Insgesamt 101 Rekrtinnen und Rekruten legten auf dem Paradeplatz am Bendlerblock ihr Gelöbnis ab. Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke

Insgesamt 101 Rekrutinnen und Rekruten legten auf dem Paradeplatz am Bendlerblock ihr Gelöbnis ab. Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke

21.07.2021
Yann Bombeke/dpa

Gelöbnis im Bendlerblock: „Der 20. Juli und der Widerstand gegen Hitler gehören zur DNA der Bundeswehr“

Mit einem Gelöbnis im Berliner Bendlerblock wurde gestern an das gescheiterte Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 erinnert. Vor 77 Jahren waren an diesem Ort Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg und drei weitere Mitverschwörer hingerichtet worden. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer betonte, dass der 20. Juli 1944 bis heute Sinn stifte.

Berlin. 101 Rekrutinnen und Rekruten waren angetreten, um das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Wie schon im vergangenen Jahr war der Rahmen des feierlichen Appells aufgrund der Corona-Pandemie kleiner als üblich. Die Soldatinnen und Soldaten kamen vom Wachbataillon beim BMVg in Berlin, vom Logistikbataillon 171 aus Burg, vom Logistikbataillon 172 aus Beelitz sowie von der Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr. Das Wachbataillon führte das Feierliche Gelöbnis unter Leitung von Oberstleutnant Kai Beinke durch. Das Musikkorps der Bundeswehr unter Leitung von Oberstleutnant Christoph Scheibling begleitete das Gelöbnis musikalisch.

Zu Beginn ihrer Rede ging Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf die Hochwasserkatastrophe der vergangenen Tage ein. „Unsere ersten Gedanken und Worte gelten heute aber denen, die in den letzten Tagen auf so furchtbare Art und Weise Opfer der Flutkatastrophe in Deutschland geworden sind – in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz, in Bayern und in Sachsen. Wir denken an diejenigen, die ihr Leben verloren haben, an die, die ihre Lieben schmerzlich vermissen, an die, die ohne Hab und Gut dastehen, aber wir denken auch an die, die in den letzten Tagen und Stunden geholfen haben und noch immer helfen.“ Die Ministerin versprach, dass die Bundeswehr so lange helfen werde, wie sie benötigt werde. Dies gelte auch für den Einsatz in der Bewältigung der Corona-Pandemie.


Kramp-Karrenbauer betonte, dass die Amtshilfe nur einen Teil der soldatischen Wirklichkeit ausmache. „Wenn ich heute hier in Ihre Gesichter blicke, dann denke ich auch an unsere Kameradinnen und Kameraden, die gerade in Mali im Einsatz sind. Kurz nach dem Selbstmordanschlag auf unsere Truppe traf ich sie in Gao. Viele von ihnen sind jung, nicht viel älter als Sie, nicht wenige sind zum ersten Mal im Auslandseinsatz. Manchen stand der Schock über das Erlebte noch ins Gesicht geschrieben. Sie sind weit weg von zuhause, sie erleben die Realität bewaffneter Konflikte und des islamistischen Terrorismus.“ Auch auf den vor wenigen Wochen beendeten Afghanistan-Einsatz ging die CDU-Politikerin ein. Die Männer und Frauen der Bundeswehr könnten stolz sein, so die Ministerin, denn sie hätten alle Aufträge erfüllt, die der Bundestag ihnen gegeben hat.

Der 20. Juli sei ein besonderer Tag, sagte Kramp-Karrenbauer. „Heute vor 77 Jahren fand hier, an dem Ort, an dem wir heute stehen, ein verzweifelter und später Versuch statt, Deutschland von der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus zu befreien.“ Die Verteidigungsministerin weiter: „Es bleibt dennoch der Triumph Stauffenbergs und seiner Mitverschwörer, dass der 20. Juli bis heute Sinn stiftet. Der 20. Juli und der Widerstand gegen Hitler gehören zur DNA der Bundeswehr.“

An die Rekrutinnen und Rekruten gewandt, sagte die Ministerin, dass von ihnen Charakterstärke, Kenntnisse der Geschichte und politische Bildung erwartet würden. Es mache einen Unterschied, wie gedient werde. „In der Bundeswehr gibt es für Extremismus, sexuelle Übergriffe und Mobbing keinen Platz.“

Kramp-Karrenbauer betonte, dass sie sich freue, dass es nach mehr als 100 Jahren wieder eine jüdische Militärseelsorge in Deutschland gebe. „Jüdinnen und Juden gehören ganz selbstverständlich zu uns – in Deutschland und deswegen auch in der Bundeswehr“, sagte die Saarländerin. Wo Antisemitismus versuche, Fuß zu fassen, werde ihm entschieden entgegengetreten. Kramp-Karrenbauer dankte den jüdischen Glaubensgemeinschaften und dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, für das Vertrauen.


Schuster sprach als Ehrengast vor den angetretenen Rekrutinnen und Rekruten. „Der 20. Juli 1944 begann für einige Menschen voller Hoffnung“, sagte Schuster, „mit der Hoffnung, dass es endlich gelingen möge, Hitler zu töten“. Der Tage habe grausam in diesem Hof, dem Bendlerblock, geendet. Die Widerstandskämpfer des 20. Juli seien grausam ermordet worden, weil sie ihrem Gewissen gefolgt und sich gegen die Nazi-Diktatur gestellt hätten.

1944 hätten Schusters Eltern und Großeltern väterlicherseits das rettende Palästina bereits erreicht. „Meine Großeltern mütterlicherseits schafften es nicht mehr, sie wurden in Auschwitz ermordet.“ Im letzten Kriegsjahr hätten noch unzählige Menschenleben gerettet werden können, wenn das Attentat vom 20. Juli 1944 geglückt wäre. „Trotz dieses Fehlschlags blicken wir heute mit tiefem Respekt auf die Widerstandkämpfer vom 20. Juli und auf alle Frauen und Männer, die es wagten, sich gegen das verbrecherische NS-Regime zu erheben, zurück“, sagte Schuster.


Mit Blick auf die Bundeswehr von heute sagte der Präsident des Zentralrates der Juden: „Die Bundeswehr kann für sich in Anspruch nehmen, eine Armee der Demokratie zu sein. Eine demokratische Armee ist sie aber erst, wenn ihre Soldatinnen und Soldaten diese Haltung zeigen. Einzustehen für die demokratischen Werte, den Mund aufzumachen gegen Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit.“ Von den jungen Soldatinnen und Soldaten forderte Schuster militärischen Mut im Einsatz und Zivilcourage im Alltag für eine demokratische Armee ein.


Wenige Stunden zuvor hatten die Bundesregierung und der Berliner Senat die Widerstandsbewegung gegen das NS-Regime an der Gedenkstätte in Berlin-Plötzensee gewürdigt. Die Frauen und Männer des 20. Juli 1944 seien auch heute noch Vorbilder, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bei einer Feierstunde. Denn sie hätten trotz unterschiedlicher politischer, weltanschaulicher oder religiöser Motive die Kraft gehabt, sich auf das Gemeinsame zu besinnen, und dabei Größe bewiesen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) verwies in einer Erklärung darauf, dass der Aufstand von Wehrmachtsoffizieren zwar gescheitert sei. „Dennoch ist der Versuch von Attentat und Aufstand ein Vorgang von allergrößtem moralischen Gewicht und ein wichtiger Schritt auf dem Weg zurück zu Freiheit und Selbstachtung.“

Heil erinnerte daran, dass auch andere Menschen und Gruppierungen Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten und das alles inzwischen rund acht Jahrzehnte zurückliege - also die Spanne eines Menschenlebens. „Je größer die zeitliche Distanz wird, desto größer wird die Verantwortung unserer Gesellschaft“, mahnte der Minister. „Unsere Verantwortung dafür, diese Vergangenheit nicht zu vergessen. Weder die Verbrechen des Nationalsozialismus, noch den Widerstand dagegen. Wir dürfen nie vergessen, wozu Menschen fähig sind – in jeder Hinsicht.“

Heute gelte es auch, dem Missbrauch des Widerstands entschlossen entgegenzutreten. Es sei infam, „eine Widerstandskämpferin wie Sophie Scholl auf Demonstrationen politisch zu vereinnahmen und gleichzeitig mit notorischen Neo-Nazis zu marschieren“, sagte Heil mit Blick auf Vorkommnisse bei Protesten gegen die Corona-Politik.

Müller verwies darauf, dass erst die von den Alliierten herbeigeführte militärische Niederlage zur Zerschlagung des NS- Regimes geführt habe. „Aus eigener Kraft ist dies den Deutschen nicht gelungen.“ Nach seiner Einschätzung kann Deutschland daraus auch heute noch Lehren ziehen. „Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit sind notwendig, um unser aller Freiheit und die Demokratie zu sichern“, betonte der Berliner Regierungschef. Autoritäre, freiheitsfeindliche Tendenzen, Rassismus und Antisemitismus seien eine existenzielle Gefahr für unser Gemeinwesen.

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