15.08.2023
dpa

UN: Mehr als 26 000 Zivilisten im Ukraine-Krieg getötet oder verletzt

Wieder Luftalarm über der ganzen Ukraine, wieder Raketen weit im Westen des Landes - und wieder Tote und Verletzte. Seit der russischen Invasion vor fast eineinhalb Jahren sind es Abertausende.

Kiew. Russische Luftangriffe auf die Westukraine haben nach offiziellen Angaben mindestens drei Menschen in den Tod gerissen und viele weitere verletzt. Die Attacken trafen in der Nacht zum Dienstag die Städte Luzk und Lwiw unweit der polnischen Grenze, wie ukrainische Behörden mitteilten. Seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 dokumentierten UN-Experten insgesamt 26 384 zivile Opfer in der Ukraine, darunter 9444 Tote und 16 940 Verletzte. Die Bilanz könne wegen fehlender Informationen aber nicht vollständig sein, erklärte das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Genf.

In der Nacht zum Dienstag herrschte über der gesamten Ukraine Luftalarm. Das russische Verteidigungsministerium bestätigte Raketenangriffe. Diese hätten vor allem «Schlüsselbetrieben der Rüstungsindustrie» in der Ukraine gegolten. Alle vorgegebenen Ziele seien zerstört worden, hieß es ohne nähere Belege.

Dutzende Marschflugkörper

Die ukrainische Luftwaffe teilte mit, 24 Marschflugkörper verschiedener Typen seien von russischen Kampfbombern über dem Kaspischen Meer abgefeuert worden. Außerdem habe eine russische Fregatte auf dem Schwarzen Meer vier Marschflugkörper vom Typ Kalibr abgefeuert. Die ukrainische Flugabwehr habe 16 dieser Geschosse abgefangen.

In der westukrainischen Stadt Luzk meldete die Gebietsverwaltung mindestens drei Tote. Mehrere Verletzte seien in Krankenhäuser gebracht worden. Bei Angriffen auf Lwiw seien 15 Menschen verletzt worden, teilte Gebietsgouverneur Maxym Kosyzkyj mit. 40 Gebäude seien beschädigt worden. Die betroffenen Gebiete der Westukraine grenzen an Polen und damit an Nato und die Europäische Union.

Einschläge russischer Raketen wurden auch aus den Großstädten Dnipro und Saporischschja sowie aus Kramatorsk gemeldet, die näher an der Front im Osten und Süden der Ukraine liegen. Die militärischen Angaben sind meist nicht unabhängig überprüfbar. In Kramatorsk kam nach Angaben der Staatsanwaltschaft mindestens ein Mann ums Leben.

Lindner will schnelle Entscheidung über Taurus

Die Ukraine versucht seit dem Frühsommer, besetzte Gebiete zurück zu erobern. Die Gegenoffensive kommt aber nur langsam voran. Präsident Wolodymyr Selenskyj besuchte am Montag die Front nördlich der russisch besetzten Stadt Bachmut im Gebiet Donezk und verlieh Auszeichnungen an Soldaten. Nach offiziellen Angaben haben ukrainische Einheiten südlich von Bachmut in der vergangenen Woche drei Quadratkilometer Land zurückerobert.

Deutschland und andere Nato-Staaten versorgen die Ukraine mit Waffen und Munition, doch aus Sicht der Ukraine fehlt viel. Die USA kündigten weitere Militärhilfe für 200 Millionen US-Dollar (183 Millionen Euro) an. Das neue Paket umfasse unter anderem Munition für das Luftabwehrsystem Patriot, für die Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars, Panzerabwehrraketen vom Typ Javelin und Ersatzteile. Zudem werde Artilleriemunition und Gerät zur Minenräumung aus Beständen des US-Militärs geliefert. Die USA haben nach Regierungsangaben seit Februar 2022 insgesamt Militärhilfe für 43 Milliarden Dollar geleistet oder zugesagt.

Von Deutschland forderte die ukrainische Regierung zuletzt die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reagierte - wie schon zuvor - zurückhaltend. Bundesfinanzminister Christian Lindner äußerte sich hingegen wohlwollend über eine mögliche Abgabe des Waffensystems und regte eine baldige Entscheidung an.

Putin mit neuen Verbalattacken gegen den Westen

Russlands Präsident Wladimir Putin nutzte eine Sicherheitskonferenz in Moskau zu weiteren Verbalattacken gegen den Westen, dem er «neokoloniales Verhalten» vorwarf. Putin sprach von anonymen Hintermännern, die Völker gegeneinander ausspielten und Staaten zum Vasallengehorsam zwängen. Der Kremlchef wirft dem Westen seit langem eine Verschwörung gegen alles Russische vor.

Unter Druck ist in Russland derzeit unter anderem die Währung. Die russische Notenbank reagierte auf die starke Abwertung des Rubel mit einer Erhöhung des Leitzinses von 8,5 auf 12,0 Prozent. Ziel sei, die Risiken für die Preisstabilität zu begrenzen, teilte die Notenbank mit. Nach der Zinserhöhung erholte sich der Kurs des Rubel leicht. Am Vormittag gab es für einen Dollar knapp 98 Rubel. Am Vortag waren es 102 Rubel.

Russischer Kampfjet in südlicher Region Krasnodar abgestürzt

In der südrussischen Region Krasnodar stürzte offiziellen Angaben zufolge ein Kampfjet aus ungeklärter Ursache beim Landeanflug ab. Dabei sei ein Insasse ums Leben gekommen, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau. Aus Krasnodar starten russische Kampfflugzeuge immer wieder auch ihre Angriffe auf die Ukraine.

Polen beging vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs den diesjährigen «Tag der Armee» mit einer großen Militärparade in Warschau mit 2000 Soldaten und 200 Einheiten Militärtechnik. Knapp hundert Flugzeuge und Hubschrauber flogen in einer Flugshow über die Stadt. Das EU- und Nato-Land Polen unterstützt die Ukraine intensiv, rüstet aber auch selbst massiv gegen eine befürchtete Bedrohung durch Russland auf.