Der Einsatz in Mali

Rückblick auf zehn Jahre in der Sahel-Zone

Von Yann Bombeke

Der Bundeswehr-Einsatz in Mali ist Geschichte: Am 15. Dezember kehrten die letzten Soldatinnen und Soldaten aus dem krisengeschüttelten westafrikanischen Land zurück und landeten auf dem niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf. Wir blicken auf das mehr als zehnjährige Engagement der Bundeswehr in der Sahel-Zone zurück.

Im Januar 2013 steckt Mali in einer Krise, die den Staat in seiner Existenz bedroht: Im Norden des Landes sind mit Islamisten verbündete Tuareg-Rebellengruppen auf dem Vormarsch. Schlecht ausgebildet und ausgerüstet, haben die malischen Streitkräfte den Separatisten wenig entgegenzusetzen. Frankreich, das sich traditionell als Schutzmacht Malis versteht, entscheidet sich für ein militärisches Eingreifen. Begünstigt durch seine militärischen Stützpunkte in den Nachbarstaaten, gelingt es den französischen Streitkräften, mit der Operation Serval die Rebellen nach mitunter heftigen Gefechten rasch zurückzudrängen.

Im Februar 2013 toben im Norden Malis heftige Kämpfe zwischen den französischen Kräften der Operation Serval und Separatisten-Gruppen.

Die Europäische Union will die malische Armee in die Lage versetzen, selbst für die staatliche Integrität des Landes zu sorgen und beschließt eine Ausbildungsmission – daraus wird dann EUTM Mali. Am 28. Februar 2013 beschließt der Bundestag den Start des Bundeswehr-Einsatzes in Mali. Deutschland beteiligt sich dabei nicht nur an EUTM, sondern auch an AFISMA. Eine Unterstützungsmission afrikanischer Staaten. Die Luftwaffe übernimmt die Luftbetankung französischer Flugzeuge und transportiert Mensch und Material aus den Nachbarstaaten nach Mali.

Ankunft in Mali: Im April 2013 erreichen knapp 20 Soldaten das Einsatzgebiet in Mali, wo sie im Rahmen von EUTM Mali Pioniere ausbilden sollen. Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke

AFISMA geht dann am 1. Juli 2013 in die UN-Mission MINUSMA (Mission multidimensionelle intégrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali, Multidimensionale integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali) über. In dieser ersten Phase des Einsatzes stellt die Bundeswehr in erster Linie Stabspersonal für MINUSMA, während die Luftwaffe weiterhin mit Transportflügen und Luftbetankung die internationalen Partner unterstützt.

Parallel setzt Frankeich seinen Kampf gegen den islamistischen Terror in der Region fort, aus der Operation Serval wird am 1. August 2014 die länderübergreifende Operation Barkhane. Zwar haben die französischen Streitkräfte die islamistischen Gruppierungen im Norden Malis zurückgedrängt, das Umfeld bleibt jedoch gefährlich – immer wieder kommt es zu Angriffen und Anschlägen auch auf die Blauhelm-Soldaten. MINUSMA wird zu einem der verlustreichsten UN-Einsätze seit dem Koreakrieg: Bis zum Sommer 2023 sterben im mehr als 300 Soldaten.

Für die deutschen Soldatinnen und Soldaten nimmt die Gefährdung mit der Ausweitung des Einsatzes ab Anfang 2016 zu. Das deutsche MINUSMA-Kontingent übernimmt im Schwerpunkt Aufklärungsaufgaben und operiert dabei von Gao im Norden des Landes aus. Dabei setzt die Bundeswehr auf Patrouillen am Boden und auf den Überblick aus der Luft: zum Einsatz kommen zunächst die Luna-Drohnen des Heeres. Später dann die Heron der Luftwaffe. Für besseren Schutz sorgen auch Kampfhubschrauber vom Typ Tiger, die zeitweise in Gao stationiert werden.

Mit Patrouillen betreibt die Bundeswehr die Aufklärung am Boden.

In diesem Zusammenhang kommt es zum bittersten Moment dieses Einsatzes: Am 26. Juli 2017 stürzt ein Kampfhubschrauber Tiger rund 70 Kilometer nördlich von Gao ab. Major Jan Färber und Stabshauptmann Thomas Müller kommen bei dem Unglück ums Leben. Später stellt sich heraus, dass ein Wartungsfehler zum Absturz führte.

Ein bitterer Moment des Einsatzes: Beim Absturz eines Tiger-Kampfhubschaubers kommen Major Jan Färber und Stabshauptmann Thomas Müller ums Leben. Foto: Bundeswehr/Marco Dorow

Ein bitterer Moment des Einsatzes: Beim Absturz eines Tiger-Kampfhubschaubers kommen Major Jan Färber und Stabshauptmann Thomas Müller ums Leben. Foto: Bundeswehr/Marco Dorow

Auch wenn der Einsatz in Mali nicht so einen hohen Blutzoll wie die Mission in Afghanistan fordert, so bleibt er doch gefährlich: Patrouillen der Bundeswehr werden immer wieder beschossen. Auch die Ausbildungsmission im vermeintlich sichereren Süden des Landes birgt Gefahren: In Koulikoro kommt es am 24. Februar 2019 zu einem Angriff auf das EU-Ausbildungscamp. Dabei werden mehrere malische Soldaten und die Angreifer getötet. Im Juni 2021 werden zwölf deutsche und ein belgischer Soldat bei der Explosion einer Autobombe in der Region Gao zum Teil schwer verwundet. Wie brutal die Dschihadisten auch gegen die Zivilbevölkerung vorgehen, zeigt sich etwa am 23. März 2019: In der Region Mopti im Norden des Landes werden 157 Menschen brutal ermordet. Doch auch den malischen Sicherheitskräften werden immer wieder Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

Auf die Gefährlichkeit des Einsatzes weist der Deutsche BundeswehrVerband immer wieder hin – auch bei den vielen Besuchen seiner Mandatsträger im Einsatzgebiet. „Die Truppe leistet hier wie auch in anderen Einsatzgebieten hervorragende Arbeit und versucht, unter den widrigen Rahmenbedingungen das Beste aus der Situation vor Ort zu machen“, sagt etwa der Bundesvorsitzende, Oberst André Wüstner, bei einer Mali-Reise im April 2017.  Über seine einzigartige Organisation der Ansprechpartner im Auslandseinsatz ist der DBwV ohnehin während des gesamten Mali-Einsatzes vor Ort und zeigt Präsenz.

Blick in das Feldlager Camp Castor in Gao im Februar 2017. Foto: Bundeswehr/Christian Thiel

Blick in das Feldlager Camp Castor in Gao im Februar 2017. Foto: Bundeswehr/Christian Thiel

Dass die malische Armee kein zuverlässiger Partner ist, wird im August 2020 deutlich, als Offiziere gegen die Regierung putschen. Der 2013 demokratisch gewählte Präsident Boubacar Keita wird entmachtet und verhaftet. Im Mai 2021 kommt es zu einem weiteren Putsch, spätestens ab diesem Zeitpunkt gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen in Mali immer schwieriger. Es kursieren erste Meldungen, dass sich die malische Junta verstärkt Russland zuwendet und Söldner der Wagner-Gruppe ins Land holt.

Mit Beginn des Jahres 2022 wird dadurch auch die Auftragswahrnehmung immer schwieriger – erstmals wird den deutschen Blauhelmsoldaten die Fluggenehmigung einer Aufklärungsdrohne verweigert. Und die Schikanen gehen weiter: Transportflugzeugen der Luftwaffe werden Überflugsrechte verweigert.

Vor allem das Verhältnis der malischen Machthaber zu Frankreich degradiert sich zusehends – bis Frankreichs Präsident Emanuel Macron im Februar 2022 einen Schlussstrich zieht und das Ende der Anti-Terror Barkhane und den vollständigen Abzug der französischen Truppen aus dem Land ankündigt. Auch in Deutschland wachsen die Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Fortsetzung des Mali-Engagements. Im Juli 2022 untersagen die malischen Behörden den Truppen der Vereinten Nationen, ihr Personal ein- und auszufliegen. Auch für die Bundeswehr heißt das, dass Soldatinnen und Soldaten nach dem geplanten Ende ihrer Einsatzzeit mitunter wochenlang warten müssen, bis sie in die Heimat zurückfliegen können.

In der Regenzeit kommt es zu beträchtlichen Niederschlagsmengen. Aus Staub wird Schlamm. Foto: Bundeswehr/Jana Neumann

In der Regenzeit kommt es zu beträchtlichen Niederschlagsmengen. Aus Staub wird Schlamm. Foto: Bundeswehr/Jana Neumann

Im Oktober 2022 wird die Ausbildungsmission EUTM Mali beendet. Nach Angaben der Bundeswehr wurden bis zu diesem Zeitpunkt rund 16.000 malische Sicherheitskräfte ausgebildet. Zuvor hatte die europäische Union ihren Fokus bereits auf das Nachbarland Niger gelegt. Schon seit 2018 ist die Bundeswehr dort aktiv und bildet mit Kampfschwimmern der Marine nigrische Spezialkräfte aus.

Im Januar 2023 hat Deutschland einen neuen Verteidigungsminister. Boris Pistorius macht kurz nach seinem Amtsantritt klar, dass er wenig von einer Fortsetzung des Engagements in Mali hält. Dennoch betont der Minister im April bei einer Reise in die Region, dass die Sicherheit in der Sahel-Zone auch im besonderen Interesse Deutschlands liege. „Der Schwerpunkt unseres zukünftigen militärischen Engagements wird in Niger liegen“, sagt der SPD-Politiker und verweist auf die guten Erfahrungen, die man mit der Ausbildungsmission im Nachbarland gemacht habe.

Blick aus einem MedEvac-Hubschrauber des Heeres im November 2017. Foto: Bundeswehr/Johannes Müller

Blick aus einem MedEvac-Hubschrauber des Heeres im November 2017. Foto: Bundeswehr/Johannes Müller

Doch dann kommt alles anders. Erst putschen Offiziere am 26. Juli 2023 in Niger, das für den Westen wie ein Stabilitätsanker in der Region war. Auch in Burkina Faso kommt es Ende September 2023 zu einem Putsch. Gemeinsam ist allen Militärdiktaturen der Sahel-Zone, dass sie sich des Einflusses des Westens entziehen wollen und stattdessen auf die russische Karte setzen. Die europäische Politik steht damit vor einem Scherbenhaufen – schließlich hatte man sich Großes vorgenommen in der Region.

Die endgültige Entscheidung zum Abzug aus Mali war da in Deutschland schon gefallen: Am 26. Mai hatte der Bundestag einer letzten Mandatsverlängerung für MINUSMA zugestimmt. Bis Ende Mai 2024 sollten die letzten deutschen Soldatinnen und Soldaten das Land verlassen haben. Nur wenige Wochen später steht fest, dass der Abzug beschleunigt werden muss, als der UN-Sicherheitsrat das Ende von MINUSMA zum 31. Dezember 2023 verkündet.

Bis zum Schluss bleibt die Bundeswehr in Mali einsatzbereit.

Nachdem Niger als zuverlässiger Partner für die Rückführung von Mensch und Material ausgefallen ist – die Bundeswehr betreibt seit 2018 einen Luftumschlagstützpunkt in der nigrischen Hauptstadt Niamey – muss die deutsche Diplomatie im Sommer nach Alternativen suchen. Und wird im Senegal fündig: In der Hauptstadt Dakar soll das Logistik-Drehkreuz aufgebaut werden, dass die sichere Rückkehr der Einsatzkräfte nach Deutschland gewährleistet.

Soldaten kehren nach einer Patrouille im September 2023 ins Camp Castor zurück. Foto: Bundeswehr/Jana Neumann

Soldaten kehren nach einer Patrouille im September 2023 ins Camp Castor zurück. Foto: Bundeswehr/Jana Neumann

Von dort aus verlassen dann auch am 15. Dezember 2023 die letzten deutschen Soldatinnen und Soldaten des MINUSMA-Kontingents den afrikanischen Kontinent in Richtung Heimat, nachdem sie drei Tage vorher Camp Castor, das Feldlager in Gao, an die malischen Behörden übergeben hatten. Mehr als zehn Jahre Mali-Einsatz sind endgültig abgeschlossen – und damit auch die Ära der großen Auslandseinsätze der Bundeswehr, die ihren Fokus auf die Landes- und Bündnisverteidigung legt. Offen ist nun noch die politische Aufarbeitung des deutschen Engagements in der Sahel-Zone.

Rückblick auf zehn Jahre Einsatz in Mali.