Per Videoschalte warnte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bei den Königsbronner Gesprächen vor den für Deutschland relevanten Sicherheitsrisiken. Russland warf sie "Kriegsführung mitten in Europa" vor. Foto: Screenshot DBwV

Per Videoschalte warnte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bei den Königsbronner Gesprächen vor den für Deutschland relevanten Sicherheitsrisiken. Russland warf sie "Kriegsführung mitten in Europa" vor. Foto: Screenshot DBwV

19.04.2021
Yann Bombeke

Kramp-Karrenbauer bei Königsbronner Gesprächen: „Der Wind weht uns wieder stark ins Gesicht“

Die achte Auflage der Königsbronner Gespräche ist am Samstag mit einem überzeugenden Auftritt der Verteidigungsministerin zu Ende gegangen. Annegret Kramp-Karrenbauer beschrieb in ihrer Rede eingangs die vielfältigen sicherheitspolitischen Herausforderungen, mit denen Deutschland konfrontiert ist, und begründete damit die Notwendigkeit sowohl für ein stärkeres Engagement im transatlantischen Bündnis als auch für eine gesicherte Finanzierung der Streitkräfte in den kommenden Jahren.

„Allein die vergangenen 10 bis 14 Tage zeigen exemplarisch, wie Sicherheitsfragen uns herausfordern“, sagte die Ministerin gleich zu Beginn ihres Statements, das per Video übertragen wurde. Die Königsbronner Gespräche fanden in diesem Jahr erstmalig im digitalen Format statt. Kramp-Karrenbauer zählte auf: Russischer Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze, chinesische Provokationen im pazifischen Raum, Wiederaufnahme von Urananreicherung im Iran. Angesichts dieser potenziellen Bedrohungen sei die „Gemütlichkeit“ Deutschlands in den vergangenen Jahrzehnten – ein Land, umgeben von Freunden und in vereinzelten Auslandseinsätze aktiv – vorbei. „Der Wind weht uns spätestens seit 2014, dem Jahr der russischen Invasion in der Ukraine, wieder stark ins Gesicht“, sagte Kramp-Karrenbauer.

Deutschland wie die Europäische Union könne diese strategische Lage nicht alleine überstehen, gefragt sei die „Kraft des gesamten Westens“. Die Ministerin verwies auf die unmittelbaren Bedrohungen, die durch Russland ausgehen: Mit seiner „Hochrüstung und seiner Kriegsführung mitten in Europa“ habe das Land reale Bedrohungen geschaffen. „Nur wenige Hundert Kilometer von uns entfernt hat Russland moderne Raketen und Marschflugkörper stationiert, die uns ohne große Vorwarnzeit erreichen können. Das geschah gegen geltende Rüstungskontrollverträge“, stellte Kramp-Karrenbauer fest. Mit Blick auf ausgeklügelte Cyber-Angriffe und Mordanschläge auf Oppositionelle sei das russische Vorgehen nicht dafür geeignet, Vertrauen zu schaffen.

Auch auf China ging die CDU-Politikerin ein: Die neue Macht im fernen Osten wolle sich die Kontrolle über Märkte sichern und schrecke dabei auch vor politischer Einschüchterung nicht zurück. Mit seinem in den vergangenen Jahren konsequent aufgerüsteten und modernisierten Militär schüchtere es durch aggressive Manöver seine Nachbarn ein. Natürlich sei China auch ein wichtiger Wirtschaftspartner für den Westen. „Aber es wäre naiv zu glauben, wir könnten Sicherheitspolitik von Wirtschaftspolitik strikt voneinander trennen. Wir brauchen einen realistischen Blick auf Beides“, sagte Kramp-Karrenbauer.

Deutschland müsse entschlossen für seine Werte und Interessen eintreten, forderte die Verteidigungsministerin. Dazu brauche es eine EU, die militärisch eigenständiger auftreten kann, aber eben auch die USA. Kramp-Karrenbauer zeigte sich daher erfreut über ihre Gespräche mit dem neuen US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in dieser Woche und seine Ankündigung, die US-Truppen in Deutschland nicht zu reduzieren, sondern sogar um weitere 500 Kräfte aufzustocken. „Aber es ist auch an uns, mehr in unsere Sicherheit zu investieren“, sagte die IBuK.

 

In dieser an sicherheitspolitischen Ereignissen nicht armen Woche hatte zudem der Nato-Rat beschlossen, den Einsatz in Afghanistan bis September zu beenden. „Die sichere Rückführung unserer Soldatinnen und Soldaten hat dabei höchste Priorität“, betonte Kramp-Karrenbauer. Um der erhöhten Gefährdungslage zu begegnen, habe man Vorkehrungen getroffen und zusätzliche Sicherungskräfte in den Einsatz geschickt. Es ginge jetzt um einen geordneten und koordinierten Abzug, so die Ministerin, aber es müsse auch eine Blanz über den Einsatz gezogen werden. „Das sind wir allein jenen schuldig, die in Afghanistan gefallen sind oder verwundet wurden und dabei zum Teil bis heute unter den Folgen leiden“, sagte Kramp-Karrenbauer. Diese militärische, vor allem aber politische Bilanzierung könne man nicht auf die lange Bank schieben, fügte sie hinzu und verwies dabei auch auf den Einsatz in der Sahel-Zone, die noch komplexer als Afghanistan sei. „Das wird uns noch lange beschäftigen. Wir müssen dort die Lehren aus Afghanistan einbeziehen“, sagte die Saarländerin.

Beim Blick in die Zukunft sieht Kramp-Karrenbauer eine doppelte Herausforderung: Für die Ministerin geht es um eine deutliche Steigerung der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte bei gleichzeitiger Investition in die Streitkräfte von morgen. Seit 2015 gebe man wieder mehr Geld für die Verteidigung aus, dies sei ein enormer Kraftakt, der durch einen Corona-belasteten Haushalt erschwert werde. Jedoch seien noch in diesem Jahr einige „wichtige Wegmarken“ zu erreichen. Die Ministerin kündigte an, dass sie im Mai gemeinsam mit dem Generalinspekteur die Eckpunkte der „Bundeswehr der Zukunft“ vorstellen werde.

Vieles ist unsicher, da eine im September zu wählende neue Bundesregierung den Kurs bestimmen muss. Kramp-Karrenbauer forderte: „Die künftige Bundesregierung muss gleich nach ihrem Amtsantritt handlungsfähig sein, um die Weichen richtig zu stellen.“ Und weiter: „Wir wissen, was zu tun ist. Untermauert werden muss das durch die mittelfristige Finanzplanung und den Haushalt 2022.“ An der Sicherheit zu sparen, sei für den Staat nicht verantwortbar.

Vor der Rede der Verteidigungsministerin hatten unter anderem der Schirmherr der Königsbronner Gespräche, der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter, der ehemalige US-Botschafter John C. Kornblum und der DBwV-Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner Grußworte an die Online-Teilnehmer gerichtet. Wüstner forderte wie auch die Verteidigungsministerin: „Wir Deutschen müssen unsere sicherheitspolitische Komfortzone verlassen.“ Auf Ankündigungen müssten Taten folgen, so der Verbandschef: „Wir müssen liefern!“ Es sei eine voll einsatzbereite Bundeswehr notwendig, die ihre komplexen Aufträge erfüllen kann. „Dafür brauchen wir auch in den kommenden Jahren einen wachsenden Verteidigungshaushalt.“

Auch in den Tagen zuvor waren in verschiedenen Runden spannende Diskussionen über die aktuellen Herausforderungen in der Sicherheitspolitik geführt worden. Zum Auftakt ging es in einer Runde mit Oberstleutnant Wüstner, dem Parlamentarier Peter Beyer (CDU), Koordinator der Bundesregierung für transatlantische Beziehungen, Ulrich Lechte, Abgeordneter der FDP und Vorsitzender des Unterausschusses Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung sowie Wolfgang Ischinger, Botschafter und Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, um den Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden und die Perspektiven, die sich damit für Deutschland und Europa ergeben.

Am zweiten Tag debattierten Roderich Kieswetter, Ekkehard Brose, Botschafter und Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Dr. Azadeh Zamirirad, stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika der Stiftung Wissenschaft und Politik und Renata Alt, Bundestagsabgeordnete und stellvertretende des FDP-Arbeitskreises Freiheit und Menschenrechte weltweit über die Frage: Faire Lastenverteilung durch mehr europäische Verantwortung in der Nachbarschaft?

Um die engen Zusammenhänge zwischen Sicherheits- und Wirtschaftspolitik ging es am vergangenen Freitag. In diesem Panel diskutierten Dr. Nicole Renvert, Head of Governmental Affairs des Unternehmens Voigt, Dr. Josef Braml, USA-Experte des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies der Universität Bonn, der ehemalige US-Botschafter in Deutschland John C- Kornblum sowie Dr. Nils Schmidt, Außenpolitischer Sprecher der SDP-Bundestagsfraktion, über Chancen und Herausforderungen der US-Handelspolitik für den Standort Baden-Württemberg.

Es war eine gelungene digitale Premiere der Königsbronner Gespräche, die wie immer in Kooperation des Bundestagabgeordneten Roderich Kiesewetter, der Konrad-Adenauer-Stiftung Baden-Württemberg und dem Bildungswerk des Deutschen BundeswehrVerbandes veranstaltet wurden. Und doch zeigten sich alle Teilnehmer optimistisch und hoffnungsvoll, dass die neunte Auflage im kommenden Jahr wieder in gewohnter Form im einzigartigen Ambiente der alten Hammerschiede in Königsbronn präsentiert werden kann.

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