Die Truppe wird derzeit von schlechten Nachrichten gebeutelt. (Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke)

Die Truppe wird derzeit von schlechten Nachrichten gebeutelt. (Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke)

11.05.2017
jm

Blick nach vorn – die Bundeswehr besser machen!

Von wegen „Wonne-Monat“: Die ersten zehn Tage des Mai hatten es wirklich in sich. Berichte über unglaubliche Vorgänge, Debatten über Fehler, pauschale Anwürfe, anschwellendes Wahlkampf-Getöse – die Verwerfungen der jüngsten Zeit haben Soldaten, Zivilbeschäftigte, die Ministerin und selbstverständlich auch den DBwV schwer beschäftigt. Jetzt ist es Zeit, durchzuatmen und den Blick nach vorne zu richten. Unser aller Ziel kann jetzt nur sein, die Bundeswehr, UNSERE Bundeswehr, besser zu machen.

Dabei, wir hatten es schon, sollte das Motto dabei nicht sein: „Alles neu macht der Mai“. Stattdessen muss der Blick wieder auf das gerichtet werden, was Militär wirklich ausmacht. Natürlich ohne dabei die notwendigen Aspekte Modernität und Attraktivität aus den Augen zu verlieren.

Auch, wenn es eigentlich selbstverständlich ist, macht der Deutsche BundeswehrVerband vor dem Hintergrund des Kriminalfalls um den Oberleutnant Franco A. eines erneut ganz deutlich: Radikalismus und Extremismus gleich welcher Art haben in der Bundeswehr keinen Platz. Wo immer Straftaten aufgedeckt werden, müssen sie mit aller Konsequenz geahndet werden. „Selbst wenn diese Fälle im Promille-Bereich liegen, ist jeder einzelne Fall einer zu viel“, stellt der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner fest. „Natürlich kann niemand den Menschen in den Kopf schauen und entsprechende Fehlentwicklungen vorhersagen. Dennoch muss die Bundeswehr weiterhin ihren hohen Anspruch aufrechterhalten und darf sich nicht hinter der These vom vermeintlichen Spiegelbild der Gesellschaft verstecken. Das Abstellen von Missständen und die Beseitigung der Ursachen von Fehlentwicklungen muss unser aller Anspruch bleiben!“

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat sich selbst öffentlichkeitswirksam in die Pflicht genommen: „Meine Verantwortung ist, belegte Missstände abzustellen. Das tue ich gerade.“ Es wäre verfrüht, darüber zu spekulieren, ob ihr das gelingt. Aber eines ist klar: Wenn es darum geht, die Bundeswehr besser zu machen, wird sich der DBwV auf keinen Fall zurücklehnen. Das Kommentieren von der Seitenlinie aus überlassen wir wie immer anderen.

Wir haben bereits in unserem Forderungspapier „Bundeswehr 2020plus“ auf Fehlentwicklungen hingewiesen und Handlungsbedarf beschrieben. Wir haben Position bezogen gegen übermäßige Zentralisierung und mehrgleisig gelagerte Verantwortung, wir haben mehr Zeit für „Gutes Führen“ und Dienstaufsicht eingefordert und verlangt, Auflagen und ausufernde Bürokratie zu reduzieren sowie die Stärkung des geistigen Überbaus unserer Streitkräfte durch mehr politische Bildung angemahnt. Frühzeitig haben wir erkannt, wie sehr die übermäßig verschulte Führerausbildung an der Lebenswirklichkeit der Einheiten und Verbände vorbei geht. Als „weiches“ Thema hatte unsere Kritik allerdings nicht die erwünschte Wirkung.

„Das ist meistens so – bis irgendwann erkannt wird, dass ein vermeintlich weiches Thema sehr schnell zu einem harten werden kann. Leider geschieht das häufig erst, wenn etwas passiert. Dann richtet der Leitungsbereich des BMVg den Blick auf die Innere Führung. So war es bei nahezu allen Skandalen der letzten Jahrzehnte“, so Wüstner.

Regelmäßig folgt dann, ausgelöst durch politischen wie medialen Druck und nicht selten auch schlechtes Krisenmanagement im Ministerium, blanker Aktionismus. Das ist wenig hilfreich. Worum es jetzt gehen muss, ist zunächst eine objektive Betrachtung der unterschiedlichen Probleme. Anschließend müssen sie im Kern angegangen werden. An Symptomen herumzudoktern, wäre keine Hilfe. Dazu käme: Würden die Menschen der Bundeswehr spüren, dass sie für den Wahlkampf herhalten sollen, würde dies das ohnehin geringe Vertrauen in die Politik weiter schmälern. Diese Entwicklung beobachten wir bereits. 

Die Maßnahmen, die Frau von der Leyen jetzt nach der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses angekündigt hat, sind sicherlich im Einzelnen sinnvoll. Allerdings wird weder die Optimierung der Wehrdisziplinarordnung noch die Überarbeitung des Traditionserlasses dem Führungspersonal aller Ebenen das verschaffen, was es am dringendsten braucht: Zeit und Orientierung! Zeit, sich den Menschen zu widmen, Zeit für Gespräche, Zeit für helfende Dienstaufsicht, Zeit, um über Fehler zu reden, Zeit für das Abstellen von Ausbildungs- oder Erziehungsmängeln, Zeit zu reflektieren und sich zu orientieren oder Unterstellten bei deren Orientierung zu helfen.

In der Zentralen Dienstvorschrift „Innere Führung“ ist eine Voraussetzung für gutes Führen als Wesenskern beschrieben: Innere Führung heißt miteinander reden. Gelingt dies, kann man eine Vielzahl von Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und rechtzeitig gegensteuern. Durch gute Kommunikation wird Vertrauen geschaffen.

Vertrauen wiederum wäre die Grundlage, um die Verantwortungs- und Fehlerkultur zu verbessern und zu stärken. Dabei muss auch überprüft werden, ob etwa ein mangelhaft kommuniziertes Compliance Management System oder die Schaffung zusätzlicher Ansprechstellen im BMVg kontraproduktiv gewesen sind.

Die angekündigte Überarbeitung des Traditionserlasses noch in dieser Legislaturperiode ist ein ambitioniertes Vorhaben. Die Angehörigen der Bundeswehr haben nichts gegen eine Präzisierung und Orientierung in Traditionsfragen. Es wäre allerdings naiv zu glauben, ursprünglich gebilligte Kasernennamen zu ändern oder Wandgemälde zu überstreichen, wäre einfach. Gerade in den Kommunen oder Kreisen war diese Diskussion in Verbindung mit verschiedenen Traditionsverbänden schon in der Vergangenheit nicht einfach. Im Wahljahr hätte dieses Thema sicherlich eine besondere Brisanz.

Wer wahrhaftig Missstände abstellen und damit die Grundlage für „Gutes Führen“ schaffen will, der muss an die Ursachen für die Fehlentwicklungen der letzten Jahre.

Aus unserer Sicht muss jetzt Folgendes angegangen werden:

1. Die Vorgesetzten müssen von Verwaltungsaufgaben entlastet werden und brauchen wieder Zeit für die Führung von Menschen – das ist ein elementarer Bestandteil der Inneren Führung.

2. Gemeinschaft ist zu fördern: durch Betreuungseinrichtungen, in denen Kohäsion gestärkt und Vertrauen in entsprechender Gesprächsatmosphäre wachsen kann.

3. Der Fokus muss neben der Ausbildung wieder verstärkt auf Erziehung vor allem junger Menschen liegen.

4. Das Prinzip des Führens mit Auftrag muss auf allen Ebenen gestärkt werden. Die durch die Neuausrichtung strukturell verordnete Verantwortungsdiffusion muss gestoppt werden, Führungskräfte brauchen wieder die notwendigen Ressourcen zur Auftragserfüllung.

5. Die Wehrdisziplinarordnung ist so zu überarbeiten, dass nicht nur beschleunigt bearbeitet, sondern die Tauglichkeit für den Einsatz sowie die damit auch implementierte „Auftragstaktik“ (Verantwortung auf der jeweiligen Ebene) gewährleistet bleibt.

6. Einheiten müssen derart verkleinert werden, dass Disziplinarvorgesetzte sowie Spieße ihr unterstelltes Personal regelmäßig sehen, sprechen oder schlicht kennen und bei Bedarf einwirken können. Ohne diese Grundlage ist „Gutes Führen“ nicht möglich.

7. Refokussierung auf das Militärische und insbesondere das, was das „Soldat sein“ ausmacht. Dazu bedarf es Antworten auf offene Fragen zum Berufsethos sowie zu den unterschiedlichen Rollenbildern in einer vielfältigen Bundeswehr, dazu müssen auch identitätsstiftende Aspekte bedacht werden

8. Prävention, insbesondere mit Bezug auf rechtsgerichtete Tendenzen. Dabei kommt dem MAD eine besondere Rolle zu.

9. Stärkung des geistigen Überbaus der Bundeswehr durch mehr politische, rechtliche und ethische Bildung.

10. Nutzung und Stärkung der vorhandenen Sensorik innerhalb der Bundeswehr: Auch Vertrauenspersonen, Personalräte, Gleichstellungsbeauftragte oder Psychologen und Seelsorger können „Gutes Führen“ unterstützen.

11. Schnelle Abstellung der Mangelverwaltung als elementarem Zeitfresser. Das geht am besten durch die Realisierung der Vollausstattung.

 

Noch ist die Legislaturperiode nicht abgeschlossen. Der Blick ist nach vorn zu richten und die Führung der Bundeswehr muss von Reden zum Handeln kommen. Das Fazit von Oberstleutnant Wüstner: „Die Probleme in der Bundeswehr müssen nicht beschrieben werden. Die kennen alle und die sind in den letzten Jahren immer wieder beschrieben worden. Nun ist es Zeit, endlich Lösungen zu präsentieren und das am besten schon gestern.“

Der Deutsche BundeswehrVerband wird sich wie gewohnt in den Prozess einbringen. Im Nachgang zur Veranstaltung mit Führungskräften sowie dem Beirat für Fragen der Inneren Führung vergangene Woche sprach der Bundesvorsitzende bereits mit Ministerin von der Leyen über notwendige Schritte. In Kürze wird ein weiteres Gespräch folgen, denn miteinander reden ist nicht nur der Wesenskern der Inneren Führung, sondern zugleich die Grundlage für erfolgreiche Interessenvertretung im Sinne des Ganzen! Seitens des BMVg wurde noch nicht entschieden, was in welcher Geschwindigkeit angegangen werden soll. Diesbezüglich warten wir mit Spannung auf die entsprechende Entscheidung. Fakt ist: Lediglich einen Prozess zu implementieren, wird nicht ausreichen

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