Über die internationalen Kooperationen diskutierte Moderator Michael Stempfle (r.) mit Dr. Annegret Bendiek von der Stiftung Wissenschaft und Politik und Dr. Gerhard Conrad, ehemaliger Direktor des EU Intelligence Analysis Centre. Zugeschaltet waren die Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg und Thomas Hitschler. Foto: DBwV/Franziska Kelch

Über die internationalen Kooperationen diskutierte Moderator Michael Stempfle (r.) mit Dr. Annegret Bendiek von der Stiftung Wissenschaft und Politik und Dr. Gerhard Conrad, ehemaliger Direktor des EU Intelligence Analysis Centre. Zugeschaltet waren die Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg und Thomas Hitschler. Foto: DBwV/Franziska Kelch

02.07.2021
Yann Bombeke

BND-Kooperation mit ausländischen Diensten: „Sie können auch mit den unmöglichsten Partnern Gutes stiften“

Berlin. Wie kooperiert der Bundesnachrichtendienst mit ausländischen Diensten und wie weit darf er dabei gehen? Der BND hat die Aufgabe, Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen, aber darf oder muss er dafür sogar mit Diensten von Ländern zusammenarbeiten, in denen nicht unsere Prinzipien von Rechtstaatlichkeit gelten, in denen unter Umständen sogar Folter zur Normalität gehört? Um diese Frage ging es im dritten Teil der Veranstaltungsreihe des Bildungswerks des Deutschen BundeswehrVerbandes und des Gesprächskreises Nachrichtendienste e.V.

Selbst mit den europäischen Partnernationen ist die Zusammenarbeit nicht immer einfach:  So wünscht sich Dr. Annegret Bendiek von der Stiftung Wissenschaft und Politik mehr Kooperation auf der Ebene der EU. Auf europäischer Ebene sei der Europäische Auswärtige Dienst die Schnittstelle, um Informationen austauschen zu können, sagte die Wissenschaftlerin. Aber: „Ich würde sagen, das ist ein Stiefkind der institutionellen Architektur im Bereich der gemeinsamen außen- und Sicherheitspolitik.“ Man müsse in der EU mehr Informationen über Staaten wie Russland oder Iran austauschen, um auch eine gemeinsame Linie in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik entwickeln zu können.
Dr. Gerhard Conrad, ehemaliger Direktor des EU Intelligence Analysis Centre (INTCEN) erklärte im Zusammenhang mit dem Informationsaustausch, dass man im Bereich der EU mit all den Innen- und Außendiensten der Mitgliedstaaten auf etwa 50 Nachrichtendienste komme – doch längst nicht alle Dienste unterhielten mit ihren Counterparts bilaterale Beziehungen.

Nun gibt es auch innerhalb der EU Staaten, in denen andere Auffassungen von Rechtstaatlichkeit herrschen – „Stichwort Ungarn“, wie der Moderator Michael Stempfle in der Diskussionsrunde bemerkte. „Wir machen uns Gedanken darüber, mit wem wir kooperieren und mit wem wir zusammenarbeiten“, sagte Thomas Hitschler, Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremium. Die Einhaltung der rechtstaatlichen Prinzipien hält der Sozialdemokrat für zwingend notwendig, daher sei es für die Parlamentarier so wichtig, Gesetze so auszuformulieren, dass sie für die Arbeit der Dienste klare Vorgaben enthalten und keine Graubereiche ermöglichen.

„Ausspähen unter Freunden: Das geht gar nicht“ – ein Satz, der im Zuge der Diskussion des NSA-Skandals gefallen ist. Für Patrick Sensburg ist klar: Auch die europäischen Partner und Freunde spähen sich aus. „Ich habe immer gesagt: Vertrauen ist da fehl am Platze“, sagte der CDU-Abgeordnete, der ebenfalls Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium ist. Natürlich seien auch die europäischen Partner daran interessiert. Kenntnisse über deutsche Verhandlungspositionen zu erhalten – Sensburg nannte als Beispiel den Brexit. Die Briten hätten mit Sicherheit großes Interesse daran gehabt, die Verhandlungslinien der EU in Erfahrung zu bringen. Deshalb sei Wachsamkeit auch bei Kooperationen auf europäischer Ebene angebracht, so Sensburg.

Sensburg betonte zudem, dass die EU-Staaten oft auch völlig andere Interessen und Ziele verfolgten. So habe Frankreich ein großes Interesse an afrikanischen Staaten und investiere viel Geld, um dort Informationen zu generieren. „Polen hat dagegen eine starke Fokussierung nach Osten hin“, sagte der Parlamentarier. Wie anderen osteuropäische Staaten stünden dort Erkenntnisse über russische Aktivitäten eher im Fokus.

So ist schon auf europäischer Ebene alles andere als einfach, eine funktionierende und effektive Kooperation der Dienste zu etablieren. Doch wie sieht es im Verhältnis zu anderen Staaten auf der Welt aus? Dr. Conrad verwies darauf, dass die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen zu praktisch allen Staaten unterhalte – so sei es normal, dass sich auch die Dienste in Bezug auf bestimmte Themen systemübergreifend austauschen, etwa wenn es um die Lage in einem Krisengebiet geht. „Sie können auch mit den unmöglichsten Partnern Gutes stiften“, betonte Conrad und nannte als Beispiel Entführungslagen. „Wenn Sie entführte Staatsbürger aus einem Land herausholen wollen, das Ihnen unsympathisch ist, was machen Sie dann?“, fragte Conrad in die Runde. Auch in anderen Fällen gebe es oft punktuelle Gemeinsamkeiten. Es gelte zu unterscheiden, in welcher Sache mit anderen Diensten kooperiert werde.

Auch für Hitschler kommt es auf die Art und Weise der Kooperation an. Ihn erinnere die Diskussion stark an die Debatte um Rüstungsexporte, auch dort sei schwer zu unterscheiden: Was ist ein guter Staat und was ist ein schlechter Staat?

 Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe trat der bekannte Historiker Prof. Dr. Sönke Neitzel ans Rednerpult. Es folgte ein unterhaltsamer Vortrag über „Kulturen der Intelligence – Wie Nationen ihre Nachrichtendienste sehen“. So stieg Neitzel mit einem Stereotypen ein, der oft in Großbritannien zu hören sei, wenn es um Nachrichtendienste geht: „The Germans can do everything but intelligence.“ Übersetzt: Die Deutschen können alles außer Nachrichtendienst. In anderen Staaten habe man ein ganz anderes Bild von der Arbeit der Dienste, erläuterte Neitzel. Auch die Art und Weise des Diskurses über Dienste sei ganz anders als hierzulande.

„Die Deutschen verstehen unter Aufklärungsarbeit die taktische Gefechtsfeldaufklärung, also militärisch, aber nicht die Arbeit von Nachrichtendiensten“, so der Historiker der Universität Potsdam mit Blick auf die Anfänge der nachrichtdienstlichen Aktivitäten in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.

Aber auch in Gegenwart angekommen, findet Neitzel einige kritikpunkte: So spiele das Nachrichtenwesen an den deutschen Universitäten kaum eine Rolle, von der Hochschule des Bundes abgesehen. „Es gibt bis heute in Deutschland keinen nennenswerten Diskurs über Nachrichtendienste, der zumindest in einer gewissen Breite da ist. Was es aber gibt, ist die Kritik an Nachrichtendiensten.“ Dies werde sogar in der Trivialliteratur sichtbar: So gebe in der Bundesrepublik anders als in Großbritannien – James Bond lässt grüßen – kaum Romane über Spionage, die ein positives Bild zeichnen.

Dass an drei Tagen im Rahmen der Veranstaltungsreihe des Bildungswerks des DBwV Einblicke in das sonst in Deutschland so wenig thematisierte Feld der Nachrichtendienste ermöglicht wurden, dürfte also durchaus im Sinne des Historikers Sönke Neitzel gewesen sein.

Auch diesen letzten Teil der Veranstaltung stellen wir Ihnen gerne nochmal in Gänze zur Verfügung:

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