Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Gespräch mit dem Präsidentes des Niger, Issoufou Mahamadou (2.v.r), dem Vorsitzenden des libyschen Präsidialrats, Fajis al-Sarradsch (l.) und der Präsidenten der Republik Kongo, Denis Sassou Nguesso (r.) Foto: dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Gespräch mit dem Präsidentes des Niger, Issoufou Mahamadou (2.v.r), dem Vorsitzenden des libyschen Präsidialrats, Fajis al-Sarradsch (l.) und der Präsidenten der Republik Kongo, Denis Sassou Nguesso (r.) Foto: dpa

14.12.2017
ok

Neuer Libyen-Plan: Ein Deal gegen die Sklaverei

Berlin. Transitzonen für Flüchtlinge sind keine neue Idee, allen voran die Unionsparteien forderten sie seit Beginn der Flüchtlingskrise. In Libyen könnten sie Realität werden. Auf dem EU-Afrika-Gipfel Ende November in der Elfenbeinküste einigten sich, angestoßen von Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Macron, die Staats- und Regierungschefs nun darauf, dass die Prüfung von Asylanträgen bereits in Libyen stattfinden soll. Der Plan ist kühn: Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch hat zugestimmt, dass das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sowie die ebenfalls der UN angehängte Internationale Organisation für Migration (IOM) Zugang zu allen Lagern in seinem Land erhalten.

Sie sollen prüfen, was der Grund für die Flucht war. Fand diese aus wirtschaftlichen Gründen statt, soll der Migrant in sein Heimatland zurückkehren. Für die Heimreise bekommen sie von der EU Geld. Tatsächliche Flüchtlinge sollen kontingentweise über Niger und Tschad in die EU oder andere sichere Länder gebracht werden. Der jeweilige Umfang der Kontingente ist jedoch nicht fest definiert. Die EU überweist stattdessen jedem Mitgliedstaat eine Kopfprämie und hofft auf die freiwillige Mitarbeit der Staaten. Wie viele Flüchtlinge sich in Libyen aufhalten, ist unklar, die Schätzungen unter anderem der Afrikanischen Union und der IOM reichen von 400.000 bis 800.000.

Laut UNHCR haben 163.087 (Stand: 13. Dezember) Flüchtlinge die EU 2017 über das Mittelmeer erreicht. Häufigste Ursprungsländer sind Nigeria, Syrien, Guinea, Côte d’Ivoire, Marokko, Bangladesch, Gambia, Mali, Irak und Algerien. Die Mehrzahl (117.979) gelangt nach Sizilien und Kalabrien. 90 Prozent starten von Libyen, wie „augengeradeaus“ im vergangenen Dezember unter Berufung auf einen Bericht des damaligen Sophia-Kommandeurs, Konteradmiral Enrico Credendino, meldete.

Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nach erhielten im ersten Halbjahr 2017 nur 20,9 Prozent der Antragssteller die Rechtstellung als schutzwürdige Flüchtling, werden also nachweislich politisch verfolgt. 17,1 Prozent wird allerdings subsidiärer Schutz gewährt. Hierunter fallen vor allem Kriegsflüchtlinge. 39,1 Prozent der Anträge werden abgelehnt, und in 16,1 Prozent werden „formelle Entscheidungen“ getroffen. Das bedeutet, dass Deutschland sich für nicht zuständig erklärt, weil der Antragsteller über ein EU-Land eingereist ist und gemäß Dublin-Verfahren dort sein Asylgesuch vortragen muss.

Im ersten Halbjahr 2017 wurden 111.616 Asylanträge gestellt, vom BAMF wurden insgesamt 408.147 Anträge auch aus 2016 bearbeitet. Im Ergebnis müssen 225.678 Menschen Deutschland wieder verlassen, weil sie weder asyl- noch schutzbedürftig sind oder über ein EU-Land eingereist sind. Doch Rückführungen sind teuer und kompliziert – besonders wenn sie hunderttausendfach durchgeführt werden müssen.

Der Libyen-Deal ist auch ein Lehrstück über die Macht der Bilder. "Es gibt Berichte darüber, dass afrikanische junge Männer in Libyen wie Sklaven verkauft werden", hatte Bundeskanzlerin Merkel vorab gesagt und meinte damit einen entsprechenden Bericht des amerikanischen Fernsehsenders CNN. Zutiefst verstörend sind die Aufnahmen, die zeigen wie für gerade einmal 400 Dollar ein Mensch verkauft wird. International war es daraufhin zu Demonstrationen und Protesten gekommen – obwohl die menschenverachtenden Zustände lange bekannt sind. „Die Welt“ hatte bereits Anfang des Jahres von einem diplomatischen Bericht an das Bundeskanzleramt berichtet, in dem von „KZ-ähnlichen“ Zuständen in den libyschen Lagern gesprochen wurde. Kritiker und die Opposition im Bundestag warfen der Kanzlerin darum auch Aktionismus vor. Wie begründet ist dieser Vorwurf? Wird der Plan aufgehen?

Wer kann den Zugang zu Lagern überhaupt garantieren?


Die Prüfer der UN stehen vor den gleichen Problemen wie ihre Kollegen in Deutschland und anderswo: die Antragsteller haben oftmals keine Papiere. Hinzu kommen bürgerkriegsähnliche Zustände, Machtkämpfe, Korruption sowie das Fehlen jeglicher Infrastruktur - und das nicht nur in Libyen, sondern mehr oder minder auch in den anderen Transit- und Herkunftsländern. Außerdem ist fraglich, ob al-Sarradsch überhaupt den Zugang zu den Lagern gewähren kann. Denn er herrscht nur über den Großraum Tripolis.

Der Osten wird von General Khalifa Haftar kontrolliert, dem gute Kontakte nach Russland nachgesagt werden. Im Westen herrscht eine Unzahl von kleineren und größeren Milizen, für die das Schleusen ein erträgliches Geschäft ist. Mehrere hundert Millionen Euro sollen allein die Küstenstädte im Jahr verdienen. An legalen Migrationswegen nach Europa und einer menschenwürdigen Behandlung der Flüchtlinge haben diese kein Interesse.

Zuwara, Sabratah, Castelverde, Alrujban, Garyan, Alzintan, Kabaw, Gadamis und Sabha, Städte in denen die CNN-Journalisten Sklavenauktionen beobachtete, liegen alle im Westen des Landes – und es soll weit mehr geben. Wie UN-Mitarbeiter in einem gescheiterten Staat das leisten sollen, was die deutsche Verwaltung im Herbst 2015 und Frühjahr 2016 überforderte, bleibt also unklar.

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