Am Ende waren sich alle Teilnehmer einig: Gut, dass der DBwV so etwas immer wieder auf die Beine stellt Foto: DBwV/Henning

Am Ende waren sich alle Teilnehmer einig: Gut, dass der DBwV so etwas immer wieder auf die Beine stellt Foto: DBwV/Henning

12.06.2018
fh

„Sicherheit ist Voraussetzung für Freiheit“

Handel, Wirtschaft, Sicherheit – da war doch was? Richtig. Als der frühere Bundespräsident Horst Köhler den Einsatz militärischer Mittel zum Schutz von Handelswegen ins Gespräch brachte, wurde er noch von vielen Seiten kritisiert. Heute steht eine ähnliche Formulierung im Weißbuch der Bundesregierung. Nicht nur daran erinnerten die Politiker, Wissenschaftler, Wirtschaftsvertreter und Spitzenmilitärs der Marine beim 17. Maritimen Kolloquium in Rostock. Der Grundtenor ihrer Analyse: Deutschland hat ein großes Interesse an freien Seewegen und muss deswegen seine Sicherheitsvorsorge stärken.

Zur vom DBwV-Bildungswerk (Karl-Theodor-Molinari-Stiftung) und dem Deutschen Maritimen Institut ausgerichteten Veranstaltung über eben jenes Thema (Handel – Wirtschaft – Sicherheit) waren rund 70 Teilnehmer bei bestem Wetter in den Saal des Rostocker Rathauses gekommen. Sie erlebten eine angeregte Diskussion, bei der Moderator Josef Braml zur Hochform auflief. Dem Politikwissenschaftler und USA-Experten von der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik gelang es mit pointierten Thesen, die Diskussion in den beiden Runden auf dem Podium zu entfachen.

„Die Trump’schen Schutzzölle sind eine Art Schutzgeld für die Pax Americana“, lautete eine dieser Aussagen. Oder: „Die, die Werte verbreitet haben, treten sie jetzt mit Füßen und damit meine ich Amerika.“ Dem überzeugten Transatlantiker bereitet die erratische und unvorhersehbare Politik des US-Präsidenten Trump sichtbar Bauchschmerzen. „Sicherheit ist eine Voraussetzung für Freiheit“, mahnte Braml weiter. Allerdings erinnerten einige Experten auch an das Zitat von Benjamin Franklin, das (verkürzt) aussagt: „Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, hat beides nicht verdient“.

Der Rückzug der Ordnungsmacht USA war jedoch nur ein Aspekt, den die Experten beleuchteten. Die Rolle der Europäischen Union war ein anderer. Schließlich erwarten viele, dass die Europäer die besagte ordnungspolitische Lücke schließen. „Die EU als sicherheitspolitischer Akteur muss noch lernen, aber sie hat den Anfang gemacht“, meinte etwa der CDU-Bundestagsabgeordnete und Obmann seiner Fraktion im Verteidigungsausschuss, Ingo Gädechens. Auch die China-Expertin Sarah Kirchberger vom Institut für Sicherheitspolitik der Kieler Universität sieht die EU in der Pflicht: „Europa ist stark. Es nutzt aber derzeit seine Möglichkeiten nicht.“ Der alte Kontinent müsse seinen Einfluss geltend machen, bevor ein Militäreinsatz notwendig sei.

Wie wichtig ein freier Seehandel für die deutsche Wirtschaft ist, machten Irina Haesler vom Deutschen Reederverband und Christian Schmoll vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik deutlich. „Unsere Schiffe verbringen nur sechs Prozent ihrer Zeit in europäischen Häfen“, sagte Haesler. Die überregionalen Sicherheitsrisiken beschäftigten die Reeder natürlich. Dazu zählten etwa die zunehmende Piraterie vor den Küsten Westafrikas, die Sanktionen gegen den Iran oder die Sorge um ein etwaiges Ende der Mission Atalanta vor Ostafrika.

„Rund 500.000 Menschen sind in der maritimen Wirtschaft beschäftigt“, ergänzte Schmoll. Auch Konteradmiral Jürgen zur Mühlen, Abteilungsleiter Einsatz im Marinekommando, unterstrich die Bedeutung von Stabilität in den Beziehungen der Staaten untereinander. „Deutschland hat ganz viel Interesse an Freiheit der Seewege und der Information.“

Und wie soll nun die notwendige Sicherheit gewährleistet werden? Keine Dauerlösung, darin waren sich alle einig, ist die Privatisierung der Sicherheitsaufgaben. Bleibt also als ultima ratio der Einsatz von Streitkräften – die dafür entsprechend ausgestattet sein müssen. Hier fand wiederum der Moderator klare Worte: „Wer sich kein Militär leistet, wird erpressbar in dieser neuen Welt, die nicht mehr an Werten orientiert ist“, sagte Braml. Deutschland tue manchmal so, als sei es eine größere Schweiz. Und das funktioniere nicht.

Damit war der Spielball im Feld der Politik. Gädechens musste eingestehen, dass man in der Regierungskoalition uneins sei, Stichwort Trendwenden: „Koalitionsstreit würde ich es nicht nennen, aber es herrschen noch Meinungsverschiedenheiten über den Verteidigungsetat“. Für seine Fraktion könne er sagen, dass man schneller vorankomme wolle als bis zur angekündigten Zielmarke von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2025.

Kapitän zur See Henning Faltin vom Marinekommando hieb in die gleiche Kerbe und erinnerte an die Inschrift auf dem amerikanischen Mahnmal für den Koreakrieg: „Freedom is not free“ – Freiheit ist nicht umsonst zu haben. Eine substantielle Erhöhung des Verteidigungshaushalts sei deswegen notwendig. Wie der Moderator betätigte sich dann Flottillenadmiral Christian Bock, Kommandeur der Einsatzflottille 1, aus dem Plenum heraus ein wenig als agent provocateur.

Er fragte unter anderem, warum die Reeder denn nicht selbst für die Sicherheit ihrer Schiffe bezahlten, wenn sie nur selten in deutschen Häfen lägen. Und ob die deutsche Marine überhaupt die ihr zugedachten Aufgaben erfüllen könne. Haesler entgegnete schlagfertig, dass die Wertschöpfung der Reedereien immer noch hierzulande generiert würde. Deswegen entstehe hier auch das Sicherheitserfordernis. Und zur Mühlen versicherte für die Seestreitkräfte, dass die Marine die Einsätze leisten könne. In Sachen Durchhaltefähigkeit sei er nicht so sicher. Dem Konteradmiral sprang Gädechens bei: „Ich habe Zweifel, ob weitreichende Aufträge auf den Weltmeeren zu erfüllen wären, aber die Politik erteilt diese Aufträge derzeit auch nicht“.

In der zweiten Runde rückte China als geopolitisches Schwergewicht in den Blickpunkt. Hier war Kirchberger als China-Expertin gefragt. „China ist in seiner Politik zunächst immer interessengeleitet“, erläuterte Kirchberger. Eine Verhärtung der Fronten auf allen Seiten nütze jedoch niemandem. Kirchberger warnte auch davor, China immer nur als den „kommenden Riesen“ auf der Weltbühne zu sehen. Es habe viele Probleme, etwa das Prosperitätsgefälle und die Umweltverschmutzung. „Chinas Resilienz ist geringer, als hier manchmal geglaubt wird. Es wendet mehr Geld auf, um Dissidenten zu unterdrücken als für sein Militär.“ Im Wettstreit der Systeme müsse sich Europa durchaus nicht verstecken.

Silja Klepp, Umweltexpertin von der Kieler Universität, machte darauf aufmerksam, dass die natürlichen Ressourcen endlich seien. Die sogenannten Commons wie Ozeane und Luft seien nicht unbegrenzt belastbar.

Zu Beginn hatte der Rostocker Oberbürgermeister Roland Methling, langjähriger Hausherr des Veranstaltungsorts, einen facettenreichen Blick in die Geschichte geworfen und am Beispiel der Hanse aufgezeigt, dass Seesicherheit und Wirtschaft schon lange untrennbar miteinander verbunden waren.

Für den BundeswehrVerband beleuchtete der Vorsitzende Marine, Fregattenkapitän Marco Thiele, das Thema aus Sicht der Marinesoldaten. Die hätten mit Blick auf die Einsätze vor allem nicht nur ein Recht auf erstklassiges Material, sondern auch darauf zu erfahren, „wohin das führen und wo es enden soll.“

Das allerletzte Wort hatte Inspekteur Vizeadmiral Andreas Krause, der das hochinteressante Seminar und den „hochdynamischen Moderator“ lobte. Er freue sich, dass im Weißbuch ein klarer Satz zum Einsatz des Militärs für die Sicherung von Handelswegen stehe. Die Nato müsse in ihren Fähigkeiten zur Landes- und Bündnisverteidigung weiter gestärkt werden. So müssten etwa die vier Ständigen Maritimen Einsatzverbände wieder ihre Aufgaben wahrnehmen können, ohne für andere Operationen verwendet werden.

Die drei Trendwenden bei Personal, Material und Finanzen müssten umgesetzt werden, forderte der Vizeadmiral unmissverständlich. Die Marine benötige etwa den Hubschrauber „Sea lion“, Fernaufklärer, weitere U-Boote und vor allem auch das Mehrzweckkampfschiff MKS 180. „Wir haben 25 Jahre abgewirtschaftet.“ Das müsse ein Ende haben, eine dauerhafte Investitionsquote von 20 Prozent des Verteidigungsetats sei notwendig. Krause räumte auch mit der „Mär“ auf, dass das Ressort sein Geld gar nicht ausgebe. „Wir haben das Geld immer ausgegeben.“ Lediglich 2017 seien 78 Millionen übriggeblieben, weil der Bundestag die Beschaffung der Heron TP nicht mehr bewilligt habe.

Die Beschaffer nahm Krause in Schutz: „Das BAAINBw hat in den vergangenen vier Jahren fünfmal so viele 25-Millionen-Vorlagen bewilligt wie im gleichen Zeitraum zuvor.“ Die Behörde habe nicht zuletzt am langjährigen Einstellungsstopp zu knabbern. Schließlich konnte Krause sich eine leise Kritik an der Industrie nicht verkneifen. Es könne nicht sein, dass ein U-Boot ein Tiefenruder brauche und es zunächst heiße, dass dies nicht nachbestellbar sei.

Fazit aller Beteiligten: eine lebhafte und facettenreiche Veranstaltung. Gut, dass der DBwV so etwas immer wieder auf die Beine stellt.

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