Oberstarzt Dr. Andreas Lison ist Leiter des Zentrums für Sportmedizin der Bundeswehr. Foto: Bundeswehr

Oberstarzt Dr. Andreas Lison ist Leiter des Zentrums für Sportmedizin der Bundeswehr. Foto: Bundeswehr

21.08.2023
Von Oberstarzt Dr. Andreas Lison

Im Frieden entwickeln – im Ernstfall bereit sein

Bei den Invictus Games in Düsseldorf richtet der Sanitätsdienst die „Team Respect Area“ aus. Motto: Der Sanitätsdienst – Motor der Rehabilitation in der Bundeswehr. 

Rehabilitation in der Bundeswehr – warum eigentlich?

Es sind die bedrückenden Bilder des Krieges in der Ukraine, die uns täglich erinnern, dass Soldatinnen und Soldaten an der Front sterben und an Leib und Seele verletzt werden. Wunden, die bleiben, die Schmerz und Verzweiflung auslösen, hindern sie daran, in gewohnter Weise am Leben teilzuhaben. Sie wünschen sich ein Weiterleben in Würde, als vollwertiges Mitglied in einer sinnstiftenden Gemeinschaft. Was sie dafür brauchen – das nennt man „Rehabilitation“.

Damit die, die Opfer gebracht haben, keine Opfer bleiben, müssen wir bereits im Frieden Rehabilitation in ganzer Dimension verstehen, gemeinsam in der Bundeswehr weiterentwickeln und durchführen. Rehabilitation ist ein verbrieftes Recht der UN-Behindertenkonvention (UN-BRK), der Deutschland 2009 beigetreten ist. Während das Recht auf Entschädigung sich aus der auslösenden Ursache ableitet und dabei die verbliebenen Defizite bewertet, begründet sich das Recht auf Rehabilitation niemals darin, ob Beeinträchtigungen im Einsatz, im Dienst oder im privaten Bereich entstanden sind. Daher nehmen an den Invictus Games selbstverständlich auch Athletinnen und Athleten teil, die weder einen Einsatzschaden noch Dienstunfall erlitten haben. Auch sie sind „Invictus“.

Zentraler Bestandteil der Wiedereingliederung ist das in der UN-BRK besonders ausführlich behandelte Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben. Keiner sinnvollen Arbeitstätigkeit nachgehen zu können, ist ein krankmachender Faktor, sowohl in körperlicher, als auch seelischer Hinsicht. Außerdem muss es – vor dem vom Hintergrund eines von Fachkräftemangel gekennzeichneten Arbeitsmarktes – unser Bw-gemeinsames Ziel sein, Fähigkeiten betroffener Soldatinnen und Soldaten bestmöglich wiederherzustellen und dauerhaft zu erhalten. Wir brauchen ihr Wissen und ihre Erfahrung für die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte. Das gilt um ein Vielfaches mehr für den Fall der Landes- und Bündnisverteidigung.

Rehabilitation ist mehr als Therapie

Rehabilitation ist komplexes, multiprofessionelles und interdisziplinäres Management zur bestmöglichen Verringerung negativer Krankheitsfolgen. Dazu gehört, Teilhabestörungen in allen relevanten Dimensionen des Lebens professionell zu erkennen, sie genau zu beschreiben und hieraus Rehabilitationsziele zu definieren. Rehabilitation ist keine Dauertherapie. Sie erfordert das Vorliegen von Reha-Bedarf, Reha-Fähigkeit und einer positiven Prognose in Hinblick auf realistische Ziele.

Dazu gehört auch die Mitwirkung der zu Rehabilitierenden. Fehlende, unsystematische und inkonsequente Rehabilitation stellt eine Barriere dar, die Menschen mit bleibenden Beeinträchtigungen behindert. Dauerhafte Krankschreibungen stellen aus rehabilitativer Sicht ein Versagen dar, resultierend in deutlich erhöhten Krankheitsrisiken und schnell abnehmender Wahrscheinlichkeit einer beruflichen und sozialen Wiedereingliederung.

Medizinisch dienstlich orientierte Rehabilitation im Sanitätsdienst (MDORBw)

Bereits von Beginn an waren der moderne Behinderungsbegriff, das ursachen- und diagnoseunabhängige Recht auf Rehabilitation und die Unterscheidung von ursachenabhängiger Entschädigung sowie diagnosebezogener Therapie Grundlage konzeptioneller Überlegungen zur Entwicklung rehabilitationsmedizinischer Fähigkeiten im Sanitätsdienst. Mit Etablierung der Kompetenzzentren für somatische bzw. psychiatrische Rehabilitation (ZSportMedBw, Psychotraumazentrum PTZ, Berlin) und dem Pilotprojekt der Rehabilitationsstützpunkte (Reha-StP) ist die dienstliche Wiedereingliederung zentrales Rehabilitationsziel und wird systematisch im Verbund mit Partnern des zivilen Gesundheitssystems, hier vor allem mit den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken, weiterentwickelt.

Am ZSportMedBw betreuen wir entsprechend unserem Auftrag zum einen Kameradinnen und Kameraden mit einer einsatzbedingten psychischen Erkrankung, sofern sie hierbei eine körperliche Symptomatik entwickelt haben und eine wehrpsychiatrische Empfehlung vorliegt. Darüber hinaus führen wir nach besonders komplexen Beeinträchtigungen am Bewegungsapparat – sowohl in ambulanter, wie auch in teilstationärer Form – multiprofessionelle, interdisziplinäre Reha-Maßnahmen durch – unabhängig davon, ob sie im Einsatz, im Dienst oder im privaten Bereich entstanden sind. Diese umfassen orthopädische, physiotherapeutische, allgemein-, stress- und ernährungsmedizinische, psychotherapeutische und sozialdienstliche Diagnostik und Interventionen sowie komplexe Hilfsmittelversorgungen mit Orthesen, Prothesen und Rollstühlen.

Die Rolle der Invictus Games für die Rehabilitation

Welche Auswirkungen die Invictus Games auf Rehabilitation haben, hängt stark von der Perspektive ab. Da ist zunächst die deutsche Mannschaft, die jetzt im Rampenlicht steht – stellvertretend für viele andere, nicht sichtbare Soldatinnen und Soldaten und deren Familien, die Rehabilitation benötigen und durchführen. Wer ausgewählt wurde, mit Training zum Erreichen persönlicher Bestleistungen, öffentlicher Aufmerksamkeit und Berichterstattung, Lärm, Licht und Menschenmassen konfrontiert zu werden, hat meist einen langen Weg mit Höhen und Tiefen zurückgelegt. „Invictus“ bedeutet nicht, immer unbesiegbar gewesen zu sein. Allzu oft verbleiben Beeinträchtigungen an Körper und Seele, meist untrennbar miteinander verbunden.

Wir übersetzen Invictus daher lieber mit „unbezwingbar“ sein zu wollen auf dem Weg zurück in ein neues Leben. Dazu passt, dass erfolgreiche Rehabilitation die jeweils bestmögliche Teilhabe am beruflichen wie gesellschaftlichen Leben zu erreichen versucht. Doch nicht jeder verkraftet die Extreme der Emotionen und Aufmerksamkeit, gefolgt von der Stille, die nach den Spielen eintritt, gleichermaßen. Wir alle sind aufgefordert, uns der Verantwortung, die wir für unsere Athletinnen und Athleten tragen, bewusst zu sein. Dazu gehört neben der Fürsorge in der Nachbereitung der Spiele der unbedingte Wille, die Invictus Games im Sinne Ihrer Legacy als Meilenstein für die organisatorische Weiterentwicklung der Rehabilitation in der Bundeswehr wahrzunehmen.

Die Aufmerksamkeit für die Mannschaft muss münden in einer Wahrnehmung all derer, die nicht in Düsseldorf sein können oder wollen, dazu gehören auch deren Familien und die Veteranenarbeit. Der Deutsche BundeswehrVerband hat in der Vergangenheit mit seiner Arbeit für unsere im Einsatz zu Schaden gekommenen Kameradinnen und Kameraden Großes geleistet. Doch es gibt noch viel zu tun. Zu verstehen, dass Rehabilitation ein Recht ist, unabhängig von der auslösenden Ursache, nutzt bereits im Frieden dem Erhalt vorhandener Fähigkeiten in der Bundeswehr. Vorrausetzung hierfür ist ein strukturiertes Zusammenwirken des Nucleus aus Personalführung, Sozialdienst und Sanitätsdienst auch bei nicht im Einsatz Geschädigten.

Die Verbandsarbeit auch in diese Richtung im Interesse aller seiner Mitglieder auszurichten, um Strukturen und Prozesse weiterzuentwickeln, stellt daher einen wichtigen Beitrag zur Einsatzbereitschaft dar. Das Wissen um eine professionelle Rehabilitation stärkt im Ernstfall die Moral der Truppe. Unsere im Rehabilitationszentrum der niederländischen Streitkräfte in in Doorn tätigen Kollegen haben dies einmal zusammengefasst: „It’s our responsibility“. Tragen wir gemeinsam dazu bei, dass nach den Invictus Games nicht nur etwas bleibt, sondern: dass etwas wird!

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