04.08.2020
Michael Fischer/dpa

Politik gegen US-Truppenabzug - Bevölkerung eher dafür

Zwischen der großen Koalition und dem größten Teil der Opposition besteht Einigkeit: Der geplante Abzug von US-Truppen ist falsch. Die Wähler sehen das anders. Die Zeiten, in denen die USA als Schutzmacht geschätzt wurden, scheinen endgültig vorbei zu sein.

Berlin. Während die Politik in Deutschland den geplanten Abzug von US-Truppen mehrheitlich ablehnt, trifft er in der Bevölkerung überwiegend auf Zustimmung. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur befürworten 47 Prozent eine Reduzierung der derzeit 36 000 Soldaten. Jeder Vierte meint sogar, die US-Streitkräfte sollten ganz weg. Dagegen ist noch nicht einmal jeder Dritte (32 Prozent) dafür, dass die Truppen in der bisherigen Stärke bleiben. 21 Prozent machten keine Angaben.

US-Verteidigungsminister Mark Esper hatte vergangene Woche angekündigt, knapp 12 000 Soldaten aus Deutschland abzuziehen. 6400 sollen zurück in die USA, 5600 in andere europäische Nato-Staaten verlegt werden - nach jetzigem Stand vor allem nach Italien und Belgien. Von den sechs im Bundestag vertretenen Fraktionen lehnen fünf den Truppenabzug ab. Nur die Linke findet ihn gut, will aber, dass alle US-Soldaten das Land verlassen.

Bei den Wählern ergibt sich ein anderes Bild. Nur bei den Anhängern der CDU/CSU überwiegen diejenigen, die gegen eine Reduzierung sind, knapp mit 45 zu 41 Prozent. Bei den Wählern aller anderen Parteien sind die Befürworter eines Abzugs in der Mehrheit: Bei der SPD sind es 42 zu 40 Prozent, bei den Grünen 52 zu 35, bei der FDP 52 zu 36, bei der AfD 61 zu 28 und bei der Linken 70 zu 18 Prozent.

Zwei Drittel für Abzug der US-Atombomben

Noch klarer ist das Meinungsbild, wenn es um die US-Atombomben in Deutschland geht. Deren Abzug ist zwar nicht geplant. Die SPD-Führung fordert ihn aber und trifft damit beim Koalitionspartner CDU/CSU auf Unmut. Dafür haben die Sozialdemokraten zwei Drittel der Bevölkerung hinter sich. 66 Prozent sind dafür, dass die schätzungsweise 20 auf dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz lagernden Bomben verschwinden. Nur 19 Prozent wollen, dass sie bleiben. 16 Prozent machen keine Angaben.

Die Forderung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nach einem Abzug der Atomwaffen hatte im Mai auch in den USA für Irritationen gesorgt. Die US-Botschafterin in Polen, Georgette Mosbacher, twitterte: «Wenn Deutschland die nuklearen Fähigkeiten verringern und die Nato schwächen will, könnte Polen (...) diese Fähigkeiten vielleicht hier unterbringen.» In Warschau mit seiner Grenze zu Russland gebe es jedenfalls Verständnis für die Risiken. Neben Deutschland sollen in Europa noch US-Atombomben in Belgien, den Niederlanden und vor allem Italien stationiert sein. Als weiterer Standort gilt der Luftwaffenstützpunkt Incirlik in der Türkei.

Kein Verständnis für Trumps Kritik an Verteidigungsausgaben

Bei allem Verständnis für die Truppenreduzierung - die Begründung von US-Präsident Donald Trump dafür kann nur eine Minderheit nachvollziehen. Nur jeder Vierte (25 Prozent) teilt seine Auffassung, dass Deutschland zu wenig für Verteidigung ausgibt. 58 Prozent stimmen nicht zu. Deutschland verfehlt das Nato-Ziel, zwei Prozent seiner Wirtschaftskraft in das Militär zu investieren, trotz steigender Verteidigungsausgaben mit 1,38 Prozent noch deutlich.

Jeder Vierte findet Beziehungen zu Russland wichtiger

Die überwiegende Ablehnung der militärischen Präsenz der Amerikaner geht einher mit begrenztem Vertrauen in den Bündnispartner USA. Nur noch etwas mehr als jeder Dritte (35 Prozent) hält die USA weiterhin für Deutschlands wichtigsten Partner außerhalb Europas. 49 Prozent sagen, das sei nicht mehr der Fall.

Auf die Frage, ob gute Beziehungen zu den USA, Russland oder China am wichtigsten sind, liegen die Vereinigten Staaten mit 35 Prozent zwar noch vorne. Fast jedem Vierten (23 Prozent) ist aber das Verhältnis zu Russland wichtiger, und für 13 Prozent haben gute Beziehungen zu China oberste Priorität.