Ob Munition, Panzer, Funkgeräte oder Flugzeuge: Der Bundeswehr fehlt es nahezu an allem. Foto: Bundeswehr/Jana Neumann

Ob Munition, Panzer, Funkgeräte oder Flugzeuge: Der Bundeswehr fehlt es nahezu an allem. Foto: Bundeswehr/Jana Neumann

12.03.2024
DBwV

Vor Wehrhaftigkeit kommt Wahrhaftigkeit: Die Dringlichkeit wurde (immer noch) nicht erkannt!

DBwV zum Bericht der Wehrbeauftragen

Wir erinnern uns alle noch sehr gut: Anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz erinnerte Verteidigungsminister Boris Pistorius einmal mehr daran, dass jetzt nicht die Zeit sei, die Dinge schönzureden. Das ist ohnehin selten eine Lösung für akute Probleme, angesichts der aktuellen Lage gilt es mehr denn je: Da ist die Bedrohung durch Wladimir Putin, die dramatische Schwäche der europäischen Sicherheitsarchitektur und natürlich die mangelhafte Einsatzbereitschaftslage der Bundeswehr. Letztere wird uns alljährlich mit Nachdruck im Jahresbericht der Wehrbeauftragten vor Augen geführt.

Im vergangenen Jahr erklärte Eva Högl, der Truppe fehle es nahezu an allem. In ihrem neuen Bericht lesen wir jetzt: Leider hat sich die Lage nicht maßgeblich verbessert. Das anzusprechen, den Finger immer wieder in die Wunde zu legen, ist für uns als Berufsverband elementar. Unser Credo bleibt: Vor der Wehrhaftigkeit kommt die Wahrhaftigkeit. Putin schreckt weder vor schwachen Europäern noch vor vom Parlament gebilligten Beschaffungsvorhaben zurück. Es ist einzig Stärke, die ihn beeindruckt. Stärke in Form von sichtbaren militärischen Fähigkeiten. Sie allein sorgt für Abschreckung und dient als Grundlage für den Dialog. 

Daraus folgt:

Wir müssen mehr und schneller rüsten. Minister Pistorius und der Generalinspekteur haben erklärt, wir haben fünf Jahre Zeit, um kriegstüchtig zu werden. Aktuell ist aber keine einzige Brigade der Kampftruppen voll einsatz- und durchhaltefähig. Daher müssen jetzt alle Haushaltsmittel in die Beschaffungsvorhaben der nächsten fünf Jahre fließen. Abwarten und endlose Prüfschleifen ziehen ist nicht akzeptabel!

Es ist höchste Zeit für die Bundesregierung, endlich die Rüstungsindustrie als Teil unserer Sicherheitsvorsorge zu begreifen und entsprechend anzusteuern. Zwei Jahre nach der Zeitenwende-Rede des Bundeskanzlers müssen endlich die Produktionskapazitäten ausgebaut werden. Ein medienwirksamer erster Spatenstich für eine Munitionsfabrik kann nur der Anfang sein. Denn was hilft es, wenn wir zwar mehr Munition haben, aber keine Haubitzen, um sie zu verschießen. Wir brauchen jeden Monat einen ersten Spatenstich – in allen Kategorien.

Die Streitkräfte befänden sich in einer prekären Situation, sagte der Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner in den Tagesthemen (ab Minute 09:25).

Politik muss der ganzen Komplexität der Lage Rechnung tragen: Russland bedroht nicht nur die Ukraine, sondern den Frieden in Europa und unser aller Freiheit. Die USA könnten zeitnah ihr Engagement in Europa reduzieren. Gleichzeitig sind bereits heute rund 80 Prozent des Sondervermögens gebunden, ohne dass wir der Einhaltung unserer NATO-Zusagen nennenswert nähergekommen sind. Das bedeutet: Vom nächsten Jahr an muss der Verteidigungshalshalt zwingend steigen. Tut er das nicht, werden unsere Partner weiter Vertrauen in Deutschland verlieren, die Rüstungsindustrie wird den Ankündigungen der Politik noch weniger trauen – und die Bundeswehr wird sicher nicht die volle Einsatzbereitschaft erlangen. Die Folgen für unsere Sicherheit wären verheerend! Jeder Politiker dieses Landes, ganz gleich welcher Fachrichtung, muss in Zukunft zugleich Verteidigungspolitiker sein, wenn es um den Schutz kritischer und verteidigungsrelevanter Infrastruktur oder einer hoffentlich bald wieder schlagkräftigen Bundeswehr geht.

Wer den Jahresbericht der Wehrbeauftragten wirklich verstehen will, der muss erkennen, dass sämtliche Defizite in den unterschiedlichen Bereichen ineinandergreifen und kumulieren. Im Ergebnis wirken sie nicht nur negativ auf die Einsatzbereitschaft, sondern auch auf die Personalgewinnung und -bindung. Wie sollen Soldatinnen, Soldaten und Zivilbeschäftigte ihre Motivation aufrechterhalten, wenn sie sehen, dass aller Bedrohung zum Trotz keine Besserung in Sicht ist? Hier droht der Kipp-Punkt. Deshalb muss die Bundesregierung jetzt handeln. Der Verteidigungsetat muss steigen, Beschaffungsvorhaben müssen priorisiert, die Infrastruktursituation – Stichwort: Unterkünfte! - muss verbessert werden. Parallel dazu muss die Resilienz der Gesellschaft gesteigert werden und beispielsweise das Thema Sicherheitsvorsorge und Gesamtverteidigung in die Lehrpläne unserer Schulen aufgenommen werden. Schließlich ist es absolut unverzichtbar, noch in dieser Legislaturperiode mit der Erfassung von Menschen im wehrfähigen Alter zu beginnen und sich zumindest konzeptionell auf die Wiedereinführung der Wehrpflicht vorzubereiten – für den Fall der Fälle.

Es ist nachvollziehbar, dass sich Teile der Bevölkerung vor einer Eskalation des Krieges fürchten. Es bedarf daher endlich einer politischen Kommunikation, die einordnet, anstatt Angst zu machen. Wenn wir jetzt die Ukrainer nachhaltig unterstützen und parallel unsere Verteidigungsfähigkeit zügig erhöhen, dann muss sich niemand sorgen.

2024 ist ein Schlüsseljahr - für die Ukraine, für Deutschland, unsere Bundeswehr und für unsere europäische Sicherheitsarchitektur.  Handeln wir jetzt!

„Mit einem Unterhemd wird man Putin nicht abschrecken“

„Wir haben keine einzige Heeresbrigade, die einsatzbereit ist“, sagte Oberst André Wüstner im Interview mit „Welt“. „2024 wird ein Schlüsseljahr für die Bundeswehr, für Deutschland für Europa mit Blick auf Frieden und Freiheit, insbesondere mit Blick auf die Ukraine.“
 

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