Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (in der Bildmitte) stellte heute bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin erstmals Grundzüge der künftigen Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung vor. Anschließend diskutierte die Ministerin mit (v.l.) Dr. Jana Puglierin, Dr. Claudia Major, Generalinspekteur Eberhard Zorn und Dr. Christian Mölling. Foto: Schauka

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (in der Bildmitte) stellte heute bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin erstmals Grundzüge der künftigen Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung vor. Anschließend diskutierte die Ministerin mit (v.l.) Dr. Jana Puglierin, Dr. Claudia Major, Generalinspekteur Eberhard Zorn und Dr. Christian Mölling. Foto: Schauka

12.09.2022
Von Frank Schauka

Lambrecht: „Wir müssen die Bundeswehr wieder als zentrale Instanz für unsere Daseinsvorsorge betrachten, jeden Tag.“

Deutschland soll erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie als „oberstes sicherheitspolitisches Dachdokument der Bundesregierung“ erhalten. In einer Grundsatzrede hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am 12. September in Berlin erstmalig wesentliche Grundzüge dieser Strategie vorgestellt. Die Bundeswehr soll darin eine zentrale staatspolitische Funktion wahrnehmen, zudem eine Funktion der Generationengerechtigkeit, „damit zukünftige Generationen eine Chance auf dieselbe Freiheit haben, wie wir sie heute genießen“, sagte Lambrecht. „Eine Frage der Generationengerechtigkeit ist nicht für schmales Geld zu haben.“
 
„Wir müssen die Bundeswehr wieder als zentrale Instanz für unsere Daseinsvorsorge betrachten, und zwar jeden Tag“, sagte die Verteidigungsministerin bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). „Für die Nationale Sicherheitsstrategie heißt das, die Bundeswehr ist nicht nur ein Haushaltsposten, sondern konzeptionell eine vorrangige Institution der Sicherheitsvorsorge - und nicht eben ein Nebenthema. Die Bundeswehr muss in den Fokus gerückt werden. Das muss uns allen bewusst sein.“
 
Die existentielle Bedeutung von Streitkräften für den Schutz von Demokratie und westlichen Werten werde aktuell durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine der Welt vor Augen geführt, erklärte die Ministerin. „Der Ukrainekrieg hat auch uns friedensgewohnten Deutschen gezeigt, dass starke Streitkräfte als letztes Instrument immer dann benötigt werden, wenn ein Feind entschlossen ist, Einmarsch, Vernichtung, Mord und Vertreibung zu seinen Mitteln zu machen.“
 
Lambrecht stellte klar: „Die Ukraine existiert heute nur deswegen, weil sie sich militärisch wehren kann. Wir müssen daraus die Lehre ziehen: Wir selbst brauchen starke, kampfbereite Streitkräfte, damit wir uns und unser Bündnis zur Not verteidigen können. Das ist eine Realität unserer Politik.“
 
Die Verteidigungsministerin machte deutlich, dass die ausreichende Finanzierung der Truppe langfristig gesichert sein müsse. „Militärische Sicherheit ist kein frivoles Spiel mit teurem Spielzeug“, sagte Lambrecht. Es sei nicht nur eine „Aufgabe der fundamentalen Existenzsicherung, eine Aufgabe, die unsere Freiheit schützt“, starke Streitkräfte seien zudem ein Schutzversprechen für die Zukunft. „Es ist ein Schutzversprechen, das wir unbedingt einhalten müssen, damit zukünftige Generationen eine Chance auf dieselbe Freiheit haben, wie wir sie heute genießen.“ Militärische Sicherheit, Abschreckung, Einsatzbereitschaft, „das sind auch Fragen der Generationengerechtigkeit. Und genau so muss es am Ende auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie stehen."
 
Die geopolitische Lage macht es laut Lambrecht erforderlich, dass Europa seine Verteidigungskräfte künftig bündelt und stärkt. Der sich im indopazifischen Raum abzeichnende Konflikt werde die USA absehbar in der Region stärker binden. „Wir sind deshalb gefordert, für Europa mehr zu tun als bisher“, sagte Lambrecht. Die EU-Staaten müssten ihre Rüstungskooperation deutlich verbessern. Ziel müsse es sein, 35 Prozent der Verteidigungsausgaben in gemeinsame Rüstungsprojekte zu investieren. Momentan liege die Quote bei acht Prozent, kritisierte die Ministerin.
 
Lambrecht plädierte dafür, dass Deutschland seine Rolle als Führungsmacht annimmt und entsprechend gestaltet. „Deutschland führt de facto, auch wenn es das gar nicht will“, sagte Lambrecht. „Das hat mit unserer Größe, mit unserer geographischen Lage, mit unserer Wirtschaftskraft, mit unserem Gewicht zu tun. Das macht uns zur Führungsmacht - ob wir es wollen oder nicht - auch im Militärischen.“
 
Die europäischen Nachbarländer und Bündnispartner würden aus diesem Sachverhalt Erwartungen ableiten. Die vielleicht wichtigste Frage in diesem Kontext lautet: „Ist Deutschlands Militär wirklich da, wenn es gebraucht wird? Ist Deutschland tatsächlich kampfbereit für den Schutz seiner NATO-Alliierten? Sind wir wirklich da, wenn aus einer Bedrohung der Ernstfall wird?“ Die Nationale Sicherheitsstrategie, so Lambrecht, „muss das klar und glaubhaft beantworten“.
 
Innenpolitisch seien heftige Debatten darüber zu erwarten, in welche Ressortbereiche die Staatsfinanzen prioritär in Zukunft fließen sollen, sagte Lambrecht voraus. „Unser bestes Argument“ für die herausragende Bedeutung der Bundeswehr in dieser Diskussion ergebe sich aus dem „klaren analytischen Blick auf unsere Gefahrenlagen, auf die realen Bedrohung unseres Systems, unserer Freiheit und des Friedens“. Diese Zusammenhänge „unermüdlich und überzeugend zu erklären, auch das ist eine wichtige Aufgabe der Nationalen Sicherheitsstrategie“.
 
Die eigentliche Zeitenwende, so Lambrecht, finde allerdings nicht im Haushalt und nicht im Portemonnaie statt, „sie findet in den Köpfen statt. Wir alle wissen, dass Veränderungen manchmal dort am schwierigsten hinzubekommen sind. Umdenken tut weh. Politische Kultur zu verändern, neues Verhalten anzunehmen, das ist die wahre Herausforderung unserer Zeit.“ Dazu gehöre auch die Festlegung, was deutsche Streitkräfte in Zukunft nicht mehr leisten können und werden. Die Bundeswehr werde sich im wesentlichen auf ihr Kerngeschäft, die Bündnis- und Landesverteidigung, fokussieren, sagte Lambrecht. „Auch da kann die Nationale Sicherheitsstrategie für Klarheit sorgen.“

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