Aufstellungsappell der Litauenbrigade in Vilnius: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD, von links)), die litauische Verteidigungsministerin Dovile Sakaliene, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Gitanas Nauseda, Präsident von Litauen. Foto: Bundeswehr/Mario Bähr

Aufstellungsappell der Litauen-Brigade: Ein Land atmet auf – die ganze Hauptstadt feiert

Aufstellungsappell der Litauenbrigade in Vilnius: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD, von links)), die litauische Verteidigungsministerin Dovile Sakaliene, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Gitanas Nauseda, Präsident von Litauen. Foto: Bundeswehr/Mario Bähr

Für die Menschen in Litauen war der Aufstellungsappell für die neue Panzerbrigade 45 ein großer Moment. Tausende haben die Ankunft der Deutschen auf dem Kathedralenplatz in der Hauptstadt Vilnius gefeiert. Die Erwartungen sind groß – die Deutschen sind für viele Litauer Beschützer und Hoffnungsträger für eine friedliche Zukunft.

Von Frank Jungbluth

Es ist früh am Morgen, als die Maschine mit Bundeskanzler Friedrich Merz und Verteidigungsminister Boris Pistorius Richtung Vilnius startet. Dabei sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages, der Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner und weitere Ehrengäste. Für den Kanzler ist es sein erster großer Auftritt an der Ostflanke der NATO, wo die neue Panzerbrigade 45 bis Ende 2027 einsatzbereit sein soll. Voll ausgestattet mit Großgerät, Personal, Material und Munition. „Die Litauer verlassen sich auf uns“, sagt Brigadegeneral Christoph Huber – „Sie können sich auf uns verlassen.“ 850 Kilometer von Berlin entfernt – auf dem Kathedralenplatz in der litauischen Hauptstadt, dem Katedros aikšte – sind Kampfpanzer Leopard 2A6, Puma-Schützenpanzer, Panzerhaubitzen und vieles andere Gerät aufgefahren. „Der Schutz Vilnius‘ ist der Schutz Berlins“, wird der Kanzler später beim Appell sagen.

Die Erwartungen an den Bundeskanzler sind groß: „Liebe deutsche Soldaten, ich bedanke mich dafür, dass Sie sich entschieden haben, hier zu dienen. Sie sichern nicht nur den Frieden in Litauen, ganz Europa wird durch Sie stärker“, erklärt Litauens Präsident Gitanas Nauseda beim Appell. Der deutsche Bundeskanzler macht deutlich: „Ich bin froh, hier zu sein. Wir verteidigen hier gemeinsam die Ostflanke. Wir sind bereit dafür, uns gegen jede Aggression und jeden Angreifer zu wehren. Hier von diesem Platz ging die Freiheitsbewegung gegen die sowjetische Besatzung aus. Wir sind hier an diesem besonderen Ort. Es ist ein Gipfel der Solidarität und der Freundschaft, der uns alle hier zusammenbringt.“

Oberst André Wüstner, der sich vor Ort nicht nur mit den Ehrengästen und Politikern, sondern insbesondere mit vielen Kameradinnen und Kameraden austauschte, zeigte sich beeindruckt: „Ich bin stolz und dankbar, an diesem historischen Tag dabei sein zu dürfen. Wir alle hier wissen um die Bedeutung dieses Tages, dieses Auftrages und fühlen und wissen mehr denn je, warum dies im Sinne einer glaubhaften Abschreckung von enormer Bedeutung ist. Und keine Frage: Der DBwV wird den Mitgliedern hier vor Ort auch weiterhin zur Seite stehen.“

Der litauische Präsident Gitanas Nauseda und Verteidigungsministerin Dovile Šakaliene befestigen das Fahnenband an der Truppenfahne der neu aufgestellten Brigade beim Aufstellungappell. Foto: Bundeswehr/Mario Bähr

Der litauische Präsident Gitanas Nauseda und Verteidigungsministerin Dovile Šakaliene befestigen das Fahnenband an der Truppenfahne der neu aufgestellten Brigade beim Aufstellungappell. Foto: Bundeswehr/Mario Bähr

Später wird Merz gemeinsam mit Nauseda die Ehrenformation abschreiten, dann wird der neuen Brigade vom Präsidenten das Fahnenband verliehen. Das ist der historische Moment dieses Appells: Soldaten der Bundesrepublik Deutschland sind zum ersten Mal in der Geschichte angetreten mit dem Auftrag, ein anderes Land zu beschützen und die Ostflanke der NATO zu sichern. „Sie stehen für eine Bundeswehr, die sich den Herausforderungen unserer Zeit stellt – mit Professionalität, mit Mut und mit tiefem Bewusstsein der Verantwortung, die Sie tragen“, betonte der Bundeskanzler. Gleichzeitig sei klar: Einsatz und Mut allein reichen nicht. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr brauchen, so der Kanzler, eine moderne Ausstattung, die es ihnen ermöglicht, ihren Dienst erfolgreich zu tun.

Die Brigade ist Teil der 10. Panzerdivision, die künftig an vorderster Front der NATO-Ostflanke stehen wird. Die Bundeswehr sammelt seit 2017 wertvolle Erfahrungen in Litauen als Führungsnation der eFP-Battlegroup, die in Rukla unweit der zweitgrößten Stadt des Landes stationiert ist – Kaunas, im 20. Jahrhundert war in der wechselvollen Geschichte des Landes zwischenzeitlich die Hauptstadt Litauens, denn Vilnius war vor dem Zweiten Weltkrieg Teil des polnischen Staatsgebietes und größtenteils von Polen bewohnt.

„Wir müssen uns jederzeit gegen solche Angriffe verteidigen können. Freiheit ist nicht umsonst zu haben. Die baltischen Staaten haben das schon vor langer Zeit verstanden, als manche in Deutschland noch Illusionen über Putins Regime hegten. Ich weiß, dass diese Illusionen in den baltischen Ländern in der Vergangenheit für viel Irritation gesorgt haben. Ich versichere Ihnen: Diese Zeit ist vorbei. Wir sind uns des Ernstes der Lage bewusst“, betont Friedrich Merz die Entschlossenheit der Deutschen.

800 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind auf dem Kathedralenplatz angetreten. Stabsmusikchor, Wachbataillon sind dabei. Zahlreiche Ehrengäste sitzen am Platz. Es ist für Litauen und auch die Bundeswehr ein historischer Moment. Die Busse in der Hauptstadt haben seit Tagen „LTU❤DEU“ im Display – die Freude über die Ankunft der Deutschen ist nicht gespielt. Zwar hat die kleine litauische Armee in Deutschland Leopard 2A8 bestellt, aber bisher gibt es so schweres Großgerät in der Truppe des baltischen Staates nicht. Dafür sorgt zurzeit noch die Bundeswehr mit ihrem Großgerät in der eFP-Battlegroup.

Kampfhubschrauber Tiger überfliegen das Antreten der Soldaten beim Aufstellungappell der Panzerbrigade 45 in Vilnius. Foto: Bundeswehr/Mario Bähr

Kampfhubschrauber Tiger überfliegen das Antreten der Soldaten beim Aufstellungappell der Panzerbrigade 45 in Vilnius. Foto: Bundeswehr/Mario Bähr

Kinder lassen sich mit Soldaten der Bundeswehr auf der Panzerhaubitze 2000 oder vor dem Leopard 2A6 fotografieren. Für die Menschen in der Hauptstadt und im Land ist das ein Ereignis. Im nationalen Gedächtnis ist eingebrannt, wie russische Truppen noch 1991 auf litauische Freiheitskämpfer geschossen haben. Es gab 20 Tote. Auch General Christoph Huber ist am Großgerät rund um den Kathedralenplatz. Er spricht mit Soldaten und Besuchern. 400 Angehörige der Panzerbrigade 45 sind schon in Litauen, bis Ende des Jahres sollen es 800, bis Ende 2027 5000 sein.

Eine Kompanie des Wachbataillons der Bundeswehr ist aufmarschiert. Die litauischen Streitkräfte sind mit einer Ehrenformation vertreten. Auch ukrainische Soldaten sind vor Ort im internationalen NATO-Gewusel am Rande des Appellplatzes – auch das zeigt die Entschlossenheit des Bündnisses und ist ein Signal an Russland: Wir sind bereit.

Mehrere Kampfhubschrauber Tiger überliegen das Antreten der Soldaten beim Aufstellungsappell der Panzerbrigade 45 in Vilnius/Litauen. Video: DBwV/Frank Jungbluth

Verteidigungsminister Boris Pistorius, der mit seinem damaligen litauischen Amtskollegen Arvydas Anušauskas im Herbst 2023 den Startschuss für die neue Brigade gegeben hat, machte beim Appell erneut deutlich, warum und wofür die Frauen und Männer der Panzerbrigade 45 in Litauen dienen: „Ohne Sicherheit gibt es keinen Frieden.“ Dovile Šakaliene ist heute Ministerin für Verteidigung. Ihre Behörde heißt Landesschutz-Ministerium. Sie hat zur Feier des Kriegsendes am 8. Mai beschrieben, wie man in Litauen auf die Deutschen schaut: „Deutschland hat sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges enorm verändert. Es ist von einer Gefahr zum Beschützer geworden.“

Lena Lagunaviciene, Gästebetreuerin in Vilnius, führt seit 1991 deutschsprachige Reisegruppen durch die Hauptstadt. Sie ist Germanistin und sagt: „Die große Mehrheit der Litauer begrüßt die Stationierung der Deutschen bei uns. Wir haben immer wieder schlechte Erfahrungen mit Russland gemacht. Dass hier bald 5000 Soldaten mehr sind, gibt uns ein Gefühl der Sicherheit.“

Ein Freund ihres Mannes ist bei den blutigen Angriffen russischer Sicherheitskräfte zu Beginn der litauischen Unabhängigkeit im Januar 1991 erschossen worden. Ihr Ehemann wurde schwer verletzt. Die fast 20 Toten, die ein Befehl des im Westen lange hofierten KPDSU-Generalsekretärs Michael Gorbatschow verursacht hat, sind tief im nationalen Gedächtnis des Landes verankert. „Das hat niemand vergessen.“ Die Erinnerung an die Opfer des Freiheitskampfes wird von Generation zu Generation weitergegeben.

Stabsfeldwebel Enrico (49), Mitglied im Deutschen BundeswehrVerband, sagt nach dem Appell. „Etwas Neues aufzubauen ist immer eine Herausforderung. Und ich kann reinen Herzens sagen, dass ich diesen Auftrag sehr wichtig finde. Deshalb habe ich mich für fünf Jahre zur Panzerbrigade 45 versetzen lassen. Ich bin seit März 2025 hier. Entscheidend im Konflikt mit Putin ist, dass auf dem Preisschild ein hoher Preis steht, den Russland für einen Angriff auf die NATO-Ostflanke zahlen müsste. Die Litauer sind sehr glücklich, dass wir hier sind, das hört man an vielen Stellen, wenn man in der Stadt ist oder beim Einkaufen – da gibt es viele, die einfach sagen: Danke für Euren Dienst hier bei uns.“

Natürlich sei das auch ein gefährlicher Einsatz, man sei in R?dninkai, wo die Brigade Quartier machen wird, schließlich nur 30 Kilometer von der weißrussischen Grenze entfernt. „Freiheit bekommt man nun einmal nicht geschenkt, die Menschen in Litauen und im gesamten Baltikum wissen das aus ihrer Geschichte.“ Stabsfeldwebel Enrico ist beim Nachrichtenwesen eingesetzt, eine wichtige Aufgabe angesichts der Cyber-Kriegsführung, die auch aus Weißrussland versucht wird.

Seit November 2024 ist Hauptfeldwebel Jonas (27) Teil des Aufstellungsstabes für die Brigade Litauen. „Wir wurden herzlich aufgenommen und mit offenen Armen empfangen“, sagt er. Im Aufstellungsstab sind nur Freiwillige. „Das merkt man im Dienst, alle ziehen für diesen Auftrag an einem Strang.“

Gut 3500 Menschen säumen die Ränder des Kathedralenplatzes. Es sind Gänsehautmomente, als der litauische Präsident Nauseda die Gäste begrüßt. Es ist ein Volksfest. Ein ganzes Land atmet auf, die Hauptstadt feiert. Hunderte haben Fähnchen mit den Farben Litauens und Deutschlands dabei.

Das Stabsmusikkorps spielt Preußens Gloria und den Yorckschen Marsch; natürlich auch die Nationalhymnen Litauens und Deutschlands. Einigkeit und Recht und Freiheit – das ist auch die Basis des demokratischen Litauens, das 2004 in die NATO kam und 2005 in die Europäische Union. Das bedeutet den Litauern viel. Inzwischen ist vergessen, dass der Westen Litauen 1991 im Stich ließ, als die Russen das Land mit Gewalt weiter beherrschen wollten. Offenbar will Russlands Diktator Wladimir Putin dahin zurück, glauben viele Litauer. Auch deshalb freuen sich die Menschen ehrlich über die neue Brigade.

Wie es sich anfühlt, wenn die Russen kommen, wissen die Ukrainer seit zweieinhalb Jahren. Soldaten mit den gelb-blauen Flaggen am Ärmel sind auch dabei bei diesem Aufstellungsappell. „Wir stehen zusammen, auch wenn wir noch nicht in der NATO sind“, sagt einer von ihnen.

Foto: Bundeswehr/Mario Bähr

Foto: Bundeswehr/Mario Bähr

Brigadegeneral Christoph Huber: „Wir werden hier gebraucht, das spüren wir jeden Tag"

Brigadegeneral Christoph Huner (49) war 2017 in Litauen. Seit 2024 ist der Kommandeur der neuen Panzerbrigade 45. Foto: Bundeswehr/Jana Neumann

Brigadegeneral Christoph Huner (49) war 2017 in Litauen. Seit 2024 ist der Kommandeur der neuen Panzerbrigade 45. Foto: Bundeswehr/Jana Neumann

von Frank Jungbluth

Die Bundeswehr: Sie waren 2017 der erste Kommandeur der multinationalen eFP-Battlegroup im litauischen Rukla – jetzt führen Sie eine Panzerbrigade im Aufwuchs im NATO-Partnerland, die 2027 einsatzbereit sein soll. Wie wichtig ist die Brigade für die Abschreckung an der Ostflanke?

Brigadegeneral Christoph Huber: Die Aufstellung der Panzerbrigade 45 „Litauen“ ist eine Entscheidung, die im völligen Einklang mit unseren Partnern beschlossen worden ist. Die Grundlage dafür ist bei den NATO-Gipfeln in Madrid und danach in Vilnius geschaffen worden. Deshalb ist die Aufstellung der Brigade auch eine klare Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, denn dieser Angriff hat eine deutliche Lageverschlechterung an der NATO-Ostflanke verursacht. Das Bündnis steht dafür, dass wir in Deutschland und auch in allen anderen NATO-Partnerländern in Freiheit in Frieden leben können, genau dafür steht auch die neue Brigade ein. Mir ist aber wichtig, dass es nicht nur um die Panzerbrigade 45 geht, denn sie ist Teil der deutschen 10. Panzerdivision, die Division 2025, die für die Verteidigungsbereitschaft an der Ostflanke sorgen soll. Wir brauchen alle Fähigkeiten dieser Division. Auf uns Deutsche wird geschaut, auf uns will man sich verlassen und man kann sich auf uns verlassen. Deshalb wird alles getan, was dafür notwendig ist.

Die Bundeswehr: Die Truppe klagt über den Mangel an Material in der Bundeswehr: Wie kann trotzdem sichergestellt werden, dass die Panzerbrigade 45 mit ausreichend Puma und Leopard 2A8 sowie sonstiger Ausrüstung ausgestattet wird?

Brigadegeneral Huber: Die Panzerbrigade 45 hat Top-Priorität im Deutschen Heer und als Brigade Litauen für die gesamte Bundeswehr. Ich habe keinerlei Zweifel, wir werden deshalb alles erhalten, was wir für die Erfüllung des Auftrages hier benötigen. Das ist auch ein großer Attraktivitätsfaktor für den Dienst in der Brigade, denn hier wird Vollausstattung herrschen mit Personal und Material. Letztlich müssen wir allerdings alle Großverbände des Heeres mit ausreichend Gerät ausstatten. Ebenso wichtig sind Ersatzteile und Munition sowie andere Versorgungsgüter, damit wir ausbilden und üben können, um unseren Beitrag zur Abschreckungsfähigkeit der NATO an der Ostflanke auch glaubhaft leisten zu können. Das gilt insbesondere für die gesamte Division 2025.

Gänsehautmomente in Vilnius: Boris Pistorius, Kanzler Friedrich Merz, Präsident Gitanas Nauseda und die litauische Verteidigungsministerin Dovile Šakaliene. Foto: Bundeswehr/Fabian Hauschild

Gänsehautmomente in Vilnius: Boris Pistorius, Kanzler Friedrich Merz, Präsident Gitanas Nauseda und die litauische Verteidigungsministerin Dovile Šakaliene. Foto: Bundeswehr/Fabian Hauschild

Die Bundeswehr: Die neue Panzerbrigade 45 wird in R?dninkai stationiert sein, die Grenze zum russischen Vasallenstaat Weißrussland ist von dort nur 30 Kilometer entfernt: Wie herausfordernd wird der Einsatz für die Bundeswehr so nahe am „Gegner“?

Brigadegeneral Huber: Die Herausforderung an diesem Standort ist vor allem auch die militärische Sicherheit, die für uns ein Schwerpunkt ist, zum Beispiel die IT-Sicherheit gegen Angriffsversuche von der russischen oder belarussischen Seite. Wir sind uns dessen sehr bewusst, wo wir hier sind. Letztlich gelten aber die gleichen Bedrohungen und daraus resultierende Schutzmaßnahmen wie für Standorte in Deutschland. Klar ist, wir sensibilisieren unsere Soldatinnen und Soldaten im besonderen Maße. Unser Auftrag ist, hier für Freiheit einzustehen, diesen Auftrag wollen wir mit allen Mitteln erfüllen. Wir werden einen kampfstarken Großverband haben, der einen wichtigen Platz hier einnehmen wird. Gemeinsam als NATO werden wir alle Herausforderungen meistern. Gerade auch Litauen als unser Gastgeber macht große Schritt vorwärts, sie haben ihre 1. Division aufgestellt und werden beispielsweise den Kampfpanzer Leopard 2A8 beschaffen.

Die Bundeswehr: Das Vorkommando und den Aufstellungsstab haben Sie aus Freiwilligen rekrutieren können – wie optimistisch sind Sie, auch für die weiteren fast 5000 Dienstposten ausreichend freiwillige Meldungen zu bekommen?

Brigadegeneral Huber: Wir haben jetzt rund 400 Kräfte hier: Soldatinnen und Soldaten der Panzerbrigade 45 „Litauen“, dazu kommen Sanitäter und natürlich Zivilbeschäftigte für die Verwaltung. Wir haben einige Maßnahmen getroffen, um die Attraktivität des Dienstes in der Brigade zu steigern. Nehmen Sie zum Beispiel das Artikelgesetz Zeitenwende, das ja auch der BundeswehrVerband mitgestaltet und der Bundestag noch in der vergangenen Legislatur ratifiziert hat. Das Trennungsgeld ist geregelt und Mehrarbeit wird trotz der Auslandsdienstbezüge finanziell zusätzlich ausgeglichen. Der wichtigste Faktor ist für mich: Wir haben hier einen klaren militärischen Auftrag und werden eine Vollausstattung haben und dazu gute Bedingungen zum Ausbilden und Üben. Die Kameradinnen und Kameraden, die jetzt schon hier sind, sind Pioniere. Die wollen gestalten und aufbauen, man ist stolz darauf, Teil dieser großen Aufgabe zu sein. Deshalb brauchen wir Frauen und Männer, die gestalten wollen.

Die Bundeswehr: Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine vor drei Jahren hat sich die Sicherheitslage an der Ostflanke der NATO dramatisch verändert. Litauen ist von Russlands Aggression stark bedroht. Wie wichtig ist den Menschen im Land angesichts der Situation die Stationierung der Bundeswehr mit einer einsatzfähigen Kampf-Brigade?

Brigadegeneral Huber: Wir haben, das haben offizielle Umfragen ergeben, mehr als 85 Prozent der Litauer, die klar für die Stationierung der Deutschen sind. Man muss dabei immer bedenken, dass das Ganze für die Litauer nicht kostenlos ist. Das Land hat immense Ausgaben, um die Infrastruktur für die Litauen-Brigade bereitzustellen. Es werden Kasernenanlagen nach deutschen Vorgaben gebaut, Übungsplätze, Gebäude für die Instandsetzung und Vorratslager für unsere Munition. Ich bin den Litauern dafür sehr dankbar. Auf der persönlichen Ebene spüren meine Soldatinnen und Soldaten und ich selbst im täglichen Miteinander mit der litauischen Bevölkerung und den litauischen Streitkräften eine große Sympathie und Dankbarkeit. Wenn ich das erlebe, dann komme ich zur Inneren Führung und dazu, wofür wir dienen, also das, wofür Soldatinnen und Soldaten kämpfen. Wir werden hier gebraucht. Das fühlen wir, das spüren meine Soldatinnen und Soldaten hier täglich im besonderen Maß.

Die Bundeswehr: Bei der Aufstellung der Brigade, die jetzt mit dem Appell in Vilnius offiziell begonnen hat, war nicht nur der Verteidigungsminister dabei, sondern auch Bundeskanzler Friedrich Merz: Wie wichtig ist für die Truppe, dass es starken politischen Rückhalt für den Auftrag und den Einsatz der Panzerbrigade 45 gibt?

Brigadegeneral Huber: Dieser Rückhalt gibt uns Gewissheit. Wir sind eine Parlamentsarmee. Die Mehrheit der Parlamentarier steht hinter der Entscheidung, dass wir dauerhaft eine Brigade in Litauen haben. Das ist ein weiterer Motivationsgrund für unsere Soldatinnen und Soldaten. Ebenso erleben wir das in Litauen, wie der Appell auf dem Kathedralen-Platz gezeigt hat. Der Bundeskanzler hat uns das Fahnenband „Panzerbrigade 45“ und der litauische Präsident hat uns das Fahnenband mit dem Beinamen „Litauen“ verliehen, das ist eine große Ehrbezeugung für uns.

Deutsche und norwegische Soldatinnen und Soldaten trainieren gemeinsam mit Truppen aus Tschechen und Litauen auf einem Übungsplatz in Rukla. Foto: NATO

Deutsche und norwegische Soldatinnen und Soldaten trainieren gemeinsam mit Truppen aus Tschechen und Litauen auf einem Übungsplatz in Rukla. Foto: NATO

Die Bundeswehr: 2026 soll die „Multinational Battlegroup Lithuania“ in Rukla in die neue Brigade eingegliedert werden, Ende 2027 – so sieht es die Roadmap vor, die Boris Pistorius und sein damaliger litauischer Amtskollege im Dezember 2023 vereinbart haben – soll die Panzerbrigade 45 in voller Stärke und einsatzbereit sein. Ist der Zeitplan nach heutigem Stand zu halten?

Brigadegeneral Huber: Die Roadmap, die im Dezember 2023 unterzeichnet worden ist, haben wir bis heute buchstabengetreu umgesetzt in klares militärisches Handeln. Wir werden bis Ende 2025 die Führungsbereitschaft für die Brigade hergestellt haben. Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir bereits im Februar 2026 die multinationale Battlegroup unterstellen können. Zeitgleich werden das Panzergrenadierbataillon 122 und das Panzerbataillon 203 der Panzerbrigade 45 unterstellt. Das zeigt, dass wir mit großen Schritten vorangehen. Die Voraussetzung für das alles ist die Bereitstellung der militärischen und zivilen Infrastruktur durch Litauen. Ich bin regelmäßig in Rudninkai und sehe jedes Mal einen großen Baufortschritt, es wird mit Hochdruck gebaut. Wenn man bedenkt, dass aus dem Nichts heraus im Prinzip eine Kleinstadt für deutsche Soldaten entsteht, ist das bemerkenswert.

Die Bundeswehr: Wenn Sie eine Bilanz der ersten Monate in Litauen ziehen: Was ist dabei herausragend?

Brigadegeneral Huber: Herausragend ist vor allem mein Team. Sie alle wollen gestalten und sind sich jeden Tag der Bedeutung des Auftrages hier bewusst. Deshalb erfüllt es mich jeden Tag mit Stolz, dass ich diese Frauen und Männer befehligen darf. Was uns auch klar ist: Der Auftrag hier, als Deutsche an der NATO-Ostflanke stationiert zu ein, ist auch so zu sehen, dass wir etwas zurückgeben wollen an unsere Alliierten. Sie haben viele Jahrzehnte lang für unsere Freiheit und unseren Frieden im westliche Teil Deutschlands eingestanden, jetzt machen wir das in Litauen und andernorts an der Ostflanke des Bündnisses. Ich habe selbst in meiner Kindheit erfahren, wie wichtig das war, in meiner Heimat im Schwäbischen waren US-Einheiten. Genau das bestätigen mir auch meine Soldatinnen und Soldaten, auch jene, die so jung sind, dass sie das nicht mehr erlebt haben. Es ist trotzdem im Bewusstsein und das zeigt den Geist, den die Truppe hat. Wir sind überzeugt von dem, was wir hier in Litauen tun.