Bundeskanzler Olaf Scholz tauscht sich im Dialogforum mit Bürgerinnen und Bürgern aus. Foto: DBwV

Bundeskanzler Olaf Scholz tauscht sich im Dialogforum, einem wesentlichen Bestandteil des Demokratiefests, mit Bürgerinnen und Bürgern aus. Foto: DBwV

24.05.2024
Von Anne Jekien und Philipp Kohlhöfer

Ehre, wem Ehre gebührt

Blauer Himmel, viele Menschen rund um den Bundestag und das Kanzleramt, es ist warm in Berlin, die Stimmung ist entsprechend gut, denn: Das deutsche Grundgesetz wird 75 Jahre alt.

„Das Grundgesetz garantiert unsere Freiheit“, sagt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) bei der Eröffnung des Demokratiefests. Sie steht im Reichstag vor der Abgeordnetenlobby, direkt vor dem Plenarsaal. Sie sagt: „Lassen Sie uns unsere Demokratie feiern.“ Ein paar hundert Zuhörer sind da, die meisten noch relativ jung, normale Bürger, Jeans, T-Shirt, Bas spricht die Besucher direkt an, wenn sie sagt: „Sie machen das Demokratiefest erst möglich“, aber eigentlich meint: Sie machen die Demokratie erst möglich.

Mit dem Geburtstag der Verfassung hat auch das „gute“ Deutschland Geburtstag. Die Verfassungsmütter und -väter nannten die neue Verfassung „Grundgesetz“, weil es als Provisorium bis zur Wiedervereinigung gedacht war. Seit 1990 gilt es jedoch für West und Ost und behielt den ursprünglichen Namen. Aus der Nazi-Asche und der sozialistischen Ruine DDR ist der Diamant „Bundesrepublik“ entstanden, das beste Deutschland, das es jemals gab.

Und so ist 2024 auch das Jahr demokratischer Wegmarken: Im August 1949 wird der erste Bundestag gewählt, der wiederum fast exakt vier Wochen später den ersten Nachkriegskanzler wählt. Nur drei Tage zuvor wird der erste Bundespräsident von der ersten Bundesversammlung ins Amt gewählt. Zudem liegt die friedliche Revolution in der anderen deutschen Diktatur, der DDR, 35 Jahre zurück. Zu feiern gibt es also genug in diesen Tagen Ende Mai in Berlin und das Wetter gibt sein Bestes, um die Stimmung nicht zu verderben.

Aber ist die Verfassung des Landes im Moment so gut wie die Verfassung? „Auf jeden Fall“, sagt Anusha Ebermann, 32, aus Indien. Wohnt in Berlin. Verkauft da schwäbische Maultaschen, mehr Mischung geht kaum. Das Gefühl, hier nicht akzeptiert zu sein, hat sie noch nie gehabt. Im Gegenteil: Sie fühle sich gut integriert und das liege eben auch daran, dass ihr das Grundgesetz den Weg erleichtert habe. „Demokratie ist wichtig“, sagt sie, „weil sie das Zusammenleben harmonisch organisiert.“

„Das Grundgesetz“, sagt Maximilian Hani, 18 Jahre alt und aus Oberbayern, „ist der Boden, auf dem wir alle stehen.“ Er sagt: „Man merkt schon, dass die innere Stimmung in Deutschland etwas angeheizt ist.“ Das sei aber klar, in einer Zeit, in der so viel passiert. „Es ist wichtig, dass in solchen Zeiten ein uns alles verbindendes Mittel wie das Grundgesetz existiert, das uns zusammenhält.“

Das Programm ist so vielfältig wie die Menschen hier, in Berlin und auf dem Fest, die Stände auch. Das Fest ist eine bunte Mischung aus Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen und Ausstellungen.  

Im Dialogforum tauscht sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Bürgern aus. Die Fragen, die er eine Stunde lang beantwortet, sind vielfältig: von der Integration der Jesiden über die Caritas, Taurus und die Jugendfeuerwehr, das Ehrenamt im Allgemeinen und der Fußball im Speziellen. Die meisten stellen aber keine Fragen, sondern erzählen nur ein wenig und sind ganz froh, dass Scholz zuhört. Und dann sagt jemand, dass ein Bekannter fürs Klima hungert und das nur tut, um mit dem Kanzler ins Gespräch zu kommen. Der Angesprochene findet das affig und sagt das auch so, weil man nicht hungern muss in Deutschland, um mit den Regierenden ins Gespräch zu kommen. Was auch ein Verdienst des Grundgesetzes ist. Danach wird viel gedrängelt, Scholz macht geduldig ein Selfie nach dem anderen. Die Stimmung ist freundlich, es wird viel geklatscht, alle sind wohlgesonnen.

Nicht weit entfernt präsentiert sich auch die Bundeswehr mit Feldjägern, KSK und Wachbataillon. Das kann passender nicht sein – schließlich ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee und so unmittelbar mit dem Grundgesetz verbunden. Artikel 115a sagt, dass zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen müssen, bevor es zu einem bewaffneten Einsatz kommt. Das ist eine hohe Hürde und global alles andere als selbstverständlich. Die Gründerväter und -mütter schafften so einen Kontrollmechanismus, zumal auch der Bundesrat zustimmen muss. Und obwohl bei Auslandsmissionen weder ein Angriff noch ein Verteidigungsfall vorliegt, ist auch hier das Parlament beteiligt. Seit 2005 wird das von einem Parlamentsbeteiligungsgesetz geregelt.

„Auf dem Weg hierher haben wir darüber nachgedacht, warum das Grundgesetz erst nach 75 Jahren gefeiert wird. War es nach 70 Jahren noch nicht so gut?“, fragt ein Feldjäger. Name und Dienstgrad dürfen nicht genannt werden, er ist Personenschützer für militärisches Personal, man soll ihn nicht zuordnen können. Er ist hier für eine Selbstverteidigungsvorführung, weil die Truppe auch beim Demokratiefest versucht, Nachwuchs zu gewinnen. Jedenfalls, sagt er, findet er es super, dem Grundgesetz endlich mal einen feierlichen Rahmen zu geben. „Für mich das Wichtigste: Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Sein Kamerad, ebenfalls namenlos, sagt: „An erster Stelle im Grundgesetz steht nicht Deutschland, sondern die Menschenwürde.“ Er findet das ganz beachtlich.

Und auch der BundeswehrVerband ist ohne das Grundgesetz nicht denkbar. Artikel 9 ist ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen Grundordnung und schützt mit der Koalitionsfreiheit die Freiheit der Bürger, sich zu organisieren. Gleichzeitig setzt er klare Grenzen, um Extremismus und Verfassungsfeindlichkeit vorzubeugen. Letztlich stehen in den ersten 19 Artikeln auch die Grundlagen für den Staatsbürger in Uniform.

„Auf den Punkt gebracht: Nach den zehn Geboten ist das Grundgesetz das wohl wichtigste Regelwerk für das menschliche Miteinander, das ich kenne“, sagt Oberst André Wüstner, der Bundesvorsitzende. „Am 75. Geburtstag des Grundgesetzes feiern wir die Grundlage für alles: Für die Rückkehr Deutschlands in die Gemeinschaft der Völker nach dem furchtbaren Krieg, für das friedliche und gleichberechtigte Zusammenleben der Menschen in unserem Land, für unsere Bundeswehr als Schutz für Frieden und Freiheit und ja: mit der Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 auch die Grundlage für unseren DBwV.“ Er sagt: „Wir alle stehen in der Pflicht: Seien wir achtsam – und schützen wir unser Grundgesetz mit aller Kraft!“

Lukas Neumann, 19 Jahre, alt, Obergefreiter beim Wachbataillon und Verbandsmitglied, sagt: „Das Grundgesetz ist eine gute Basis, um ein Land zu führen und zu verteidigen. Es ist einfach wichtig für jeden.“ Er ist stolz, der Verfassung zu dienen, er wollte mehr tun, um das Land zu schützen. Er sagt: „Es wird zu viel gemeckert, viele sind nicht ausreichend informiert.“

Und auch Veronica Franz, Besucherin, 40, sagt, dass es im Alltag zu viel schlechte Laune gebe. Sie hat Angst, dass das Land in Extremismus abrutschen könnte und ist hier, um sich über die Regierung zu informieren.

Ins Gespräch kommen, das Land, die Spitzen der Verfassungsorgane mit ihren Bürgern, das ist auch Teil der Idee hinter der Veranstaltung. Und so kommen neben Bärbel Bas und dem Kanzler auch Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sowie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, nach Berlin ins Dialogforum am Kanzleramt. Neben Scholz sind auch diverse Minister seines Kabinetts vor Ort, um über aktuelle Themen zu diskutieren. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) etwa, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock (beide Bündnis 90/Die Grünen) und Justizminister Marco Buschmann (FDP). Am Sonntag wird sogar der französische Präsident Emmanuel Macron erwartet.

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