Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Hans-Peter Bartels, informiert mit seinem Jahresbericht über den inneren Zustand der Bundeswehr. Grundlage sind Eingaben von Soldaten und Truppenbesuche. Hier die Vorstellung des Jahresberichts 2018. Foto: DBwV/Hepner

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Hans-Peter Bartels, informiert mit seinem Jahresbericht über den inneren Zustand der Bundeswehr. Grundlage sind Eingaben von Soldaten und Truppenbesuche. Hier die Vorstellung des Jahresberichts 2018. Foto: DBwV/Hepner

29.01.2019
Hans-Peter Bartels

„Wir verwalten uns zu Tode“

Mein Bericht für das Jahr 2018 beschreibt die Personallage der Bundeswehr weiterhin als angespannt, die materielle Lage nach wie vor als mangelhaft. Schwerpunktthema ist diesmal das Verwaltungsmanagement – in den Augen vieler Soldaten: das „Bürokratiemonster Bundeswehr“. Oder mit anderen Worten: die strukturellen Aspekte der aktuellen Bundeswehrprobleme.

Zunächst ein paar Zahlen: Bis zum Jahr 2025 soll der militärische Personalkörper auf 198.500 aktive Soldatinnen und Soldaten aufwachsen. Ende 2018 waren es 181.000. Zur Zeit sind in der Bundeswehr aus den unterschiedlichsten Gründen 21.500 Dienstposten von Offizieren und Unteroffizieren nicht besetzt. Andere müssen deren Aufgaben miterledigen. Dieses verbreitete Lückenbüßertum belastet das Bestandspersonal.

Obwohl die Bundeswehr im Berichtsjahr ein Plus von 4.000 Zeit- und Berufssoldaten meldet, ist im Gegensatz dazu die Zahl der neu in die Bundeswehr eingetretenen Soldatinnen und Soldaten auf nur noch 20.000 Neueintritte gesunken (2017: 23.000,), der niedrigste Stand in ihrer Geschichte. Das heißt, die Bundeswehr wächst, aber sie gewinnt immer weniger neues Personal. Für den dringend erforderlichen Anstieg der Personalzahlen sorgt im Moment ganz entscheidend die Verlängerung bestehender Zeitverträge. So wird die Bundeswehr älter und immer mehr eine kompakte Berufsarmee. Für den lebendigen Austausch mit der Gesellschaft ist das nicht ideal.

"Die Bundeswehr leidet an Unterbesetzung
und gleichzeitig an Überorganisation."

Hans-Peter Bartels

Ein Hauptkritikpunkt der Soldatinnen und Soldaten bleibt die materielle Einsatzbereitschaft. Im fünften Jahr nach dem Epochenjahr 2014 (mit den Beschlüssen des Nato-Gipfels von Wales zur Reaktivierung der kollektiven Verteidigung) sind unsere national beschlossenen Trendwenden ganz überwiegend noch nicht spürbar. Das System der Mangelbewirtschaftung besteht in allen Bereichen fort. Die Nato-Speerspitze VJTF 2019 ist wie die VJTF 2015 auf das massive Hin- und Herleihen von Ausrüstung angewiesen. Das schließt persönliche Ausstattung wie Schutzwesten oder auch Nachtsichtgeräte mit ein.

Ein Sofortprogramm wäre gut, man kann auch Befreiungsschlag sagen: jedenfalls für die kleinen Dinge, die schon erfunden, getestet, zertifiziert und in die Bundeswehr eingeführt sind. Die Vollausstattung steht so bisher nur auf dem Papier, zu realisieren bis 2031. Ersatzteile fehlen weiterhin in großem Ausmaß; Instandsetzungen bei der Industrie ziehen sich hin; der Ausbildungsbetrieb leidet, besonders stark bei den fliegenden Verbänden aller Teilstreitkräfte, egal ob Kampfflugzeug oder Hubschrauber, aber auch bei den Boots- und Schiffsgeschwadern der Marine. Das alles ist, wie auch die Panzerklarstände oder die Funkausstattungsmisere des Heeres, aus den vergangenen Jahresberichten bekannt.

Verantwortung ist ein Kernbegriff des Konzepts der Inneren Führung. Aber zurechenbare Verantwortung scheint heute zu verschwinden in einem Labyrinth verzweigter Zuständigkeiten. Ergebnisverantwortung, Prozessverantwortung, Führungsverantwortung, Ressourcenverantwortung, Personalverantwortung – das alles ist verteilt auf die wachsende Zahl autonomer Stämme der Bundeswehr. Im Fachjargon heißen sie „Organisationsbereiche“.

Unter dem Titel „Innere Führung heute“ hat die Verteidigungsministerin 2017 ein Projekt gestartet, dessen Ergebnisse jetzt vorliegen. Die Soldatinnen und Soldaten selbst sind gefragt worden, wo sie Probleme sehen. Was man über die Erkenntnisse hört, klingt sehr realistisch. Mir sagen viele Soldaten: „Wir verwalten uns zu Tode.“ Um das zu ändern, braucht man keine weiteren Analysen oder Kommissionen mehr, sondern Strukturentscheidungen.

Unsere Bundeswehr, wie ich sie im Moment erlebe, leidet an Unterbesetzung und gleichzeitig an Überorganisation. Zu viel Arbeit wird doppelt getan oder gegeneinander. Zu viel Arbeitszeit muss an schlechte Strukturen verschwendet werden. Und dabei ist auch nicht immer jedes teure Digitalisierungsprojekt eine Hilfe.

Aus der Perspektive der Soldatinnen und Soldaten ist der Erwartungsdruck sehr groß. Jetzt ist es Zeit für Entscheidungen.