Fregatte „Bayern“, in voller Fahrt, westlich vor Gibraltar in See. Foto: Bundeswehr /Glenewinkel

21.10.2021
Christoph Prössl

Mehr Schiffe, mehr Geld, mehr Belastung

Für die Zukunft der Marine sieht es gerade gar nicht so schlecht aus. Die Bundeswehr erhält neue Fregatten, Korvetten sind auf Kiel gelegt, ein Vertrag über den Bau von U-Booten gemeinsam mit Norwegen wurde unterzeichnet. Der Bundestag hat weitere Projekte im Wert von knapp sieben Milliarden Euro genehmigt. Um diese Nachrichten zu bewerten, muss man natürlich bedenken, wo die Marine herkommt: Jahre des Sparens haben der Teilstreitkraft massiv zugesetzt. Die Marine erlebt eine Wende.

Die Fregatte „Bayern“ ist gerade in See gestochen in Richtung Indischer Ozean, Südchinesisches Meer, die Fahrt soll bis nach Japan führen. In der Öffentlichkeit hat dieses Ereignis viel Resonanz erfahren. Die Bilder der ablegenden Fregatte, die ehrgeizigen Pläne, was mit dieser Mission verbunden ist, signalisieren Aufbruch, demonstrieren aber auch, was die Soldatinnen und Soldaten in der Marine seit Jahren erleben: Mängel in der Ausrüstung, zu wenig Schiffe, zähes Ringen um Fähigkeiten (Seefernaufklärer) auf der einen Seite, hohe Anforderungen auf der anderen Seite. Neben der Landesverteidigung muss die Marine Bündnisverpflichtungen nachkommen und entsendet regelmäßig Schiffe für Einsätze beispielsweise im Mittelmeer. Nun also noch eine diplomatische Mission, die bis nach Japan führen soll.
Die Entsendung der Fregatte „Bayern“ ist verknüpft mit einer selbstbewussteren Außenpolitik der Bundesregierung, die sich für die regelbasierte Ordnung einsetzt – gegen das Konzept der Einflusssphären. Vor Jahren noch wurde der Einsatz der Marine, um Seewege zu schützen, heiß diskutiert. In einer unsicherer werdenden Welt, in der die Zwischenfälle auf den Handelsrouten die Verletzlichkeit der Exportwirtschaft dokumentieren, muss das nicht mehr ernsthaft debattiert werden. Das zeigt, dass wir an der Stelle ein Stück weiter sind. Die „schlechte“ Nachricht für die Marine: Da ist eine neue Aufgabe dazugekommen.
Mehr Schiffe, mehr Geld und die internationale Sicherheitslage werden dazu führen, dass die Belastung für die Marine noch weiter zunehmen wird. Die Marine muss dem begegnen, indem sie Fehler der Vergangenheit vermeidet.

Jahrelang habe ich über die „Gorch Fock“ berichtet. Ein Schiff, an dem sich ablesen lässt, wie überhöhte Erwartungen und finanzielle Realitäten in der Wechselwirkung zerstörerisch wirken können. Die „Botschafterin der Meere“ hatte sehr viele Seemeilen absolviert, als sie ins Dock kam. Schnell war klar, die veranschlagten zehn Millionen Euro würden bei Weitem nicht zur Instandsetzung reichen. Es würde zu weit führen, hier den „Fall Gorch Fock“ detaillierter aufzuarbeiten. Aus meiner Sicht hätte aber eine ehrliche Analyse zu Beginn der Instandsetzung geholfen, Ärger und Geld zu sparen.

Mir ist rund um die Recherche immer wieder deutlich geworden, unter welchem Druck Realitäten verdrängt und teilweise sogar vertuscht worden sind, weil die Befürchtung groß war, dass es eine neue „Gorch Fock“ nie geben würde, weil Geld fehlt und das Verständnis für ein Segelschulschiff noch dazu (zumindest gab es die Befürchtung).
An der Schnittstelle zwischen Bundeswehr und Politik – so mein Eindruck – muss die Führung der Marine Grenzen des Machbaren öfter aufzeigen und Notwendigkeiten erklären – auch für die Öffentlichkeit. Die Berichterstattung über die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr dürfte die Spitze des BMVg wie auch Offiziere der Marine gleichermaßen nerven. Im Ministerium, weil es schon wieder „schlechte Presse“ gibt, in der Armee, weil „schon wieder“ Material fehlt und der Ruf der Bundeswehr leidet. Aber der Kern dieser Berichterstattung ist eben nicht nur die Frage: Wie viel Bundeswehr bekommt man für das Geld?“, also ein sorgsamer Umgang mit Steuergeld, sondern: Was kann die Politik fordern, welche Aufgaben sind zu bewältigen und gibt die Regierung und letztendlich die Gesellschaft der Bundeswehr genug Mittel an die Hand, um die gestellten Aufgaben zu erfüllen?


Die Politik muss die Rahmenbedingungen setzen für eine schnelle und unkomplizierte Beschaffung. Die Debatte der vergangenen Jahre um die Frage, ob national beschafft oder europäisch ausgeschrieben werden sollte, machte es für die Marine nur noch  komplizierter. Bundestagsabgeordnete kämpfen um die Jobs in ihrem Wahlkreis, in den Ministerien gab es den Willen, europäisch auszuschreiben, die Marine wollte eigentlich nur möglichst schnell Schiffe haben. Es ist eine politische Entscheidung, nationale Industrien zu schützen oder aber auf Wettbewerb zu setzen. Die Bundeswehr war aber immer auch Partner im Beschaffungsprozess, der über das Ministerium gesteuert und in der Beschaffungsbehörde organisiert wird: Hier sitzen auch Soldatinnen und Soldaten. Die Auseinandersetzung um eine effiziente Beschaffung, um Strukturen, ist mir von allen Seiten nicht offen genug geführt worden. Sicherheitspolitik und Rüstungspolitik hängen eng miteinander zusammen. Das vermitteln die Bilder einer auslaufenden Fregatte nur bedingt. Aber die Bilder wären ein guter Anlass, darüber zu sprechen.

 

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