27.05.2016

Gesamtpaket stimmt – Trendwende auch beim Zivilpersonal

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

der Rauch der Wahlkampfschlacht ist verzogen, die Sicht ist nun wieder klar, man kommt wieder zu seinem Arbeitsplatz, ohne durch ein Dickicht an Plakaten zu laufen. Der höchste Souverän, die Wählerinnen und Wähler, hat gesprochen und den Personalvertretungen neue Zusammensetzungen beschert. Da die Ergebnisse zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Zeilen noch nicht alle komplett vorlagen, möchte ich auf eine Kommentierung zu den zurückliegenden Personalratswahlen aus ziviler verbandlicher Sicht auf die nächste Magazinausgabe verweisen.

Es gab und gibt noch andere herausragende Themen der letzten Wochen. Da wäre zunächst das Ergebnis der diesjährigen Tarifrunde im öffentlichen Dienst beim Bund und den Kommunen zu erwähnen. Nach der intensiven dritten Verhandlungsrunde einigten sich die Verhandlungspartner am späten Abend des 29. April in Potsdam. Vorangegangen waren die Wochen mit der bekannten Dramaturgie, der üblichen Rhetorik und den Muskelspielen, obwohl alle Seiten sich versprochen hatten, es diesmal anders, konstruktiver und kürzer zu machen. Wenn jedoch wie immer von der einen Seite erst kein Angebot vorgelegt wird und dann ein unzureichendes, dann bleibt der anderen Seite nichts anderes übrig, als auf die befürchteten jedoch bewährten Spielweisen zurückzugreifen. Die zu behandelnden großen Themenkomplexe ließen jedoch bereits im Vorfeld nicht einfache Verhandlungen erahnen.

Betrachten wir zunächst die erzielte Entgelterhöhung und sezieren das angebliche Plus in Höhe von 4,75 Prozent. Nehmen wir die Fakten, dann sind es zunächst ein Plus von 2,4 Prozent rückwirkend zum 1. März 2016 für elf Monate und anschließend ab 1. Februar 2017 eine weitere Entgelterhöhung in Höhe von 2,35 Prozent für 13 Monate. Die zweite Erhöhung basierend auf das bis zum Februar 2016 geltende Entgelt macht dann sogar eine Erhöhung von 4,81 Prozent aus. Auf die 24 Monate Laufzeit betrachtet beträgt das Lohnplus gegenüber Februar 2016 tatsächlich durchschnittlich nur noch 3,7 Prozent. Gemessen an der Gewerkschaftsforderung von 6 Prozent ist der Einkommenszuwachs von durchschnittlich 3,7 Prozent – im Besoldungsbereich nach Abzug von zweimal 0,2 Prozent für die Versorgungsrücklage dann 3,3 Prozent – eher als bescheiden zu bewerten. Jedoch tut man mit einer Betrachtung ausschließlich des Lohnzuwachses den Gewerkschaften unrecht. Man muss in der Tat das Gesamtpaket betrachten - sowohl hinsichtlich der Forderung von 6 Prozent als auch das Ergebnis. Denn neben der Erhöhung der Entgelte standen unter anderem zwei große Themenkomplexe auf dem Verhandlungstisch: die betriebliche Altersvorsorge und die Entgeltordnung für den kommunalen Bereich.

Bei der betrieblichen Altersvorsorge konnten Leistungseinschnitte, die auch die heutigen Leistungsempfänger getroffen hätten, vermieden werden. Die hierfür notwendigen Beitragserhöhungen erfolgen paritätisch, das war vor Verhandlungsbeginn alles andere als selbstverständlich. Nach den Ländern 2006 und dem Bund 2014 wird nun endlich im kommunalen Bereich ab 2017 die Entgeltordnung eingeführt. Über elf Jahre nach Einführung des TVöD und sage und schreibe über 14 Jahre Verhandlungen erhält nun der letzte große Bereich im öffentlichen Dienst ein Regelwerk für die Eingruppierung der Tarifbeschäftigten. Wie auch bei den Ländern und insbesondere beim Bund wird ein Teil der Beschäftigten von der Entgeltordnung durch Höhergruppierungen profitieren. Das kostet natürlich Geld und drückt das Ergebnis für Entgeltsteigerungen mit Auswirkungen auf die Bundesbeschäftigten.

Zwei Gewerkschaftsforderungen konnten leider nicht erfüllt werden. Die Arbeitgeber waren nicht bereit, den Ausschluss sachgrundloser Befristungen und die unbefristete Übernahme von Auszubildenden tarifvertraglich zu vereinbaren. Für eine Attraktivitätssteigerung im öffentlichen Dienst ist dieses Verhalten absolut kontraproduktiv.

Dagegen konnte beim Bund doch ein Ergebnis in Richtung Steigerung der Attraktivität erreicht werden. Für die Entgeltgruppen von 9a/9b bis 15 wird nun wie im kommunalen Bereich die Stufe 6 rückwirkend ab März 2016 eingeführt. Für Beschäftigte in diesen Entgeltgruppen, die sich bereits seit mindestens fünf Jahren in der Stufe 5 befinden oder eine sogenannte individuelle Endstufe haben, bedeutet der Wechsel in die Stufe 6 unter Umständen einen erheblichen Lohnzuwachs.

Unterm Strich ist festzuhalten: Das Ergebnis muss als Gesamtpaket betrachtet und bewertet werden. Dies gilt auch für die hohe Gewerkschaftsforderung von 6 Prozent. In Anbetracht der verschiedenen großen Themenkomplexe musste Verhandlungsmasse geschaffen werden, um bei den Paketen Entgelterhöhung, betriebliche Altersvorsorge, Entgeltordnung für die Kommunen und bei anderen strukturellen Themen zu befriedigenden bis guten Ergebnissen zu kommen. Unter Berücksichtigung dieser Einordnung ist je nach Sichtweise oder Betroffenheit ein befriedigendes bis teilweise sehr gutes Ergebnis zustande gekommen. Begrüßenswert ist die klare Ankündigung des BMI, das Ergebnis inhalts- und zeitgleich für den Besoldungs- und Versorgungsbereich übernehmen zu wollen. Wobei inhaltsgleich nur die Übertragung für die Erhöhung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge abzüglich jeweils 0,2 Prozent gemeint sein kann. Hier mag das Ergebnis dann als weniger gut zu bewerten sein, es war jedoch angesichts der zu verhandelnden Themenkomplexe im Tarifbereich nicht unerwartet. Unter der Voraussetzung, dass sich die Inflationsrate in den nächsten zwei Jahren nicht wesentlich ändert, kann man auch im Besoldungs- und Versorgungsbereich mit einem realen Einkommenszuwachs rechnen.

Ein weiteres Topthema ist die Trendwende Personal. Nach über 25 Jahren Personalabbau soll in den nächsten sieben Jahren neben 14.300 Soldatinnen und Soldaten nun auch der zivile Bereich um 4.400 Haushaltsstellen verstärkt werden. Ausgehend von der ursprünglich für Ende 2017 geplanten Zielgröße von 56.000 würde zukünftig der Umfang dann bei über 60.400 Zivilbeschäftigten liegen. Betrachtet man auf der Grundlage der ursprünglichen Zielgröße den tatsächlich noch existierenden Überhang des Zivilpersonals, der ausschließlich bei den Tarifbeschäftigten liegt, dann wäre er quantitativ mit der Aufstockung des zivilen Personalumfangs mit einem Schlag so gut wie abgebaut.

Diese Trendwende in der Personalpolitik im Allgemeinen und beim Zivilpersonal im Besonderen ist außerordentlich zu begrüßen. Allerdings wird man bei näherer Betrachtung sehr schnell feststellen müssen, dass die strukturellen Probleme nicht mit einem Schlag gelöst sind. Denn qualitativ ist mit der Aufstockung von Haushaltsstellen für zivile Beschäftigte noch lange nicht der Bedarf an Fachkräften im IT- und technischen Bereich sowie in der Rüstung gedeckt, sodass wir auch weiterhin mit qualitativen Überhängen leben müssen. Der Personalumbau im zivilen Bereich wird sich somit nicht verringern, im Gegenteil eher verstärken. Es wird weiterhin Personal abgebaut werden müssen, das nicht die qualitativen Voraussetzungen zur Deckung des Personalbedarfs hat und aufgrund ihrer Altersstruktur auch nicht mehr durch Qualifizierungen entsprechend fit gemacht werden kann. Der im TV UmBw vorgesehene Instrumentenkasten für die betroffenen Tarifbeschäftigten wird somit auch nach 2017 weiterhin notwendig sein. Andererseits muss der Bedarf sowohl durch Personalgewinnung als auch durch Qualifizierung von hierfür geeignetem Bestandspersonal gedeckt werden. Und somit sind wir wieder sofort bei dem Thema der notwendigen Attraktivitätssteigerung. Hierzu haben wir mit dem Forderungspapier zur Attraktivitätssteigerung des Zivilpersonals, mit der Offensive „Schlagkräftige Bundeswehr 2020“ (BW2020) und nun mit der BW2020plus hinreichend Vorschläge gemacht und Forderungen aufgestellt, die bisher in Teilen umgesetzt worden sind.

Als letztes herausragendes Thema ist die Aufstellung des neuen Organisationsbereichs Cyber- und Informationsraum (CIR) zu erwähnen. Im vierten Quartal 2016 soll im BMVg die neue Abteilung Cyber/IT (CIT) eingerichtet werden bevor dann im zweiten Quartal 2017 die Aufstellung des Kommandos Cyber- und Informationsraum (KdoCIR) als sechster militärischer Organisationsbereich beginnt. Zwar werden zwei Fähigkeitkommandos und weitere Dienststellen der SKB sowie mit dem IT-ZentrumBw eine Dienststelle aus dem Zuständigkeitsbereich des BAAINBw dem neuen KdoCIR unterstellt, begrüßenswert ist jedoch der Verbleib der Dienststellen an ihren Standorten. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass aufgrund der Aufstellung der Abteilung CIT im BMVg und des KdoCIR der eine oder andere Mitarbeiter doch seinen Standort wird wechseln müssen.

Frühestens im vierten Quartal 2017 stehen wieder Personalratswahlen an – und damit schließt sich der Kreis meines Leitartikels in diesem Monat. Sowohl der örtliche als auch der Bezirkspersonalrat beim neu aufgestellten KdoCIR wird dann zu wählen sein. Mit Folgen für die soeben erst frisch gewählten Bezirkspersonalräte beim Kommando SKB und beim BAAINBw. Besonders der BPR beim KdoSKB wird viele Mitglieder aufgrund des Wechsels in den neuen Organisationsbereich verlieren und die Durchhaltefähigkeit vieler Listen erheblich schwächen.


Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Klaus-Hermann Scharf
Vorsitzender Fachbereich Zivile Beschäftigte