Die Militärgeschichtliche Sammlung am Zentrum Innere Führung erinnert auch an die Himmeroder Konferenz. In der Himmeroder Denkschrift wurden 1950 die Grundlagen für die spätere Bundeswehr zusammengefasst Foto: ZIinFÜ/Steinhardt

Die Militärgeschichtliche Sammlung am Zentrum Innere Führung erinnert auch an die Himmeroder Konferenz. In der Himmeroder Denkschrift wurden 1950 die Grundlagen für die spätere Bundeswehr zusammengefasst Foto: ZIinFÜ/Steinhardt

01.09.2017
Oberst Hans-Hubertus Mack

Traditionspflege: Was und wie darf gesammelt werden?

Berlin. Die museale Darstellung der deutschen Militärgeschichte ist ein wesentliches Element der historischen Bildung und der Traditionsvermittlung in der Bundeswehr. Neben dem Militärgeschichtlichen Museum mit seinen Ausstellungen in Dresden und Berlin-Gatow verfügen derzeit fast 100 Truppenteile sowie Dienststellen der Bundeswehr über militärgeschichtliche Sammlungen.

Traditionspflege und historische Bildung in der Bundeswehr liegen in der Verantwortung der truppendienstlichen Vorgesetzten, der Dienststellenleiterinnen und -leiter. Sie sind damit auch für die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen verantwortlich. Nationalsozialistische Kennzeichen dürfen nicht gezeigt werden. Ausgenommen von diesem Verbot sind Darstellungen, die der kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus dienen.

Wozu Sammlungen in der Bundeswehr?


Maßstab für das Traditionsverständnis der Bundeswehr sind das Grundgesetz und die der Bundeswehr übertragenen Aufgaben sowie Pflichten. In unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaft haben historische Ereignisse und Personen nicht für alle die gleiche Bedeutung. Tradition ist immer auch eine persönliche Entscheidung, die sich auf Grundlage weltanschaulicher Überzeugungen und individueller Werthaltungen bildet.

Dies gilt auch für die Bundeswehr mit ihrem Leitbild vom Staatsbürger in Uniform. Die Freiheit der Entscheidung in Traditionsfragen gilt innerhalb des Grund- und des Soldatengesetzes. Sowohl die politische als auch die historische Bildung tragen dazu bei, dass Soldatinnen und Soldaten Ereignisse der Zeitgeschichte sachgerecht einordnen können und sich ein eigenes Urteil bilden.

Der Museums- und Sammlungsverbund


Wie eigentlich in jedem Bereich von Ausbildung und Führung sind unterschiedliche Vorschriften für Maßnahmen der historischen Bildung verbindlich. Sie regeln die Struktur des Museums- und Sammlungswesens und benennen die für die Durchführung Verantwortlichen. So stehen folgende Vorschriften zur Verfügung:

Die Zentrale Dienstvorschrift  A-2720/1 „Museumswesen in der Bundeswehr“ bildet den Handlungsrahmen für den Museums- und Sammlungsverbund. Unter der fachlichen Leitung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) arbeiten hier das Militärhistorische Museum der Bundeswehr (MHMBw), die Koordinierungsgruppe mit den Sammlungsbeauftragten der Organisationsbereiche der Bundeswehr und die Sammlungen sowie Ausstellungen der Bundeswehr eng zusammen.

Das MHMBw hat die Aufgabe, den Soldatinnen und Soldaten wie auch zivilen Angehörigen der Bundeswehr sowie der breiten Öffentlichkeit die deutsche Militärgeschichte in ihrer Gesamtheit und mit ihren gesellschaftlichen Bezügen zu vermitteln. Als Leitmuseum entwickelt es eine einheitliche Konzeption für den Sammlungsverbund und führt die zentrale Erfassung wertvoller Kulturgüter.

Welche Sammlungen gibt es?


In der Bundeswehr gibt es drei Arten von Sammlungen und Ausstellungen. An den Schulen und  Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr existieren Lehrsammlungen. Sie dienen der berufsbezogenen militärgeschichtlichen und fachlichen Ausbildung der künftigen Offiziere und Unteroffiziere.

Militärgeschichtliche Sammlungen in Truppenteilen und Dienststellen dienen der Unterstützung der historischen Bildung sowie der Traditionspflege und konzentrieren sich in ihrer Darstellung auf die Geschichte der Dienststelle im regionalen Umfeld.

Ein neues Element sind regionale Ausstellungen, die im Rahmen der Agenda „Bundeswehr in Führung – Aktiv. Attraktiv. Anders.“ bislang in sieben Dienststellen existieren und in weiteren aufgebaut werden. Sie dokumentieren die Leistungen der Truppe, vermitteln Stolz, Wertschätzung sowie Anerkennung und dienen der Stärkung der Verbundenheit der Angehörigen mit ihren Truppenteilen und Dienststellen.

Was ist verboten, was ist erlaubt?


Mit den Ausstellungen des Sammlungsverbunds haben die Verantwortlichen ein gutes Instrument in den Händen, um Militärgeschichte erfahrbar zu machen. Die Darstellung der Wehrmacht und früherer deutscher Armeen ist in den Lehrsammlungen und militärgeschichtlichen Sammlungen erlaubt. Die entsprechenden Sammlungen sind durch das ZMSBw fachlich geprüft und durch die zuständigen Sammlungsbeauftragten der Organisationsbereiche genehmigt.

In ihnen können und sollen militärhistorische Sachverhalte kontrovers sowie von unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und erarbeitet werden. So kann die deutsche Militärgeschichte in ihren Kontinuitäten, aber besonders auch in ihren Brüchen dargestellt, diskutiert und verinnerlicht werden.Die Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr (ZDv A-2600/1, Anlage 7.3) erlauben darüber hinaus das Sammeln von Waffen, Modellen, Urkunden, Fahnen, Bildern, Orden und Ausrüstungsgegenständen. Das gilt auch für Truppenteile und Dienststellen, die keine Sammlung oder regionale Ausstellung besitzen. Es ist zulässig, ausgemusterte Erinnerungsstücke aus dem Dienst, Sockelfahrzeuge, Truppenfahnen ehemaliger Truppenteile der Bundeswehr und anderes in der Dienststelle auszustellen.

Eine Armee braucht Traditionen. Diese müssen aus der Gesamtheit der deutschen Militärgeschichte ausgewählt werden können. Eine Armee ohne Geschichte ist nicht vorstellbar, sie ist künftigen Generationen auch nicht vermittelbar. Traditionen ohne ein Narrativ generieren zu wollen, würde in Beliebigkeit einmünden. Gleichwohl: Die deutsche Vergangenheit und insbesondere das nationalsozialistische Regime bedürfen  der historischen Einordnung und der kritischen Auseinandersetzung.

Das trifft auch auf die Wehrmacht zu, die als Organisation, in ihrer Spitze und mit Soldaten an Verbrechen des Nationalsozialismus beteiligt war. Wenn also Objekte zur historischen Bildung oder aus der früheren Nutzung der Kaserne gezeigt werden, sind sie auf Erläuterungstafeln in den historischen Kontext einzuordnen.

Nicht wenige Kasernen der Bundeswehr stammen aus den 1930er Jahren und tragen noch Zeichen dieser Zeit. Diese dürfen gemäß geltender gesetzlicher Bestimmungen nicht einfach zerstört werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass für die Gebäude die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verantwortlich ist. Sie prüft auch die „Kunst am Bau“ auf Denkmalschutz, der
wiederum in der Verantwortung der Bundesländer liegt. Auch vorhandene Denkmale in Kasernen sind dahingehend zu überprüfen, ob sie noch dem in der Bundeswehr vertretenen Traditionsverständnis entsprechen.

Ansprechstelle für militärhistorischen Rat


Besondere Beachtung verdient der Umgang mit Waffen in Sammlungen und Ausstellungen. Sockelfahrzeuge und ausgestellte Waffen müssen demilitarisiert, also unbrauchbar sein. Munition darf nur gezeigt werden, wenn sie delaboriert ist. Beides muss durch die ausstellenden Truppenteile und Dienststellen nachgewiesen werden. Historische Waffen, die Kulturgut darstellen, dürfen allerdings nicht demilitarisiert werden, weil das ihren historischen Wert mindert. Sie werden vor fremden Zugriff gesichert  und funktionsuntüchtig ausgestellt.

Es gilt also, mit historischen Exponaten in Dienststellen sorgsam umzugehen. Verantwortliche sollten sich immer fragen: Was soll das Gezeigte aussagen? Bei Bedarf sollte eine Erläuterungstafel der historischen Einordnung eines Exponates dienen. Die truppendienstlichen Vorgesetzten stehen hier in der Verantwortung.

Ab sofort ist beim Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam eine Ansprechstelle für militärhistorischen Rat eingerichtet worden, bei der wichtige Informationen zu dieser Thematik eingeholt werden können.

Die Ansprechstelle unter der Leitung von Oberst Frank Hagemann soll dazu beitragen, durch fachliche Beratung ein handlungssicheres und angemessenes Vorgehen in den zuständigen Truppenteilen und Dienststellen zu ermöglichen. Dies betrifft besonders die Zeit des Nationalsozialismus und der Wehrmacht.

Weiterführende Informationen zum Thema gibt es unter www.zmsbw.de.