v.l.: Professor Sönke Neitzel, Professor Tilman Mayer, Moderator Paul Elmar Jöris, Journalist Martin Eich und Generalleutnant Klaus von Heimendahl bei der Podiumsdiskussion. Foto: DBwV/Scheurer

v.l.: Professor Sönke Neitzel, Professor Tilman Mayer, Moderator Paul Elmar Jöris, Journalist Martin Eich und Generalleutnant Klaus von Heimendahl bei der Podiumsdiskussion. Foto: DBwV/Scheurer

23.02.2018
gk

BundeswehrVerband treibt Debatte um Traditionserlass voran

Bereits im März könnte der überarbeitete Traditionserlass für die Bundeswehr verabschiedet werden. Dabei gibt es zum Thema weiterhin großen Diskussionsbedarf, wie eine Veranstaltung des Bildungswerks des Deutschen BundeswehrVerbandes jetzt gezeigt hat.

Berlin. Zahlreiche Vertreter aus Bundeswehr und Gesellschaft sind Mitte Februar der Einladung zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Eine Armee für alle Deutschen. Werte, Vorbilder und Traditionen für die Bundeswehr im 21. Jahrhundert" gefolgt. Ausgerichtet wurde sie von der Karl-Theodor-Molinari-Stiftung (KTMS), dem Bildungswerk des Deutschen BundeswehrVerbandes, in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Berlin. Neben Vorträgen stand eine Podiumsdiskussion auf dem Programm, an derem angeregten Verlauf sich auch die Gäste konstruktiv einbrachten.

Zentrales Thema der Veranstaltung war der Entwurf eines neuen Traditionserlasses für die Bundeswehr. Dazu gebe es weiterhin Gesprächsbedarf, so der DBwV-Vorsitzende Oberstleutnant André Wüstner. „Nicht alles ist in Frage zu stellen, aber die Diskussion muss geführt werden“, sagte er.

Nach den Worten von Oberst i.G. Sven Lange, Leiter des zuständigen Referats im BMVg, soll der bereits in Details überarbeitete Erlassentwurf in diesen Tagen im Verteidigungsausschuss behandelt werden. Eine Unterzeichnung im März hält er für realistisch.

Zwei Fragen im Mittelpunkt

Dass es immer noch reichlich Diskussionsbedarf zum überarbeiteten Traditionserlass gibt, zeigte einmal mehr der KTMS-Abend. Vor allem zwei Fragen prägten die Vorträge und Diskussionen: Wie genau soll mit der Zeit vor 1945 umgegangen werden – und wie mit der Geschichte der einstigen Nationalen Volksarmee?

Aus Sicht des Militärhistorikers Sönke Neitzel ist ein von oben verordnetes Traditionsverständnis oftmals zu theoretisch für die Soldaten. Die Wehrmacht sei in der Truppe immer noch ein präsentes Thema. Gerade seit dem Beginn der Auslandseinsätze sei die Suche nach Vorbildern aus Kriegen hinsichtlich von Tapferkeit aber militärischem und ethischem Verhalten spürbar. „Selbst Afghanistan, sogar das Karfreitagsgefecht trägt nicht“, wisse er aus Gesprächen mit Soldaten. Er würde im Traditionsverständnis der Bundeswehr einen Rückgriff auf die Zeit vor 1945 in beschränktem Rahmen zulassen, so Neitzel. Gleichzeitig betonte er, dass die Bundeswehr auf vieles ihrer Geschichte stolz sein und dies auch zeigen könne. Und er stellte die Frage, warum eigentlich nicht die Soldaten zu ihren Vorstellungen eines neuen Erlasses gefragt wurden.

Wie Generalleutnant Klaus von Heimendahl, Abteilungsleiter Führung Streitkräfte im BMVg, betonte, enthalte der Entwurf des neuen Traditionserlasses klare Regelungen zum Umgang mit der Wehrmacht. Während sie als Institution insgesamt nicht traditionsstiftend sein kann, gelten das für einzelne Angehörige hingegen sehr wohl. Diese müssten allerdings nicht nur frei von persönlicher Schuld sein, sondern sich auch durch eine besondere individuelle Leistung, beispielsweise im Widerstand gegen das NS-Regime, ausgezeichnet haben.

Passagen zur NVA angepasst

Zum Thema NVA sagte Heimendahl, dass ohne sie „die deutsche Einheit nicht so gut funktioniert hätte.“ Gegenüber dem ersten Entwurf des neuen Traditionserlasses seien die Passagen zur NVA entsprechend angepasst worden. Einzelne Angehörige der einstige NVA können in das Traditionsgut der Bundeswehr aufgenommen werden. In die Einzelfallbetrachtung müsse neben einer besonders vorbildlichen oder sinnstiftenden Leistung auch die Frage nach einer persönlichen Schuld eingeschlossen werden.

Ähnlich hatte sich zuvor Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, geäußert. Er bezeichnete die Übernahme von NVA-Soldaten in die Bundeswehr auf der einen Seite als „befriedentes Element in Deutschland“. Die Angehörigen der NVA verdienten zudem Dank und Respekt für ihr Verhalten während der friedlichen Revolution 1989. Gleichzeitig betonte er auf der anderen Seite die Rolle der NVA als tragende Säule des DDR-Systems. Weder habe bislang eine gesellschaftlich Debatte über Erhaltenswertes aus der NVA noch die individuelle Verantwortung von NVA-Soldaten und Offizieren stattgefunden.

Ein weiteres Thema des Abends waren die Fragen, wie sich der Wertewandel in unserer Gesellschaft auf die Armee auswirkt und welche Herausforderungen dadurch für Demokratie und Patriotismus ergeben. Darauf gab der Bonner Politologe Tilman Mayer einige klare Antworten. In einer von „Bindungsskepsis und Gleichgültigkeit geprägten Zeit“ komme den Werten einer Armee, wie zum Beispiel der Gemeinschaft, eine große Bedeutung zu. Die Bundeswehr könne und müsse die Gesellschaft in dieser Richtung beeinflussen. Dazu sei die Bundeswehr sichtbarer zu machen, es müsse in den Medien mehr über ihre Leistungen berichtet werden, sagte Mayer und forderte mehr „Anerkennung für die Leistungsträger der Sicherheit“. „Einsätze sind praktizierter Patriotismus, darüber sollte in positiver Weise gesprochen werden.“
 
Von den Teilnehmern wurde der DBwV-Abend einhellig als gute und gelungene Veranstaltung bewertet. Im Feedback wurde besonders hervorgehoben, dass sich der Deutsche BundeswehrVerband als einziger Verband von Anfang an in die aktuelle Traditionsdebatte eingebracht hat.

Wesentlich bleibt nun die Umsetzung des künftigen, neuen Traditionserlasses. „Dabei wird sich zeigen, wo die Menschen Freiraum erhalten, um den Vorgaben zur verstärkten politischen und historischen Bildung gerecht werden zu können“, erklärte Wüstner. Der DBwV und die KTMS bleiben diesbezüglich mit hochkarätigen Seminarangeboten weiterhin Partner aller, die sich für entsprechende Weiterbildung interessieren.

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