29.06.2017

Berufsethos - Soldat sein heute

Kein Beruf wie jeder andere: Bundeswehrsoldaten zum Thema Berufsethos



Vor meiner Zeit bei der Bundeswehr konnte ich mir eine Karriere beim Militär überhaupt nicht vorstellen. Ich hatte so viele Vorbehalte. Dann musste ich 1994 als Wehrpflichtiger zur Bundeswehr und lernte meinen ersten Spieß in Emden kennen. Dieser hat es geschafft, meine Meinung komplett umzukehren. Er zeigte mir Möglichkeiten auf und dass auch jemand wie ich bei der Bundeswehr gebaucht wird. Heute bin ich froh, dass ich dabeigeblieben bin. Kameradschaft, Loyalität, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit hätte ich sonst in dieser Form vermutlich niemals erfahren. Ich setze mich gerne für das Gemeinwohl ein. Unser Land ist bei allen Herausforderungen wunderbar und ich wüsste nicht, wo ich lieber leben würde. Dafür lohnt es sich zu dienen.

Natürlich habe ich mich mit Tot und Verwundung auseinandergesetzt. Ich war zwar selbst noch nicht betroffen, kenne aber einige Kameraden mit einsatzbedingten Verwundungen und traumatischen Erlebnissen sowie Hinterbliebene von gefallenen Kameraden. Deshalb gründete ich 2008 auch die Initiative www.angriff-auf-die-seele.de, um über psychische Einsatzfolgen aufzuklären und die Situation Betroffener zu verbessern. Die kleine Initiative ist heute ein gemeinnütziger Verein.

Vorbilder sind für mich Menschen mit Integrität, die sich mit ihrer Überzeugung für andere Soldaten einsetzen, auch dann, wenn es nicht leicht oder beliebt ist. Menschen, die Loyalität nicht als Einbahnstraße sehen.

Stabsfeldwebel Frank Eggen, Psychotraumazentrum der Bundeswehr


Als junger Mann wollte ich zu den Feldjägern. Die deutsche Militärpolizei versprach so ziemlich genau das, was ich mir von einer aufregenden beruflichen Zukunft wünschte. Ich lernte dort viel, auch über mich selbst. Vor allem die sechs Monate Kfor hinterließen einen bleibenden Eindruck. Denn dort lernte ich, was Verantwortung bedeutet und wie wichtig es ist, anderen zu helfen. Dass Sicherheit ein Luxus ist, den wir zu leicht als selbstverständlich erachten.

Allerdings auch, dass es zu wenige Menschen gibt, die bereit sind, sich für diese Sicherheit einzusetzen, aber zu viele, die sich über die Existenz genau dieser Männer und Frauen aufregen oder sie gar als überflüssig erachten.

Dieser Gedanke beschäftigte mich die folgenden 14 Jahre in meiner zivilen beruflichen Laufbahn so sehr, dass ich immer stärker den Wunsch verspürte, diese Art der Sinnhaftigkeit für mich wiederzugewinnen. Deswegen nahm ich den Rat eines guten Freundes, selbst Berufssoldat und damit auch ein Vorbild für mich, an und wurde Wiedereinsteller.

Seitdem hat sich viel auf der Welt getan und sie ist auch nicht unbedingt ein sicherer Ort geworden. Doch ich hatte mehr als genug Zeit, mich mit den Risiken als lebenserfahrener Mensch auseinanderzusetzen und bin gewillt, mich ihnen jederzeit wieder auszusetzen, wenn nötig. Weil es für mich das Richtige ist.

Feldwebel Mark Fechner, Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr


1994 in die Bundeswehr eingetreten, wurde mir sehr früh klar, dass unser Beruf nicht nur Befehl und Gehorsam, sondern auch Selbstständigkeit, Teamfähigkeit, Empathie und „füreinander da sein“ verlangt. Eben diese Eigenschaften und Tugenden machen für mich nach wie vor den Beruf des Soldaten aus. Dieses Berufsbild bewog mich dann auch, die Laufbahn der Portepeeunteroffiziere einzuschlagen und Berufssoldat zu werden.

Im Rahmen meines ersten Auslandseinsatzes musste ich mich gezielt mit dem Gedanken auseinandersetzen: „Kannst du wirklich auf Menschen schießen?“ Eine Vorstellung, über die ich bis dahin nicht hatte nachdenken wollen. Aber wir sind eben keine „Mörder“, sondern Menschen, die auf eine besondere Weise ihrem Land dienen wollen. Das kann in letzter Konsequenz auch bedeuten, auf Menschen zu schießen und sie gegebenenfalls sogar zu töten. In meinen bisherigen acht Einsätzen auf dem Balkan und in Afghanistan stellte ich außerdem fest, dass Leid und Bedrohung nicht so weit von uns entfernt sind, wie man es sich im Alltag in Deutschland oft vorstellt.

Aber auch mit diesen Einsatzerfahrungen lernte ich meine Arbeit als Soldat weiter schätzen – vor allem, weil ich mit meiner Arbeit den Einsatzsoldaten und deren Angehörigen die Zeit der Trennung und Entbehrungen etwas angenehmer machen kann. Das war und ist immer noch Anspruch und Motivation, auch noch nach 23 Dienstjahren beim Truppenbetreuungssender „Radio Andernach“.

Stabsfeldwebel Michael Faßbender, Radio Andernach, ZOpKomBw


Wie in meinem Fall kann der Beruf eines Soldaten die verschiedensten Verwendungen mit sich bringen. Ich hatte das Glück, dass ich verschiedene Tätigkeiten an unterschiedlichen Standorten erleben durfte, darunter auch eine dreijährige Verwendung im Ausland bei der Nato.
 
Gedanken über Tod und Verwundung machte ich mir erst, als mein erster Einsatz in Afghanistan bevorstand. Damals wurde mir erst richtig bewusst, welcher Gefahr ich mich unter Umständen aussetzen muss. Jeder Soldat sollte sich dessen und auch eventueller Folgen deutlich bewusst sein.

Mich treibt an, meine Pflicht als Bürger in Uniform gegenüber unserer Gesellschaft zu leisten. Als junger aufstrebender Unteroffizier hatte ich viele ältere Kameraden, die mir als Vorbild dienten und meinen Werdegang geprägt haben, wofür ich sehr dankbar bin. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder, der sich mit dem Beruf des Soldaten auseinandersetzt und durch korrektes Auftreten und Verhalten überzeugt sowie jeden einzelnen Menschen schätzt, als Vorbild dienen kann.

Oberstabsbootsmann Manfred Müller, Abteilung Einsatz, ZOpKomBw

Für mich persönlich ist der Soldatenberuf einer der abwechslungsreichsten Berufe überhaupt. Neben einer fachlichen Tätigkeit, auf die jeder Soldat spezialisiert ist, gibt es unzählige Fähigkeiten, vom Sport bis zur Einsatzausbildung, die von einem Soldaten gefordert werden.

Ordnung, Disziplin und Kameradschaft sind für mich selbst und auch in meinem privaten Umfeld wichtige und entscheidende Faktoren, die meinen Beruf als Soldat ausmachen. Mich treibt an, jeden Tag im Rahmen meines Dienstes etwas für unsere Gesellschaft und mein Vaterland zu tun.

Berufliche Vorbilder kann ich nicht an einzelnen Personen festmachen. Jeder Soldat, der unter Gefahr für Leib und Leben seinen Dienst in der Bundeswehr versieht, ist für mich ein Vorbild.

Stabsfeldwebel Sascha Anders, Abteilung Führung, ZOpKomBw

Seefahrt und meinem Land zu dienen, das macht der Soldatenberuf für mich aus. Bereits während der Schulzeit wollte ich zur See fahren, da ich an der Eckernförder Bucht aufgewachsen bin. Dazu kommt die Kameradschaft, die Zusammengehörigkeit und insbesondere die Möglichkeit, immer wieder einen Zugang zu anderen Menschen zu finden. Drittens – und das ist jenen, die die Bundeswehr nicht oder lediglich oberflächlich kennen, weniger bewusst – kann ich mich als Mensch in der Bundeswehr trotz vieler Einschränkungen sehr vielfältig selbst verwirklichen.

Töten und getötet werden war früher kollektiv. Als Frontstaat des Kalten Kriegs ging es für uns um eine existenzielle Bedrohung aller – auch und insbesondere der Zivilbevölkerung. Das ist anspruchsvoller geworden, weil Verwundung, Tod und Töten jetzt auch in einem anderen Zusammenhang erfolgen. Wir begeben uns in Gefahr und sind mandatiert zu töten, um weiterhin unser Land und Bündnis zu verteidigen, genauso aber auch um Staatsziele wie den Erhalt des Friedens außerhalb Europas umzusetzen. Die grundsätzliche Entscheidung für mich lautet weiterhin, diesem Staat uneingeschränkt zu dienen. Ich muss mich allerdings mit dem Soldatsein heute intensiver und kontinuierlicher beschäftigen.

Mich treibt an, eine gute Bundeswehr zu gestalten, in der Menschen gerne dienen und sich verwirklichen können. Aktuell arbeite ich mit meinem Team daran, die Marine der kommenden Dekade auszugestalten, die nach unserer Einschätzung kampfkräftig, attraktiv und modern sein wird, nachdem wir derzeit in Einsätzen stark gefordert sind und die Trendwenden dringend benötigen.

Flottillenadmiral Ulrich Reineke, Abteilungsleiter Planung im Marinekommando


Was den Beruf des Marinesoldaten aus meiner Sicht ausmacht, ist die Vielseitigkeit, die jedem Besatzungsmitglied eines deutschen Marineschiffs abverlangt wird. Man lernt durch die Einsätze neue Menschen und Orte kennen, wird in der Gemeinschaft an Bord gefordert und befindet sich durch die stete Anpassung an neue Situationen in einem ständigen Lernprozess.

Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und ihre Soldaten sind Staatsbürger in Uniform. Das ist insofern von Bedeutung, als es zwar eine Hierarchie innerhalb des Militärs gibt, die Soldaten aber auch Mitbestimmungsrechte haben. Fragt man mich nach meinen Motiven, weshalb ich notfalls bereit bin, mein Leben zu riskieren, so ist die Antwort relativ simpel: Ich mag meinen Beruf und gehe auf in dem, was ich tue. Die hohe Identifikation und die Vielseitigkeit des Berufs als Marinesoldat sind mein beruflicher Antrieb.

Diese Einstellung gegenüber dem Dienst und dem Dienstherrn verdanke ich meinem ehemaligen ersten Offizier, der eine unglaubliche Führungsstärke zeigte, gerade weil er andere in seine Entscheidungsprozesse einbezog.

Obermaat Silvio Dörge, Fregatte „Schleswig-Holstein“ 


Das Berufsbild des Soldaten hat sich gänzlich geändert, so auch der Grundgedanke des „Warums?“. Im aktuellen weltpolitischen Geschehen an der Seite verschiedenster Bündnispartner müssen wir sowohl in der Landes- und Bündnisverteidigung als auch in verschiedensten Auslandseinsätzen weltweit mit unterschiedlichen politischen und militärischen Vorgaben bestehen können. Dazu gehört auch ein tiefes multikulturelles Verständnis, da Kooperationen mit nichtmilitärischen, nichtstaatlichen Organisationen durchaus Tagesgeschäft sein können. Dieses Aufgabenspektrum, in dem Soldaten nicht nur kämpfen, sondern auch schützen und vermitteln müssen, ist die Würze des heutigen Berufsbilds.

In meinem Soldatsein treibt mich das Bestreben an, möglichst perfekt und jederzeit den eigenen Auftrag gemäß eigener höchster Maßstäbe zu erfüllen. Dabei ein objektiver Vorgesetzter zu bleiben, der kritisch evaluierend Aufträge an die Untergebenen weiterleitet, junge Menschen formt und fordert sowie gleichzeitig nicht vergisst, Mensch zu sein. Nur wenn dieser Multiplikatoreffekt Früchte trägt, kann weiterhin ein historisch umfassend geschulter, selbstständig denkender Soldatennachwuchs für die Zukunft aufgebaut werden.

Dem Gedanken, getötet zu werden oder töten zu müssen, sollte sich ein jeder Berufssoldat bereits sehr früh in der Laufbahn stellen. Ohne eine positiv-kritische Auseinandersetzung kann ein Soldat seinen Beruf im aktuellen und erwarteten Aufgabenspektrum nicht vollständig und professionell versehen.

Oberstleutnant Patric Wurmbach, AWACS-Pilot


Die Abwechslung und das Gebrauchtwerden sind für mich die entscheidenden Faktoren. In meinen 28 Dienstjahren hat sich in den Streitkräften viel zum Positiven verändert, allerdings sind die Herausforderungen sowohl im Einsatz als auch im Friedensbetrieb erheblich gewachsen. Das reizt mich und gleichzeitig fordert es mich heraus – ich benötige als Soldat genau diese Elemente, um selbst weiter wachsen zu können.

Unser Berufsbild ist klar skizziert und sollte auch das Fundament unserer persönlichen Berufseinstellung als Soldat sein. Man muss um die Risiken wissen, damit man professionell seinen Dienst versehen kann. Aus großer Verantwortung, gerade als Soldat im Einsatz, erwächst die Pflicht eines umsichtigen Verhaltens auch unter erschwerten Bedingungen. Dafür sind wir ausgebildet und das müssen wir unseren jungen anvertrauten Soldaten immer wieder vor Augen führen, damit die Kehrseite der Medaille präsent ist und auch zur Bildung eines sich ständig weiterentwickelnden Selbstverständnisses führt.

Mich haben als junger Soldat meine Vorgesetzten geprägt und als Vorbilder angeleitet. Das hilft mir auch heute noch, meinen persönlichen Wertekompass auszuloten. Wer mir Gradlinigkeit, Verlässlichkeit, gelebte Kameradschaft und das nachdrückliche Einstehen für seine Untergebenen zeigt, ist für mich ein Vorbild.

Hauptmann Raimund Heilig, Leiter BwFachSBetrSt