Die Welt verändert sich. Die Frage ist: Welche neuen Wege sollten beschritten werden? Foto:

20.11.2022
Von Wiebke Köhler

Mehr Veränderung wagen: Das wahre Leben in der Lage

Wandel ist etwas Positives? Ja, auch! Sonst würden wir heute noch faxen oder mit der Kutsche fahren. Handys gäbe es nicht, Onlineshopping nicht, keine Fernreisen: Wandel nützt. Das ist nicht die Frage. Die Frage ist: Wie gestalten wir ihn erfolgreich, ohne uns gegenseitig auf die Nerven zu gehen?

Unsere VUCA*-Welt zwingt uns permanent den Wandel auf: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Finanzkrise, Epidemie, Energiekrise, Ukraine-Invasion, Inflation … Wandel endet nie! Welche Veränderungen treibt die Bundeswehr voran?

Change Management

Auch das ist bekannt: Wechsel der prioritären Ausrichtung vom internationalen Krisenmanagement hin zu Landes- und Bündnisverteidigung, was immense Veränderungen bei Ausbildung, Ausrüstung, Strukturen und Prozessen, Organisation und Infrastruktur nötig macht. Ganz zu schweigen von zum Teil beschwerlichen Prozessen im Beschaffungs- und Personalwesen, die reformiert werden müssen. Wie gelingt das alles schnellst- und bestmöglich? Darauf kennt die Wirtschaftspraxis eine Antwort: Change Management oder Transformation, wie es neuerdings genannt wird. Wie gelingt das? Seltsamerweise ist das nicht die erste Frage dazu. Sondern:
Vorsicht, Holzwege!

Wie schon Horaz sagte: „Vestigia terrent.“ Die Spuren der gescheiterten Vorgänger sollten jeden Veränderungswilligen abschrecken. Veränderungsmanagement gelingt, wenn es nicht auf acht der typischen Holzwege gerät:

  1. Akute Unlust: Wandel macht zusätzliche Arbeit – und wer hat dafür schon Zeit oder Lust?
  2. Starre Organisationskultur: „Wir stehen doch eigentlich gut da!“
  3. Hierarchiegebaren: Führungskräfte proklamieren den Wandel, gehen aber nicht mit gutem Beispiel voran.
  4. Feedback-Indolenz: Mitarbeiter dürfen nicht mitreden und verlieren daher die Motivation.
  5. PR-Denken: Zu viele flotte Folien und Schlagworte statt konkreter Maßnahmen.
  6. Harmonie-Sucht: Man will keinem wehtun.
  7. Operative Hektik: Das Tagesgeschäft hat Priorität.
  8. Lineares Denken vom Ist zum Soll: So funktioniert Wandel jedoch nicht. Wandel verläuft zirkulär in Iterationsschleifen.

Umgekehrt gelingen Veränderungen, wenn sie von den Holz- auf die Königswege gelenkt werden.

Acht Königswege

  1. Den Finger tief in die Wunde legen, um alle aus der Komfortzone zu holen. In der Wirtschaft heißt das: einen Sense of Urgency erzeugen, schonungslos offen, ehrlich und konkret. Wandel im Schongang scheitert, zumal in Krisenzeiten wie den aktuellen. Einen ausreichenden Sense of Urgency können entweder eine positive Vision der Zukunft erzeugen oder das Aufzeigen der Bedrohungslage.
  2. Kulturwandel vorantreiben: Offenheit für Wandel („Leute, gebt dieser Veränderungsmaßnahme eine faire Chance!“), tolerante Fehlerkultur („Wer wandelt, macht Fehler, und das ist okay!“).
  3. Führung als Vorbild: Führungskräfte erwarten Veränderungen nicht nur von den Mitarbeitern, sondern gehen beim Wandel selbst voran.
  4. Betroffene zu Beteiligten machen: Mitreden lassen (ist nicht dasselbe wie „bestimmen lassen“) – sonst verlieren diese schnell die Motivation.
  5. Operationalisieren: Nicht nur global-galaktische Strategievorgaben machen, sondern den Wandel für jeden Bereich herunterbrechen bis hinunter zu den einzelnen Maßnahmen. Damit alle sehen: Was ganz konkret wird jetzt von jedem erwartet?
  6. Tacheles reden – aber beziehungsfreundlich und wertschätzend; fordern und fördern.
  7. Knallharte, aber realistische Zeitplanung: Wandel ist ein Marathon, kein Sprint. Man kann nicht die Zügel schleifen lassen nach dem Motto: „Darum kümmern wir uns später …!“
  8. Wandel funktioniert wie Schachspiel: Sobald Weiß gezogen hat, zieht Schwarz. Womit? Was ist der nächste Zug? Und der nächste? Die Logik des nächsten Schrittes.

Manchmal fragen mich Klienten aus der Wirtschaft: Was ist der wichtigste Erfolgsfaktor für erfolgreiche Veränderung? Die Antwort lautet: Kommunikation. Kontext und Sinn vermitteln: Wofür brauchen wir den Wandel? Was passiert, wenn jemand nicht mitmacht? Woran messen wir den Wandel? Wie kriegen wir den Hintern hoch für noch eine Runde Veränderungen? Aber wem sage ich das? Im Grunde ist die Bundeswehr bereits ein Change Champion. Warum?
 
Change Champion

Eigentlich hat und kann die Truppe bereits sehr viel von dem, was Erfolg im Wandel garantiert. Sie braucht sich lediglich auf ihre zentralen Prinzipien zu besinnen:

  • Keiner wird zurückgelassen: Der Wandel betrifft alle und alle ziehen mit. Keiner wird ausgegrenzt oder allein mit dem Wandel gelassen.
  • Leben in der Lage: Immer in Bewegung bleiben, sich ständig anpassen je nach Lagebild; adaptiv und situativ auf die einzelnen Veränderungsschritte reagieren.
  • Purpose: Immer und immer wieder die Notwendigkeit für den Wandel thematisieren.
  • Ausbildung und Drill: Auch Wandel braucht Drill! In den Begriffen der Wirtschaft: Qualifizierung mit Weiterbildungsprogrammen; Upskilling, Re-Skilling und Upgrades im eigenen Veränderungswissen.
  • Wandel ist Teamarbeit, keiner schafft’s allein: Nicht nur der Soldat muss sich ändern, sondern auch das große Ganze. Die Strukturen und Regeln müssen ebenfalls angepasst werden. Vom Soldaten wird viel erwartet, aber die Struktur bleibt alt und starr? Dann verliert der Soldat schnell die Lust zum Wandel.

Umgang mit Widerstand

Jeder Wandel erzeugt Widerstand. Das ist kein Fehler oder Versagen, das ist völlig normal. Entscheidend ist nicht der Widerstand, sondern wie man ihn managt. Wer auf Abwehr, Ärger und Aggression nicht mit Schönrederei oder Härte, sondern mit Offenheit, Ehrlichkeit und Verständnis reagiert, liefert bereits die halbe Miete zur Überwindung von Widerständen. Die andere Hälfte sind konkrete Lösungen, Auswege, Unterstützung und Weiterbildung. Und auch Widerstände sind nicht linear, sondern zirkulär: Sie kommen in jeder Phase des Wandels wieder, damit sie professionell gemanagt werden können.

Verantwortung macht den Unterschied

Wandel gelingt immer dann, wenn jeder die volle Verantwortung für seinen Part im Wandel übernimmt – für sich selbst und für das Team. Dann gelingt Veränderung und macht dazu noch Spaß.

*Der Begriff „VUCA“ steht als Abkürzung für „volatility“(Volatilität, Unbeständigkeit), „uncertainty“ (Unsicherheit), „complexity“ (Komplexität) und „ambiguity“ (Mehrdeutigkeit).

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