14.08.2022
dpa

Polen plant Einschränkungen bei Visa-Vergabe für Russen

Warschau. Nach dem Vorbild von Estland und Lettland erwägt nun auch Polen, die Regeln für die Visa-Vergabe für russische Staatsbürger einzuschränken. «Polen arbeitet an der Entwicklung eines Konzepts, das es ermöglicht, keine Visa für Russen zu erteilen», sagte Vize-Außenminister Piotr Wawrzyk am Sonntag der Nachrichtenagentur PAP. Die Entscheidung darüber werde in den kommenden Wochen fallen.

Der Vize-Außenminister sagte weiter, sein Land sei dafür, dass die EU wegen des Ukraine-Kriegs weitere Sanktionen gegen Russland verhänge. Dazu zähle auch die Aussetzung des Vertrags über die erleichterte Visa-Vergabe für russische Staatsbürger. «Dem widersetzen sich aber die großen Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, Frankreich und die Niederlande.» Polen spreche derzeit mit anderen Mitgliedsländern und habe festgestellt, dass außer den drei Baltenstaaten Litauen, Lettland und Estland auch die Slowakei und Tschechien seine Auffassung teilen würden.

Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, hatte im Streit über die Reisemöglichkeiten für Russen in der EU seine Forderung nach einem Reisebann am Freitag bekräftigt. «Es muss gewährleistet sein, dass russische Mörder und Helfer des Staatsterrors nicht Schengen-Visa nutzen», sagte er am Freitagabend in Kiew.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hatte in dem Zusammenhang Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für dessen Weigerung kritisiert, die Visavergabe an Russen einzustellen. «Russische Bürger kämpfen in der Ukraine, quälen und töten friedliche Ukrainer und Kinder, zerstören unsere Städte und Dörfer», schrieb Klitschko in sozialen Netzwerken. Die russischen Bürger würden in ihrer Mehrzahl die «Politik Putins und seine blutigen imperialen Ambitionen» unterstützen, begründete Klitschko zudem seine Forderung nach einem Stopp der Visavergabe.

Bundeskanzler Scholz hatte einem grundsätzlichen Verbot von Touristenvisa am Donnerstag eine Absage erteilt. «Das ist Putins Krieg, und deshalb tue ich mich mit diesem Gedanken sehr schwer», sagte er in Berlin. Scholz verwies auf die «sehr weitreichenden Sanktionen» gegen Russland wegen des Kriegs gegen die Ukraine. Es würde nach Einschätzung von Scholz die Wirksamkeit der Sanktionen abschwächen, «wenn es sich gegen alle richtete, auch gegen Unschuldige».

Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte am Donnerstag, dass ein grundsätzliches Verbot von Touristenvisa nach geltendem Recht gar nicht möglich sei. Jeder Antrag müsse einzeln geprüft werden, sagte sie. Die Sprecherin der EU-Kommission wies zudem darauf hin, dass die EU-Staaten nicht gegen internationales Recht verstoßen dürften. Einige Personen hätten etwa aus humanitären Gründen Anspruch auf ein Visum oder deshalb, weil sie Familienangehörige, Journalisten oder Dissidenten seien.

Estland hatte in der vergangenen Woche beschlossen, dass russische Staatsbürger vom 18. August an nicht mehr mit einem von Estland ausgestellten Schengen-Visum einreisen dürfen. Ausgenommen von der Regelung sind Russen, deren Heimatland Estland ist oder die ihren ständigen Wohnsitz dort haben. Daneben gelten weitere Ausnahmen, etwa für Verwandtschaftsbesuche. Weiter einreisen dürfen auch russische Bürger mit von anderen EU-Mitgliedern ausgestellten Visa.

Lettland hat die Ausstellung von Visa für Russen auf unbestimmte Zeit weiter eingeschränkt. Die lettische Botschaft in Moskau nimmt nur noch Visa-Anträge von russischen Staatsbürgern entgegen, die an der Beerdigung eines nahen Verwandten in Lettland teilnehmen möchten.