Gastgeber und Gesprächspartner der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): StoKa-Vorsitzender Hauptmann Steffen Klar, Brigadegeneral Thomas Hambach, Prof. Dr. Merith Niehus (Präsidentin der UniBw München), Wehrbeauftragter Dr. Hans-Peter Bartels, Prof. Dr. Ursula Münch, Oberstleutnant a.D. Thomas Sohst (DBwV – Landesverband West), Prof. Dr. Carlo Masala, Bayerischer Staatsminister Joachim Herrmann (MdL). Foto: DBwV/Ingo Kaminsky

Gastgeber und Gesprächspartner der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): StoKa-Vorsitzender Hauptmann Steffen Klar, Brigadegeneral Thomas Hambach, Prof. Dr. Merith Niehus (Präsidentin der UniBw München), Wehrbeauftragter Dr. Hans-Peter Bartels, Prof. Dr. Ursula Münch, Oberstleutnant a.D. Thomas Sohst (DBwV – Landesverband West), Prof. Dr. Carlo Masala, Bayerischer Staatsminister Joachim Herrmann (MdL). Foto: DBwV/Ingo Kaminsky

21.02.2020
ik

Neubiberg: Podiumsdiskussion - Wie viel EU(-Bürger) verträgt die Bundeswehr?

„EU-Bürger in die Bundeswehr“ oder „Regierung will Bundeswehr für Ausländer öffnen“ lauteten einige Schlagzeilen in den vergangenen Monaten. Die Emotionen kochten hoch: Schnell wurde in manchen Berichten vor einer Söldnerarmee oder einer deutschen Fremdenlegion gewarnt. Zeit, mit den damit befassten Politikern und Wissenschaftlern sowie betroffenen Soldaten und deren Interessenvertretung zu diskutieren und Positionen auszutauschen.

Mehr als 200 aktive und ehemalige Soldaten aus Münchner Truppenteilen sowie Studenten der Universität der Bundeswehr in Neubiberg (UniBw), Vertreter der Bayerischen Staatsregierung, der Staatlichen Feuerwehrschule und andere Interessierte verfolgten die lebhafte Diskussion auf dem Podium, souverän moderiert von Professorin Dr. Ursula Münch, Direktorin an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.

In seinem einführenden Vortrag stellte Politikwissenschaftler Professor Dr. Carlo Masala von der UniBw die These auf, dass bei einer angestrebten Stärke der Bundeswehr von 200.000 Soldaten im Jahr 2024 unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung eine Öffnung der Bundeswehr für nichtdeutsche EU-Bürger unumgänglich sei. In anderen Ländern der EU sei dies zudem bereits Praxis. Mit Blick auf die gegenwärtige Entwicklung in den Streitkräften europäischer Staaten sei mit zunehmender multinationaler Zusammenarbeit in Einsätzen und der Schaffung gemeinsamer Kommandostrukturen bereits jetzt eine Europäisierung der Bundeswehr festzustellen.

Das Argument der Gegner einer Öffnung der Bundeswehr für nichtdeutsche EU-Bürger, die Bundeswehr werde so zu einer Art „Fremdenlegion“, sei aus Sicht von Masala vorgeschoben. Ihnen gehe es um die Identität der Bundeswehr als letzte, rein deutsche Bastion. Deutsche Interessen und die freiheitlich demokratische Grundordnung seien nach deren Ansicht durch deutsche Soldaten zu verteidigen. Masala schloss seinen Vortrag mit der Befürchtung, dass mit der Öffnung der Bundeswehr für Nichtdeutsche die Bewerberzahlen – so auch Erfahrungen anderer europäischer Länder - nicht signifikant steigen werden, wenn dafür nicht kreativere Modelle mit attraktiven Angeboten gefunden werden. Zudem bemängelte er, dass die Politik sich aktuell mit diesem Thema nicht befasse und so aktuell keine Entscheidungen zu erwarten seien.

Lebhafte Diskussion

Die These und die Argumente von Masala stießen in Teilen auf Widerspruch bei den Gesprächsteilnehmern auf dem Podium und auch im Plenum. Es entwickelte sich eine lebhafte, äußerst interessante Diskussion, in der Argumente der politisch Verantwortlichen mit denen des Wissenschaftlers, der Soldaten und des DBwV aufeinanderprallten.

So machte der Bayerische Staatsminister Joachim Herrmann (MdL) mit seinem Vergleich zur Praxis in der bayerischen Polizei klar, dass im geringen Umfang nichtdeutsche EU-Bürger bereits heute in der Polizei Dienst leisten. Grundsatz für ihn sei jedoch: „Wer in unserer Armee dienen will, sollte auch deutscher Staatsbürger sein.“ Der Deutsche Bundestag beschließe letztendlich den Einsatz der Bundeswehr und entsende deutsche Soldaten in Einsätze, damit auch auf rechtliche Probleme aufmerksam machend.

Der Wehrbeauftragte Dr. Hans-Peter Bartels stellte – gefragt nach seiner Einschätzung zur Attraktivität der Bundeswehr – fest: „Es ist von allem zu wenig da. Die Geduld der Truppe geht zu Ende!“. Was nach all den richtigen Analysen und eingeleiteten Trendwenden fehle, sei ein Sofortprogramm, damit die Truppe Verbesserungen zumindest bei der Ausrüstung jetzt merke. Geld sei dafür genügend vorhanden. Er bemerkte jedoch auch, dass die Bundeswehr mit dem Prinzip der Inneren Führung im Umgang mit ihren Soldaten durchaus für den Dienst anderer EU-Bürger attraktiv sei.

Der Kommandeur des Landeskommandos Bayern, Brigadegeneral Thomas Hambach, sieht den Aufwuchs der Bundeswehr nach Zahlen optimistischer, wenngleich er mit seinen Argumenten den Wissenschaftler Masala nicht überzeugte. Hambach bekräftigte, dass die Bundeswehr trotz bestehender Defizite und Mängel dennoch ein attraktiver Arbeitgeber sei. Für dienstwillige EU-Bürger sei die Bundeswehr im Vergleich zu anderen europäischen Armeen u.a. auch attraktiv wegen dem Umgang mit den Soldaten, den Mitbestimmungsrechten und eines Wehrbeauftragten. Angesichts der gegenwärtigen Personalentwicklung und der bereits bestehenden Möglichkeiten für EU-Bürger, Dienst in der Bundeswehr leisten zu können, stelle sich die Frage im BMVg aktuell nach einer stärkeren Öffnung aktuell nicht.

„Die deutsche Staatsbürgerschaft ist die Grundlage für den Dienst in der Bundeswehr“, vertrat Oberstleutnant a.D. Thomas Sohst die Position des DBwV. Ausnahmen in engen Grenzen gäbe es bereits jetzt. Das Erreichen der geplanten Personalstärke der Bundeswehr sei aus seiner Sicht nicht von der Öffnung der Bundeswehr für EU-Bürger abhängig. Bewerberzahlen seien vielmehr davon abhängig, ob die Bundeswehr als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werde. Dies zu verbessern bedeute aber auch, die Bundeswehr in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen und sich mit Sicherheitspolitik in der Gesellschaft und in der Politik auseinanderzusetzen. Sohst merkte an, dass gerade mit Blick auf die zunehmende Europäisierung der Bundeswehr und die Entwicklung hin zu europäischen Streitkräften in den kommenden 10 bis 15 Jahren auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa beim Dienstrecht, angepasst werden müssten.

Moderatorin Ursula Münch stellte nach zweieinhalb Stunden Podiumsdiskussion und vielen Fragen aus dem Plenum fest, dass trotz der unterschiedlichen Positionen Optimismus für die weitere Entwicklungen der Bundeswehr vorherrsche, wenngleich eine abschließende Antwort auf die Ausgangsfrage in der Podiumsdiskussion nicht gegeben werden konnte.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick