Brigadegeneral Thomas Reiter nahm die Tagungsteilnehmer virtuell mit in den Weltraum Foto: DBwV/Henning

Brigadegeneral Thomas Reiter nahm die Tagungsteilnehmer virtuell mit in den Weltraum Foto: DBwV/Henning

07.07.2017
fh

„Unendliche Weiten“ und ganz irdische Probleme

Zwischen Weltraum-Impressionen und handfesten Problemen in der Luftwaffe: Auf der Zielgruppentagung in Bonn widmeten sich die rund 25 Teilnehmer einem enorm großen Themenspektrum. Brigadegeneral Thomas Reiter von der ESA und Major Nicola Baumann beschrieben die Faszination des Alls. Die Vertreter aller wesentlichen Truppengattungen in der Luftwaffe sprachen aber vor allem darüber, was in der Bundeswehr funktioniert und was schiefläuft. In der aktuellen Diskussion über Vertrauen und Werte vermissen sie vor allem eins: eine verlässliche und loyale Führung.

Reiter stellte die europäische Weltraumbehörde ESA vor, die derzeit von 22 Mitgliedstaaten unterhalten wird. Neben zahlreichen anderen Geschäftsfeldern liegt das Augenmerk von ESA auf dem Betrieb der Weltraumstation ISS, auch wenn der europäische Anteil überschaubar ist. Sechs Astronauten leben derzeit regelmäßig in der Station rund 400 Kilometer über der Erde.

Einer von ihnen war Reiter, der 2006 ein halbes Jahr in der ISS verbrachte. Der Brigadegeneral führte die Teilnehmer mit einem beeindruckenden Video virtuell durch die Raumstation. Er stellte aber klar: „Der Hauptzweck des ISS-Programms ist die Forschung.“

Was Reiter geschafft hat, würde Major Nicola Baumann auch gerne erreichen. Die Eurofighter-Pilotin aus Nörvenich hatte sich in einem Auswahlverfahren der Initiative „Die Astronautin“ gegen mehr als 400 Bewerberinnen durchgesetzt. Gemeinsam mit einer Meterologin aus Bonn hat sie nun ihr Training für eine Weltraummission begonnen.

Die Chancen stehen gut, dass Nicola Baumann als erste Deutsche in die unendlichen Weiten des Weltraums fliegt – die Vorfreude ist entsprechend groß. Abgerundet wurde der Schnupperkurs in Sachen Weltall mit einem Besuch der Tagungsteilnehmer im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Doch in erster Linie ging es für Oberstleutnant i.G. Detlef Buch und Stabsfeldwebel Heiko Stotz als Vorstand Luftwaffe natürlich darum, in die Truppe hinein zu hören und herauszufinden, wo es hakt. Da Kameraden aus beinahe allen Bereichen der Teilstreitkraft teilnahmen, gab es Informationen aus erster Hand. Und die betrafen zahlreiche Baustellen.

So sind die technischen Probleme, vor allem aber die Fähigkeitslücken beim Transportflugzeug A400M noch längst nicht beseitigt. Unisono klagten die Soldaten aus den Fliegenden Verbänden über eine fahrlässig geringe Zahl an Flugstunden zur Inübunghaltung. Die Dienstzeitbelastung ist hoch und in den Spezialverwendungen gibt es kaum noch geeigneten Nachwuchs. Hier ist besonders die Flugsicherung zu nennen, die händeringend neue Leute sucht. Bisweilen stehen geeignete Ausbildungsgeräte, etwa Simulatoren, nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung.

Auch die zivilen Kollegen haben Sorgen


Es gibt jedoch auch Lichtblicke. Die Einführung des leichten Unterstützungshubschraubers H145M ist auf einem guten Weg und das Projekt des Nachfolgesystems für die CH-53 in Angriff genommen.
Dass die zivilen Kollegen ebenfalls das eine oder andere Problem zu lösen haben, verdeutlichte Uwe Kraus, stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung der fliegenden Verbände der Polizei. Hier ging es – ähnlich wie in der Militärfliegerei – um die Dienstzeitbelastung der Besatzungen. Kraus beschrieb zudem die Schwierigkeiten eines eher kleinen Verbandes, sich Gehör beim Dienstgeber zu verschaffen.

Der stellvertretende Inspekteur Luftwaffe, Generalleutnant Dieter Naskrent, öffnete schließlich den Blick fürs große Ganze. Er skizzierte die Einnahme der Luftwaffenstruktur, den notwendigen Fähigkeitsaufwuchs in der Luftwaffe und die Umsetzung der Trendwenden in der Luftwaffe. Bereitwillig stellte sich der General anschließend den Fragen der Teilnehmer und nahm einige Anliegen mit in seine Dienststelle. Als langjährigen Unterstützer des Verbandes zeichneten ihn der Vorsitzende Luftwaffe und DBwV-Vize Hauptmann Andreas Steinmetz mit der Ehrennadel aus.

Eine unerwartete Ehrung erhielt auch Buch. Die Teilnehmer und Interessenvertreter bedankten sich auf diese Weise für vier Jahre Arbeit im Sinne der Luftwaffenangehörigen - Buch wird auf der kommenden Hauptversammlung im November für ein anderes Amt im Bundesvorstand kandidieren.
Buch und Stotz erläuterten zudem, was derzeit auf der Agenda des Vorstands Luftwaffe steht. Ein Augenmerk liegt in der Wahlkampfzeit darauf, die Parteien für die Belange der Bundeswehr zu sensibilisieren. Bürgerversicherung, bewaffnungsfähige Drohnen oder gar die Wiedereinführung der Wehrpflicht sind etwa markante Streitpunkte zwischen den Parteien, mahnte Buch.

Das interessanteste Vorhaben sei jedoch die Erarbeitung eines weiteren Artikelgesetzes, das möglicherweise große Verbesserungen für die Bundeswehrangehörigen bringe. Der Blick in die Zukunft zeige zudem, dass es weiterhin an kontroversen Themen für die Luftwaffe nicht mangele: Die Auflösung des Ausbildungszentrums in Holloman, die Neuordnung der Laufbahnen, die Einführung neuer Waffensysteme, ungelöste Probleme rund um die Soldatenarbeitszeitverordnung, die Wahlen zu den Beteiligungsgremien, darunter zu den neu eingerichteten Vertrauenspersonenausschüssen -  für den TSK-Vorstand werde es auch künftig genügend zu tun geben.

Zu Beginn der Veranstaltung hatte DBwV-Vize Oberstabsfeldwebel Jürgen Görlich kurz die Themen genannt, die den Verband derzeit ganz allgemein bewegen. Ganz oben auf dieser Liste steht naturgemäß die Kontroverse mit dem Ministerium über den angemessenen Umgang mit den Ereignissen von Pfullendorf und anderen vermeintlichen oder tatsächlichen Affären in der Bundeswehr. Görlich unterstrich noch einmal, dass die undifferenzierte Pauschalkritik der Ministerin und der Umgang mit den beteiligten Soldaten für die Interessenvertretung nicht hinnehmbar gewesen seien.

Wie sehr das Thema die Truppe aufwühlt, zeigte sich dann in der emotionalen Diskussion über die Haltung des Ministeriums. Die Teilnehmer vermissten vor allem eine klare Führung und eine transparente Fehlerkultur auf der ministeriellen Ebene. Eines wurde deutlich: Es ist viel Vertrauen verloren gegangen.

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