Heute ist der sportliche Wettkampf bei den Invictus Games gestartet, unter anderem mit Leichtathletik - hier ein Athlet beim Wheelchair Track and Field. Foto: IG 23/Tim Richter

10.09.2023
Von Philipp Kohlhöfer

Ein weiterer Schritt zurück ins Leben

Tag 2 der Invictus Games in Düsseldorf. Die Vorkämpfe in der Leichtathletik laufen, dazu die Gruppenspiele in Rollstuhl-Rugby und die Finals im Gewichtheben. Und dann ist da noch was anderes.

Der gallische Hahn tanzt. Er tanzt ein bisschen mehr bei den Franzosen, aber er tanzt eben auch bei den Nigerianern und Amerikanern, bei den Italienern und den Ukrainern und bei allen anderen. Kraftdreikampf, die Finals. Das Stadion ist okay gefüllt, aber das liegt nicht an der Qualität des Wettkampfs und schon gar nicht an den Athleten. Gewichtheben ist kein Sport für die Masse, war es nie, aber Qualität statt Quantität könnte man sagen, denn laut Pressemitteilung steht irgendwo im Stadion auch Prinz Harry und schaut zu.  

Aber wichtig ist das nicht, denn die Athleten feiern sich selbst. Schafft einer einen gültigen Versuch klatschen alle anderen, immer. Als Hintergrundmusik läuft „I´ve got the power“ von Snap und Adnane Roumadni, der Mann im Hahnenkostüm, gibt alles. Und dann betritt Maksym Zubov die Bühne, Ukrainer. Er setzt zu seinem Versuch und da schreien zwei Kinder, Junge und Mädchen, ganz laut „Papa, Papa“ und für eine Sekunde ist die Halle still. Einfach still. Um dann noch lauter zu jubeln und Zubov anzufeuern und der Hahn wird fast ohnmächtig vor lauter tanzen.

Nebenan haben da gerade Briten und Franzosen ihr Gruppenspiel im Rollstuhl-Rugby beendet. Sie schenken sich nix, es macht Spaß zuzusehen, weil der einzige Modus „Vollgas“ ist und es erinnert ein wenig an Autoscouter auf dem Rummel: ständig rammt irgendwer irgendeinen. So sehr, dass die Rollstühle fast umfallen. These: Es geht mehr ums Rammen und schnell fahren als um das Ergebnis, denn nach fast jedem Rammstoß lächeln alle und klatschen sich ab.

Dass die Briten gewinnen, 18:14, nimmt man mit, ist halt so, ist aber Nebensache. „Not important“ sagt Ian Fisher, „it´s the atmosphere“. Das Ergebnis ist zweitrangig, es geht um die Atmosphäre. Er ist im britischen Team für die Räder der Rollstühle zuständig. Er kennt viele der Soldaten, seit vielen Jahren, „the change is huge“ im Bezug auf deren Selbstvertrauen und das hole man sich eben nicht mit den Medaillen, sondern mit dem Teamgeist, dem Sport, dem Zusammenhalt. Die Spiele bisher? „Amazing“ und „fantastic“, sagt Fisher – er ist begeistert.

Und das gilt zuvor auch für das Spiel selbst, es wiegt hin und her, man erwischt sich dabei, dass man denkt „geiler Spielzug“ und dann denkt man: Das macht viel mehr Spaß als Fußball. Die Briten gewinnen also, aber sie fahren danach vor die französische Kurve und die feiert sie und das passiert, während die Franzosen von den Briten gefeiert werden, und vielleicht ist es nicht nur das bessere Spiel: Vielleicht sind es auch die besseren Fans. Die bessere Idee ist es allemal: Respekt.

„Its more about the support, the brave and the recovery”, sagt auch Teresa Skinner. Sie ist Trainerin des amerikanischen Racing Chair Teams, High-End Rollstühle, und wenn die vorfahren sieht es aus wie bei der Tour de France, wenn die Spitzenfahrer langsam ins Feld rollen. Skinner sagt: „Its about moving back into life” - es geht um die Rückkehr´ins Leben. Sie findet die Veranstaltung “spectacular”, die Zuschauer “great” und Deutschland „amazing“ und mehr kann man ja erstmal nicht wollen. “The people” sagt sie, “come together to embracing the athletes, to show how much they care.” Kurz: Sie ist begeistert über die Stimmung, die Unterstützung durch die Zuschauer.

Und es stimmt ja auch: Es ist völlig egal wen man fragt, es ist egal, wohin man sieht: Es sind die Gesten, nicht die Medaillen.

Und wenn morgen die Leichtathletik und Rubgy mit den Finals beendet werden, dann ist das zwar auch eine Entscheidung in einer Sportart. Vor allem aber ist es ein weiterer Schritt zurück ins Leben.

Bei der Vorstellung der Weitspringer, Vorkampf, kann ein Jordanier verletzungsbedingt den Arm nicht heben, um zu winken und da nimmt sein Nebenmann den Arm und hebt ihn in die Höhe. Oder Racing Chair, Wettbewerb der Frauen, es ist um die Mittagszeit, gefühlt 200 Grad Celsius. Eine Jordanierin kann nicht mehr, sie kann so nicht mehr, dass sie fast aus dem Rollstuhl fällt und da stoppt ihre Konkurrentin aus Großbritannien und fährt zu ihr, um sie zu stützen. „Cant stop“ von den Red Hot Chili Peppers läuft im Hintergrund und alle verstehen, dass sich das auf so viel mehr bezieht als auf den Sport.

„Das macht Spaß hier“, sagt Carsten Pfenning, „das alles“. Er ist Oberstleutnant d.R., Landesgeschäftsführer West im DBwV. Auch weil man mit außergewöhnlich vielen Soldaten in Kontakt kommt. Er sagt: „Wir machen den Verband erlebbar.“ Außerdem, auch nicht unwichtig, die Leute, die sich hier treffen, sagt er, „da ist es für alle Beteiligten schwer vorstellbar, dass man nochmal gegeneinander kämpft.“ Der Verband leistet, wenn man so will, Sicherheitspolitik im Kleinen.

Hier am Stand des DBwV, gegenüber dem Stadion, ist die Geopolitik runtergebrochen auf Gespräche und shake hands, sie ist greifbar. Pfenning sagt: „Die Frage stellt man sich ja nicht mehr bei den Briten und den Amerikanern und jetzt eben auch nicht mehr bei den Rumänen und Ukrainern.“ Der Gedanke, dem man da hat? Gut, dass die Spiele expandieren, denn dann gilt das bald auch für Jordanier und Nigerianer und was Besseres kann es ja nicht geben.

Hier sehen Sie die schönsten Momente des Tages im Video:

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