Deutsche Soldaten bei der UN-Mission UNIFIL (Archivbild). Die Beiträge der Bundeswehr sind bei den Vereinten Nationen gefragt Foto: Bundeswehr

Deutsche Soldaten bei der UN-Mission UNIFIL (Archivbild). Die Beiträge der Bundeswehr sind bei den Vereinten Nationen gefragt Foto: Bundeswehr

19.01.2017
mkl

„Die UN-Beiträge der Bundeswehr werden weltweit geschätzt“

Es war eine überraschend deutliche Rede, mit der sich der neue UN-Generalsekretär Antonio Guterres in New York zum ersten Mal dem Sicherheitsrat präsentierte. Schnell wurde klar: Der Mann will etwas bewegen, die UN womöglich komplett reformieren. „Die UN wurden gegründet, um Krieg zu verhindern, indem wir uns eine gemeinsame Ordnung gegeben haben. Die aber ist jetzt in großer Gefahr“, sagte er.

Die Vereinten Nationen würden mehr an der Lösung von Problemen als an deren Vermeidung arbeiten, so Guterres. „Die Menschheit zahlt einen zu hohen Preis. Wir brauchen einen neuen Ansatz“. Nur – wie soll der aussehen? Wir haben Dr. Ekkehard Griep gefragt, den stellv. Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, wie sich die UN verändern können und was das für Deutschland und die Bundeswehr heißt.

Herr Griep, Antonio Guterres ist mit großen Ambitionen in sein neues Amt gestartet. Wie bewerten Sie seinen Einstand?

Ekkehard Griep: Antonio Guterres hat einen kraftvollen Start hingelegt und sich gleich am ersten Tag seiner Amtszeit mit einem Friedensappell an die Welt gewandt. Er hat klar gemacht, dass er Akzente setzen will. Wenn er auf diesem Weg Erfolg hat, werden die Vereinten Nationen insgesamt davon profitieren. Es war richtig, gleich zu Anfang einen solchen Impuls  einzugeben. Guterres nutzt den Einschnitt, den der Wechsel im Amt mit sich bringt, um auch die Mitgliedstaaten zu motivieren, ihren Verpflichtungen gerecht zu werden.

Jetzt ist viel von einem „neuen Ansatz“ die Rede. Wie kann dieser aussehen?

Der UN-Generalsekretät hat das Thema Prävention in den Vordergrund gerückt. Also: Konflikte erkennen und ihrem gewaltsamen Aufbrechen entgegenwirken, bevor sie in kriegerischen Auseinandersetzungen enden. Ich wünsche mir sehr, dass er diesen Leitgedanken beibehält. Das Problem ist nur: Der Generalsekretär ist abhängig von der Kooperation der Mitgliedstaaten. Der Aufsichtsrat von Herrn Guterres besteht aus 193 Mitgliedern, nämlich den UN-Mitgliedstaaten. Die Aufgabe des Generalsekretärs wird sein, trotz unterschiedlicher Interessen einen gemeinsamen Weg zu finden.

Was heißt das konkret?

Der Weltsicherheitsrat muss glaubwürdiger werden. Der Generalsekretär hat die Möglichkeit, hier großen Einfluss zu nehmen. Wenn ihm das gelingt, hat er viel erreicht. Allerdings ist das ein dickes Brett: Wir müssen die Lähmung, die wir zuletzt vor allem im Syrien-Konflikt gesehen haben, überwinden. Der Rat muss Verantwortung übernehmen und handeln.

Handeln heißt demnach, sich nicht mehr nur hinter Resolutionen zu verstecken, wie es die amerikanische UN-Botschafterin Power formuliert hat?

Eine Resolution, die nicht umgesetzt wird, ist nichts wert. Das sollte eigentlich allen Mitgliedern der Vereinten Nationen klar sein, die Beschlüsse des Sicherheitsrates sind verbindlich. So steht es in der Charta der Vereinten Nationen. Es ist nach wie vor richtig: Die Vereinten Nationen können nur das leisten, was die Mitgliedstaaten zu geben bereit sind.

Und da vermissen Sie Bereitschaft?

Sehen Sie, natürlich gibt es berechtigte Kritik in diese Richtung, auch mit dem Blick über Syrien hinaus. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die UN insgesamt eine ganze Menge erreichen.

Schauen Sie sich die Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele an, oder nehmen Sie den Klimaschutz: In Paris haben sich die Staaten nach Jahren des Stillstandes endlich auf ein Abkommen geeinigt.

Und im Handlungsfeld Frieden und Sicherheit sind es doch vor allem die UN-Friedensmissionen mit ihren militärischen, polizeilichen und zivilen Anteilen, die oft als letztes Mittel überhaupt in Krisenregionen agieren.

Niemand zweifelt die Bedeutung der UN an, aber es scheint ja doch Redebedarf zu geben. Welche Rolle kann denn Deutschland in einer aktiveren Staatengemeinschaft einnehmen?

Deutschland ist ein sehr respektiertes Mitglied der Vereinten Nationen, auch weil es sich häufig als konstruktiver Brückenbauer engagiert hat. Jetzt wächst Deutschland angesichts der aktuellen Weltlage in eine neue Verantwortung hinein.

In der Ukraine-Krise hat Deutschland bereits deeskalierend gewirkt, auch bei den Verhandlungen über die  Atomvereinbarung  mit dem Iran hat Deutschland gemeinsam mit den ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates Verantwortung übernommen.

Heißt das auch, dass sich die Bundeswehr häufiger an Blauhelm-Missionen beteiligen muss?

Das lässt sich schwer prognostizieren. Erhöhte Verantwortung muss ja nicht notwendigerweise heißen, dass es um eine höhere Anzahl an Soldaten geht. Man kann auch qualitativ, durch kleine, aber wirksame Beiträge, einiges erreichen. Es ist gut, wenn sich Qualität und Quantität die Waage halten. Das zeigt ja auch die Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Mission in Mali …

… die innerhalb der Truppe ziemlich umstritten und, wie wir gerade gesehen haben, noch dazu extrem gefährlich ist.

Das mag sein, aber Deutschlands Beitrag wird weltweit sehr geschätzt. Innerhalb der Vereinten Nationen gilt das Engagement der Bundeswehr als qualitativ sehr hochwertig. Das hören wir aus allen Einsätzen, an denen Deutschland beteiligt war. Und so ist es auch in Mali. Die UN profitieren direkt davon - und auch das Ansehen Deutschlands.

Dann müssten Sie Deutschlands Bewerbung um einen nicht-ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat ja recht hoffnungsvoll entgegensehen. Wie sieht es aber mit dem Dauerthema „ständiges Mitglied“ aus?

Ja, ich bin tatsächlich recht zuversichtlich, dass es mit der Bewerbung für 2019/20 klappen kann. Was die Aufnahme in den Kreis der ständigen Mitglieder angeht: Da sehe ich derzeit keine Möglichkeit. Es müsste die Charta geändert werden, der Sicherheitsrat müsste zustimmen und noch einiges mehr – ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand dieses Thema momentan angeht.

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