Die Grundsätze der Inneren Führung haben sich bis heute bewährt - sie sind nach wie vor das Fundament für das Selbstverständnis unserer Streitkräfte. Foto: Bundeswehr/Marco Dorow

Die Grundsätze der Inneren Führung haben sich bis heute bewährt - sie sind nach wie vor das Fundament für das Selbstverständnis unserer Streitkräfte. Foto: Bundeswehr/Marco Dorow

21.11.2020
Von Frank Jungbluth

„Die Innere Führung ist kein Selbstzweck, sie ist wichtig für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr“

Wie hat sich das Prinzip der Inneren Führung in 65 Jahren Bundeswehr entwickelt? Unser Chefredakteur Frank Jungbluth hat darüber für unser Verbandsmagazin „Die Bundeswehr“ mit Generalmajor André Bodemann, Kommandeur des Zentrums für Innere Führung in Koblenz, gesprochen.

Die Bundeswehr: 70 Jahre Himmeroder Denkschrift: Was haben uns Baudissin, Heusinger und Friedrich Ruge hinterlassen?
Generalmajor André Bodemann: Es ging damals darum, etwas ganz Neues zu schaffen, neue Streitkräfte vor allem, die sich nach demokratischen Prinzipien ausrichten sollten. Für uns ist das Kapitel V der Himmeroder Denkschrift entscheidend. In diesem Kapitel geht es um das Innere Gefüge, aus dem sich die Innere Führung ableitet. Damit war klar definiert, dass man zum einen den Kämpfer benötigte, der fähig und willens ist, die Bundesrepublik Deutschland sowie das Bündnis zu verteidigen und auf der anderen Seite den Staatsbürger in Uniform, den Soldaten, der in der demokratischen Gesellschaft verankert, dieselbe Freiheit und dieselben Werte erfährt und damit überzeugt ist, die Freiheit und die Grundrechte aller zu verteidigen und die Würde des Menschen anzuerkennen. Dazu gehört seitdem auch, dass der Soldat weiß, wozu er dient und vor seinem Gewissen überprüfen darf und muss, ob das, was er tut, auch richtig ist. Bis heute gibt es – glaube ich – keine Armee, die so etwas hat wie unsere Prinzipien der Inneren Führung. Darauf kann man stolz sein.

Wie hat sich die Innere Führung seit der Gründung der Bundeswehr 1955 verändert?
Die Grundsätze der Inneren Führung haben sich bis heute bewährt, auch im Einsatz. Das ist ein Fundament für das Selbstverständnis unserer Streitkräfte, das sich nicht verändert hat und auch nicht verändert werden sollte. Aber, die Welt um uns herum hat sich weitergedreht. Es ergeben sich immer wieder gesellschaftliche, (sicherheits-)politische, technologische und andere Veränderungen. Und das bedeutet eben auch, dass sich die Innere Führung weiterentwickeln muss. Dies geschieht auch fortwährend. Die wechselnden Aufträge der Bundeswehr, von einer Armee für die Landes- und Bündnisverteidigung zu einer Einsatzarmee und jetzt zurück zum Schwerpunkt Landes- und Bündnisverteidigung, auch das hat Einfluss auf die Innere Führung. Oder aber beispielsweise unsere zunehmend digitale Gesellschaft, die Cyber-Thematik, die Aussetzung der Wehrpflicht, um nur drei Beispiele zu nennen, führen zu notwendigen Anpassungen beziehungsweise Erweiterungen der Inneren Führung. Dennoch: Die Fundamente bleiben. Innere Führung ist kein Selbstzweck. Sie ist ein wesentlicher Beitrag zur Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, ebenso wie einsatzfähiges Material und gute Ausbildung. Ohne die Innere Führung, ohne das Erkennen, wofür ich diene, ist das wenig wert.

Die Wehrpflicht ist ausgesetzt, wie kann man den Grundsatz des Staatsbürgers in Uniform, der das ganze Spektrum der Gesellschaft abbildet in einer Freiwilligen- und Berufsarmee mit Leben füllen?
Staatsbürger in Uniform heißt für mich nicht, dass jeder Mann beziehungsweise heute jede Frau in der Bundeswehr dienen muss, wie das früher war. Das heißt für mich eher, dass die Soldatinnen und Soldaten Teil des Staates und Teil unserer demokratischen Gesellschaft mit allen Rechten und Pflichten sind. Die Bundeswehr ist in unserer Gesellschaft und unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung fest integriert. Vielleicht noch ein anderer Aspekt, der häufig missverstanden wird: Innere Führung heißt nicht nur, dass wir alle nett zueinander sind und dass wir gut führen. Innere Führung soll ja auch dazu beitragen, dass Soldatinnen und Soldaten erkennen, dass wir dienen und wofür wir dienen, dass wir unseren Auftrag loyal zum Staate, auf dem Boden der Verfassung gesetzestreu und mit der Verpflichtung zur Tapferkeit umsetzen. Und das schwören wir sogar in unserem Eid, indem wir in letzter Konsequenz für die Werte Demokratie, Freiheit, Menschenrechte etc. unsere eigene seelische wie körperliche Unversehrtheit oder gar das eigene Leben einbringen. Das Wort Dienen ist mir an der Stelle sehr wichtig. Das wird heute altmodisch bewertet, dabei ist es hochaktuell. Denn unsere Streitkräfte dienen dem Staat loyal, natürlich im Rahmen dessen, was man mit seinem Gewissen verantworten kann.

Unsere Demokratie ist unter Beschuss. Wie kann sich die Bundeswehr gegen rechtsradikale Umtriebe wehren?
Ich will jetzt nicht nur darüber reden, wie viele Verdachtsfälle und tatsächliche Verstöße es in der Bundeswehr gibt. Jeder Fall ist selbstverständlich einer zu viel. Innere Führung – und damit auch politische Bildung – ist in diesen Zeiten sehr wichtig, weil wir merken, dass viele junge Soldatinnen und Soldaten, die heute zu uns in die Streitkräfte kommen, Orientierung brauchen. Das, was wir früher im Elternhaus, in der Familie oder auch in der Schule vor 30, 40 Jahren mitbekommen haben, ist heute nicht mehr so selbstverständlich. Die Bundeswehr ist zwar nicht die Schule der Nation, aber man schaut besonders auf uns und das bedingt eine besondere Verantwortung. Wir müssen heute mehr Orientierung zum Selbstverständnis sowie den Regeln und Gesetzmäßigkeiten unseres demokratischen Rechtsstaates geben. Das merkt man an vielen Stellen. Und genau da setzen wir mit der politischen Bildung an, die ein Teil der Persönlichkeitsbildung und damit der Inneren Führung ist. Nur so kann man in die Lage versetzt werden, Extremismus, Fake News und Populismus frühzeitig zu erkennen und dagegen anzutreten.

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