Eine Abstimmung mit historischer Tragweite: Der Bundestag hat heute mit dem Sondervermögen die größte Ertüchtigungsmaßnahme in der Geschichte der Bundeswehr beschlossen. Foto: picture alliance/dpa / Michael Kappeler

03.06.2022
Von Yann Bombeke

Historischer Schritt: Bundestag beschließt Sondervermögen für die Bundeswehr

Es ist nicht vermessen, von einem historischen Tag für die Bundeswehr zu sprechen: Der Bundestag hat den Weg für das Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für Investitionen in die Bundeswehr freigemacht. Mit den Stimmen der Unionsparteien wurde die notwendige Mehrheit für eine Grundgesetzänderung erreicht. Später war es dann nur noch ein formaler Schritt, das Bundeswehrsondervermögensgesetz zu beschließen.

Berlin. Über viele Wochen wurde gestritten, nach der Einigung der Ampel-Koalitionäre mit den Unionsparteien vor wenigen Tagen steht nach dem heutigen Votum des Bundestages endgültig fest: Das Bundeswehrsondervermögen kommt. In den kommenden Jahren werden 100 Milliarden Euro zusätzlich in die Streitkräfte investiert, um diese wieder fit für die Landes- und Bündnisverteidigung zu machen. Es ist die größte Ertüchtigungsmaßnahme in der Geschichte der Bundeswehr.

Zunächst stimmten die Abgeordneten über die Änderung des Grundgesetzes ab, die für die Einrichtung des Sondermögens notwendig war – in die Deutsche Verfassung wird nun ein neuer Paragraf 87a eingefügt. Es gab 567 Ja-Stimmen, wobei 491 schon ausreichend gewesen wären. Lediglich die Linke und die AfD stimmten mit Nein. In dem neuen Artikel wird geregelt, dass für die Bundeswehr an der Schuldenbremse vorbei Kredite in Höhe von 100 Milliarden Euro aufgenommen werden dürfen. Damit die Änderung in Kraft treten kann, muss auch der Bundesrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen.

In einer weiteren Abstimmung votierten die Parlamentarier anschließend für das eigentliche Bundeswehrsondervermögensgesetz, und dies ebenfalls mit einer breiten Mehrheit. Für das Gesetz stimmten 593 Abgeordnete, 80 dagegen und 7 enthielten sich.

Interessant ist ein Blick auf das jeweilige Abstimmungsverhalten zur Grundgesetzänderung und zum Sondervermögensgesetz: In den Reihen der Ampel-Koalition und der Unionsfraktion gab es nur wenige „Abweichler“, bei den Liberalen gar keine. Bei beiden Abstimungen stimmten sämtliche FDP-Abgeordnete mit Ja.

Wüstner: „Gut für unsere Glaubwürdigkeit“

Der Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner: „Heute ist ein historischer Tag – für die Bundeswehr, für Deutschland. Die Entscheidung für das Sondervermögen ist gut für unsere Glaubwürdigkeit, nach innen wie nach außen. Sie schafft die Grundlage für die Wiedererlangung der Einsatzbereitschaft. Regierung und Parlament haben heute eine Verantwortung übernommen, die von Dauer sein muss. Politik muss verstehen, dass innere und äußere Sicherheit Kern staatlichen Handelns sind. Wehrhaftigkeit und Sicherheit sind und bleiben die Grundlage für Frieden und Freiheit, für uns und unsere Kinder.“

Bevor es zur historischen Abstimmung kam, hatten die Vertreter der Ampel-Koalition nochmals für das wohl größte Vorhaben der „Zeitenwende“, ausgerufen durch Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, geworben.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) betonte die Notwendigkeit der Stärkung der Bundeswehr: „Dieses Parlament ist sich seiner Verantwortung für seine Uniformträgerinnen und Uniformträger bewusst. Wer für unser Land notfalls unter Einsatz des eigenen Lebens wirkt, der verdient die Rückenstärkung des ganzen deutschen Bundestages.“

Von einem „historischen Tag“ sprach auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Es werde ein Ertüchtigungspaket beschlossen, das es in der Geschichte der Bundeswehr noch nie gegeben habe. Das Geld sei „gut investiert in Frieden und Sicherheit unseres Landes“. Auf der Tribüne verfolgte Oberst André Wüstner gemeinsam mit weiteren Soldaten die Debatte. Die Ministerin begrüßte den DBwV-Vorsitzenden „stellvertretend für all diese engagierten Soldatinnen und Soldaten“, mit denen sie in den vergangenen Wochen gesprochen habe.

Lambrecht versprach: „Wir statten unsere Streitkräfte so aus, dass sie ihren Kernauftrag endlich in vollem Umfang erfüllen können, die Landes- und Bündnisverteidigung.“ Eine ordentliche Ausstattung sei dafür das mindeste. In den kommenden Wochen und Monaten werde sich viel verändern. „Es muss vieles umgesetzt werden, es muss schnell bei der Truppe ankommen“, sagte die SPD-Politikerin und kündigte weitere Veränderungen im Beschaffungswesen an, um den Zulauf von Material in die Truppe zu beschleunigen.

Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) ging auf das Beschaffungswesen ein und versprach eine „klare Transparenz“. Bei künftigen Beschaffungen für die Bundeswehr will die Regierung mehr „von der Stange“ kaufen, also Material und Gerät, das bereits bei den Bündnispartnern erprobt und im Einsatz sei.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil betonte: „Diese 100 Milliarden sind auch ein klares Versprechen an unsere Bevölkerung: Wir werden dafür sorgen, dass unser Land jederzeit verteidigt werden kann. Wir sorgen für die Sicherheit unseres eigenen Landes.“

Für Marcus Faber (FDP) ist das Sondervermögen ein „klares Signal in Richtung Russland“. Mit der Stärkung der Bundeswehr habe man Verteidigungskapazitäten in Deutschland und in Europa. Faber nannte ein Beispiel für den aktuellen Mangel in der Bundeswehr, der nun beseitigt werden soll: „Wir haben heute Tag 100 des Krieges in der Ukraine. Und wir haben für zwei Tage Munition. Der NATO-Standard sind 30 Tage.“

SPD, Grüne und Liberale hatten lange mit den Unionsparteien um das Sondervermögen gerungen. Erst in den vergangenen Tagen waren die letzten Differenzen ausgeräumt worden. Vor allem war darüber gestritten worden, ob die 100 Milliarden Euro allein der Bundeswehr oder auch anderen sicherheitspolitischen Vorhaben zugutekommen. „Es ist richtig, dass die 100 Milliarden Euro der Bundeswehr vollumfänglich zur Verfügung stehen“, sagte Matthias Middelberg (CDU). Und weiter: „Das Szenario Landesverteidigung erfordert es, dass wir die Mittel zu 100 Prozent auf die Bundeswehr konzentrieren.“ Wichtig sei es, dass sich Deutschland auch langfristig zu den NATO-Zielen bekenne.

Zufrieden zeigte sich auch Florian Hahn (CSU). „Nach den Verhandlungen war klar: Es ist ein überwältigender Sieg geworden für unsere Bundeswehr“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion und verwies auf ein Vorhaben, das mit dem Sondervermögen umgesetzt werden soll: „Es freut mich besonders, dass wir mit dem Sondervermögen auch den Ersatz für die veraltete Tornado-Flotte auf den Weg bringen, denn damit ist auch die Zukunft der nuklearen Teilhabe gesichert.“ Diese sei ein unverzichtbares Rückgrat für die Sicherheit Europas.

Johann Wadephul sprach von einem Novum: „Verpflichtung und finanzielles Geben kommen jetzt in einen Einklang.“ In den Verhandlungen das Zwei-Prozent-Ziel der NATO nochmal zu fixieren, sei eine Notwendigkeit gewesen, sagte der CDU-Abgeordnete. Bereits 2014 sei das Zwei-Prozent-Ziel der NATO vereinbart worden, nach der Annexion der Krim durch Russland und der Unterstützung der Separatisten in der Ost-Ukraine. „Das war schon die erste Zeitenwende“, sagte Wadephul.

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