Für Verteidigungsminister Boris Pistorius ist der jetzt verabschiedete Einzelplan 14 dem „Ernst der Lage angemessen“. Foto: picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Für Verteidigungsminister Boris Pistorius ist der jetzt verabschiedete Einzelplan 14 dem „Ernst der Lage angemessen“. Foto: picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

01.02.2024
Von Yann Bombeke/dpa

Bundestag verabschiedet Verteidigungsetat für 2024

Es war eine schwierige und langwierige Geburt, aber nun ist der Verteidigungshaushalt für 2024 unter Dach und Fach: Mit den Stimmen der Regierungskoalition wurde der Einzelplan 14 vom Bundestag angenommen, die Oppositionsparteien und fraktionslosen Abgeordneten stimmten dagegen.

Berlin. „Es ist der höchste Einzelplan aller Zeiten – das muss man immer wieder betonen“, sagte Wolfgang Hellmich, Sprecher der Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der SPD-Fraktion, zum Ende einer fast zweistündigen Debatte über den Verteidigungshaushalt. Tatsächlich stehen der Bundeswehr im laufenden Jahr nun 51,95 Milliarden Euro zur Verfügung – 50,12 Milliarden waren es 2023 gewesen. Hinzu kommen knapp 20 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen. Alles zusammengenommen erreicht Deutschland damit erstmals das Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Wie das zu bewerten ist, sahen Vertreter von Regierung und Opposition erwartungsgemäß völlig unterschiedlich.

„Brauchen dauerhaft mindestens zwei Prozent“

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht den Verteidigungsetat als dem „Ernst der Lage angemessen“. Im vergangenen Jahr habe man schon viel erreicht, mit einer Rekordzahl von mehr als 50 sogenannten 25-Mio-Vorlagen – sprich Rüstungsvorhaben, deren Wert die 25-Millionen-Grenze überschreitet. Der Minister nannte die Beschaffung von weiteren Schützenpanzern Puma, schweren Transporthubschraubern CH-47 und Kampfjets F-35A als Beispiel. Pistorius warnte aber: In einer Welt mit einer Vielzahl von Konflikten und Umbrüchen müsse man sich darauf einstellen, dass sich die Finanzbedarfe der Bundeswehr steigern. „Wir brauchen dauerhaft mindestens zwei Prozent“, sagte Pistorius. Er versprach, auch in diesem Jahr die Zeitenwende weiter mit Leben zu füllen.  

Für Andreas Schwarz, ebenfalls SPD, vermittelt der Haushalt „Stärke“. Der Haushaltspolitiker betonte: „Deutschland und die NATO müssen so stark werden, dass niemand Lust hat, dieses Bündnis anzugreifen.“ Schwarz sprach aber auch von „enormen Anforderungen“ an die zukünftigen Haushalte – insbesondere ab 2028, wenn das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro aufgebraucht sein werde. Darüber mache man sich in der Regierungskoalition Gedanken. „Wir haben keine Denkverbote, um dieses Ziel zu erreichen“, sagte Schwarz. So könne man auch über ein weiteres Sondervermögen oder ein Aussetzen der Schuldenbremse reden.

„Verteidigungsfähigkeit ist eine Daueraufgabe“

Dr. Sebastian Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) betonte die Notwendigkeit weiterer Unterstützung für die Ukraine und forderte auch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern – ein Streitpunkt in den Reihen der Ampel. Viel kritisiert wurde die Finanzierung von Nachbeschaffungen von abgegebenem Bundeswehr-Gerät aus dem Topf des Sondervermögens. Schäfer hält das für vertretbar, „denn die Bundeswehr erhält besseres und moderneres Material“.

Karsten Klein (FDP) hob hervor, dass es darum gehe, „die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes wiederherzustellen“. Indirekt wandte sich Klein aber gegen ein Aussetzen der Schuldenbremse: „Verteidigungsfähigkeit ist eine Daueraufgabe. Und Daueraufgaben müssen aus laufenden Einnahmen finanziert werden.“ Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sagte Klein, dass den Abgeordneten der AfD „vermeintlich einfache Lösungen“ aus Moskau „zugeflüstert“ würden.

„Schreckensszenario“ für die Bundeswehr

Wenig überraschend hat die Opposition eine ganz andere Sicht auf den Einzelplan 14. „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, sagte der CDU-Abgeordnete Ingo Gädechens, für den der Zug „in die falsche Richtung“ fährt. Er warnte vor einem „Schreckensszenario“ für die Bundeswehr: 56 Milliarden Euro würden der Bundeswehr 2028 fehlen, wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist. Dies sei „unseriöse Haushaltspolitik“. Auch das Zwei-Prozent-Ziel im aktuellen Etat sei nur durch „Tarnen, Täuschen und Tricksen“ erreicht worden.

Auch Dr. Reinhard Brandl (CSU) blickte bereits auf die Zeit nach dem Sondervermögen: „Wir haben heute keine Antwort darauf gehört, wie das Loch ab 2028 gestopft werden soll.“ Die Bedrohung für die Sicherheit sei eine Daueraufgabe, die sich nicht mit einem Sondervermögen lösen lasse, so Brandl.  Der Anteil des Verteidigungshaushalts am Gesamthaushalt sinke. Bei der Beschaffung arbeite man immer noch im „Friedensmodus“ – dies sei nicht angemessen.

Rüdiger Lucassen (AfD) sagte, dass die Probleme der Bundeswehr nicht an mangelnden Mitteln liegen, denn Boris Pistorius habe nun 72 Milliarden Euro zur Verfügung. Er warf der Regierung „Missmanagement“ vor. Die nunmehr fraktionslose Gesine Lötzsch sagte, der Rekordhaushalt sei „kein Grund, stolz zu sein“. Noch nie habe eine Bundesregierung „so viel für Krieg und Rüstung ausgegeben“.

Hitzige Generaldebatte

Der Haushaltsdebatte vorausgegangen war die traditionelle Generaldebatte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte den viel kritisierten Kurs der Ampel-Regierung und attackierte Oppositionsführer Friedrich Merz frontal. Der Kanzler warf dem CDU/CSU-Fraktionschef vor, sich mit seiner Aufkündigung eines „Deutschlandpakts“ mit der Regierung aus der Verantwortung zu stehlen. „So viel Feigheit vor der eigenen Courage habe ich noch nie gesehen“, sagte Scholz.

Merz hatte Scholz zuvor aufgefordert, sich seine Appelle zur Zusammenarbeit zu sparen. „Diese Aufrufe sind nichts anderes als reine politische Rhetorik“, sagte Merz. Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre hätten gezeigt, dass die Koalition an einer wirklichen Kooperation nicht ernsthaft interessiert sei. Wo die Union wie beim Sondervermögen für die Bundeswehr zugestimmt habe, halte sich die Regierung nicht an Vereinbarungen. Eine Zustimmung zu einer Aufweichung der Schuldenbremse schloss Merz folglich auch aus.

Geeint wurden Ampel-Koalition und Union aber durch die Rede von AfD-Chefin Alice Weidel, die der Regierung vorwarf, eine „Schneise der Verwüstung“ durch Deutschland zu ziehen. „Es brennt in Deutschland. Und die Regierung aus überforderten Fehlbesetzungen und starrsinnigen Ideologen ist der Brandstifter“, sagte sie. „Diese Regierung hasst Deutschland.“

Das ging selbst CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zu weit. „Diese Regierung regiert schlecht, aber sie hasst dieses Land nicht“, sagte er. Auch andere Redner kritisierten Weidel für ihre Aussagen scharf. Nach den Enthüllungen über das Treffen radikaler Rechter in Potsdam und der Demonstrationswelle gegen rechts verschärft sich der Ton aller anderen Bundestagsfraktionen gegenüber der AfD zusehends.

Wüstner mahnt mehr Tempo an

Mitverfolgt hat die Haushaltsdebatte am Mittwoch auch Oberst André Wüstner. Am Abend beklagte der Bundesvorsitzende gegenüber dem TV-Sender Phoenix das „Schneckentempo“, mit dem sich die Bundeswehr nach wie vor rüste. So würden die Streitkräfte bestimmt nicht bis Ende 2027 modern ausgestattet und einsatzbereit sein. Ende 2027 – das ist der Zeitpunkt, an dem das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro aller Voraussicht nach aufgebraucht sein wird. Es droht ein riesiges finanzielles Loch. Trotz aller Anstrengungen, die seit dem Amtsantritt von Verteidigungsminister Boris Pistorius vor einem Jahr unternommen wurden, sei man „immer noch hinter der Welle“, so Wüstner.

Wüstner nannte drei Aspekte, auf die es nun ankommt: Eine einsatzbereite Bundeswehr, eine wehrhafte Gesellschaft und eine leistungsfähige Rüstungsindustrie – „und gerade da hapert es“, sagte der Bundesvorsitzende.

So sei das Kernproblem neben den fehlenden finanziellen Haushaltsmitteln die mangelnde Verfügbarkeit von Rüstungsgütern – verursacht durch die zurückgefahrenen Kapazitäten der Industrie, Folge des Schrumpf- und Sparkurses der Streitkräfte in den vergangenen Jahren. Um diesen Zustand umzukehren, sieht Wüstner nicht nur das BMVg in der Pflicht: „Jetzt schnell wieder aufzubauen, das ist nicht nur die Herausforderung von Verteidigungsminister Pistorius, sondern insbesondere auch vom Kanzleramt. Denn es ist es eine gemeinschaftliche Aufgabe, die Rüstungsindustrie wieder zu befähigen, dass sie schneller als bisher produziert, einerseits für die Ukraine und andererseits für die Bundeswehr.“

 

Aktualisiert am 02.02.2024 um 12:20 Uhr

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