mir ist deutlicher als bei früheren Besuchen gemacht geworden, wie sehr europäische Trainingsmission, UN-‚Friedensmission‘ MINUSMA und die Kampfeinsätze der malischen und französischen Armee miteinander verwoben sind. Die internationale Militärpräsenz geht an den Ursachen der Probleme vorbei. Aus diesem Grund werde ich mich bei den anstehenden Mandatsdebatten für die umgehende Beendung des Bundeswehreinsatzes aussprechen.“

Auch Katja Keul von Bündnis90/Die Grünen sieht eine Verschlechterung der Lage vor allem im Landeszentrum. Die Verteidigungspolitikerin befürwortet aber eine Fortsetzung des Bundeswehr-Einsatzes. „Im Norden, wo MINUSMA präsent ist, hat sich die Lage zumindest nicht verschlechtert“, stellte Keul fest. Auftrag von MINUSMA sei es, die Zivilbevölkerung zu schützen und die Umsetzung des Friedenvertrages zu überwachen. „Diesem Auftrag dient auch die Aufklärung durch die Bundeswehr in Gao, so dass ich deren Einsatz vorerst weiter unterstütze“, so die Abgeordnete, die sich aber durch die Lage in den anderen Landesteilen beunruhigt zeigt. „Terroristische Angriffe im Landeszentrum, vor allem durch Sprengstoffattentate und zunehmende ethnische Auseinandersetzungen, haben einen Negativrekord an zivilen Opfern gefordert. Der Anschlag auf die Ausbildungsschule der EUTM in Koulikoro wird eine massive Aufstockung der Sicherheitsmaßnahmen erfordern und die Effizienz der Ausbildungsmission weiter belasten“, sagte Keul. Und: „Es ist zu befürchten, dass die Präsenz der EU-Soldaten zunehmend Anschläge von Dschihadisten provoziert. Die Unterstützung der Bundeswehr bei der Ausbildung der malischen Armee halte ich weiterhin für sinnvoll und erforderlich.“

In der Debatte um den Bundeswehreinsatz in Mali ziehen sich also tiefe Gräben durch die politischen Reihen, die Verteidigungspolitiker kommen nach ihrer gemeinsamen Reise zu höchst unterschiedlichen Bewertungen. Allen Abgeordneten ist aber deutlich vor Augen geführt worden: Dieser Einsatz der deutschen Kräfte ist mit hohen Gefahren verbunden.

Der Aufenthalt in Mali von Außenminister Maas wurde übrigens noch unfreiwillig um einen Tag verlängert: Der Airbus A319 der Flugbereitschaft konnte nicht wieder wie geplant in Bamako starten. Grund: Ein Hydraulikschaden an der Maschine. Für Maas war es das erste Mal, dass er Opfer einer Regierungsflieger-Panne wurde. Zuvor hatte er mit der Flugbereitschaft mehr als 300.000 Kilometer ohne Zwischenfälle zurückgelegt. Der Minister nahm es gelassen: „Irgendwann erwischt es jeden.“ 

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