Die juristische Dimension des novellierten BND-Gesetzes beleuchtete Prof. Dr. Jan-Hendrik Dietrich, Professor für das Recht der Nachrichtendienste an der Hochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung. Foto: DBwV/Franziska Kelch

Die juristische Dimension des novellierten BND-Gesetzes beleuchtete Prof. Dr. Jan-Hendrik Dietrich, Professor für das Recht der Nachrichtendienste an der Hochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung. Foto: DBwV/Franziska Kelch

30.06.2021
Yann Bombeke

Neues BND-Gesetz: „Die Regeln des Polizeirechts in das Nachrichtendienstrecht übertragen“

Berlin. Es ist eine Zwickmühle: Auf der einen Seite stehen die Nachrichtendienste in der Pflicht, Gefahren wo immer möglich zu erkennen und abzuwehren. Auf der anderen Seite stehen als hohes, schützenswertes Gut die Grundrechte jedes einzelnen Bürgers. Immer wieder kann es passieren, dass beides in Konflikt gerät. Was der Bundesnachrichtendienst darf und was nicht, ist im BND-Gesetz geregelt, das kürzlich novelliert wurde. Wie gut ist das neue Gesetzeswerk? Darum ging es in der zweiten Runde der Veranstaltungsreihe „Deutschlands Sicherheit: Der Beitrag des BND“, ausgerichtet vom Bildungswerk des Deutschen BundeswehrVerbandes und vom Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e.V.
Zur Vorgeschichte: Die Novelle des BND-Gesetzes war notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht am 19. Mai 2020 Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt hatte. Insbesondere ausländische Journalisten waren die Beschwerdeführer. Sie monierten Überwachungsmaßnahmen ohne konkreten Anlass seitens des BND im Zuge der strategischen Fernmeldeaufklärung im Ausland. Die Karlsruher Richter gaben der Beschwerde statt und erkannten Verstöße gegen die Pressefreiheit und gegen das Fernmeldegeheimnis – der Gesetzgeber war nun aufgefordert, aktiv zu werden und das Gesetz verfassungskonform zu gestalten.

Seit dem 19. April dieses Jahres ist nun die novellierte Fassung des BND-Gesetzes in Kraft. Doch kann der BND nun auch noch seinem Auftrag nachgehen? Darüber diskutierten in der Berliner Bundesgeschäftsstelle des DBwV die Parlamentarier Roderich Kiesewetter (CDU) und Stephan Thomae (FDP) mit dem ehemaligen BND-Präsidenten Gerhard Schindler. Die juristische Perspektive beleuchtete Prof. Dr. Jan-Hendrik Dietrich, Professor für das Recht der Nachrichtendienste an der Hochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung.
Prof. Dr. Dietrich stellte zum Einstieg in die Diskussion die Entscheidung und Argumentation des Verfassungsgerichtes vor – „eine komplizierte und sehr komplexe Entscheidung“, wie Dietrich betonte. Dietrich sagte, dass die Vorgaben aus Karlsruhe im neuen Gesetz recht gut umgesetzt worden seien, trotz des kurzen Zeitraums, der dem Gesetzgeber für die Novelle zur Verfügung stand. „Das bewirkt, dass der Bundesnachrichtendienst auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage erstmal arbeiten kann.“ Dennoch gebe es im Gesetz noch „kleine Unebenheiten im Detail“. Rechtstaatlich gesehen sei aber „ein großer Schritt“ gemacht worden.

Stephan Thomae, Mitglied im parlamentarischen Kontrollgremium, sagte, es sei eine Arbeit, die nie ende, wenn es um die Frage geht, festzustellen, wie weit eine Sicherheitsbehörde im In- und Ausland gehen darf, um ihren Auftrag zu erfüllen. Dies liege auch daran, dass sich die Art und Weise, wie Menschen kommunizieren, ständig ändere. „Man muss da immer nachjustieren. Der Punkt, an dem man sagen kann, das richtige Maß ist erreicht, den erreicht man nie“, sagte Thomae.

„Wir müssen uns bewusst sein: Man kann das Recht nicht festschreiben“, betonte Roderich Kiesewetter. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums betonte, dass man in disruptiven Zeiten lebe. „Wir werden in einer Gleichzeitigkeit von Krisen in den nächsten Jahren ungeheure technische Fortschritte erleben. Das bedeutet, dass wir unsere Dienste besser aufstellen müssen, nicht nur finanziell, sondern auch, was das Technische angeht und dass das Rechtliche damit Schritt hält.“ Im Zweifel müsse die Sicherheit Deutschlands als erstes Gut behandelt werden und dann der Schutz der Freiheitsrechte. An der Stelle sei auch politischer Mut bei den Verantwortungsträgern in der Regierung gefragt.

Auch der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler sieht das Gesetz insgesamt als gelungen an. Dennoch gebe es Punkte, die „Anlass zur Sorge geben“. Können noch genügend Informationen generiert werden? Im Gesetz seien neue Voraussetzungen, neue Regelungen und neue Barrieren eingezogen worden. „Man hat im Grunde genommen die Regeln des Polizeirechts in das Nachrichtdienstrecht übertragen“, sagte Schindler, der die Sorge äußerte, dass dadurch nun weniger erfasst werden könne. Zudem bemängelte der frühere BND-Präsident Umfang und Komplexität des Gesetzeswerks. „Von einer klaren Regelung, die jeder Sachbearbeiter im Bundesnachrichtendienst sofort versteht und damit ein Stück Rechtssicherheit hat, kann man beim besten Willen nicht sprechen.“ Das Gesetz müsse erst noch in eigene Dienstanweisungen gegossen werden, so Schindler, der zudem fürchtet, dass der Dienst gelähmt wird, weil im Zweifel nicht agiert werde.

Schindler sagte, man müsse zu den einzelnen Punkten des Gesetzes Prüffragen stellen. Was ist noch machbar und was nicht? Schindler nahm Mali als Beispiel. Dort sind demokratische Strukturen weggebrochen, nach dem Putsch sind Obristen an der Macht. Darf man mit so dem Nachrichtendienst eines solchen Landes, in dem die auch die Bundeswehr stationiert im Einsatz ist, ein Kooperationsabkommen eingehen? „Ich glaube, wir können es nicht mehr“, sagte Schindler.

Zudem sei für die nachrichtendienstliche Frühaufklärung wichtig, ohne belastbare Anhaltspunkte auch mit bloßen Vermutungen arbeiten zu können. „Das, befürchte ich, wird davon abhängen, wie das im Alltag gestaltet wird, ob dem BND diese Aufgabe zur Durchführung gestattet wird.“

Zahlreiche weitere Punkte wurden in der Diskussion angesprochen: Etwa die Rolle des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Arbeit des BND kontrolliert oder die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten.
Am Ende der Diskussion waren sich die Teilnehmer einig: Mit dem neuen-Gesetz ist ein guter Anfang gemacht – doch es bedarf noch einiger Veränderungen. Dies wird eine Aufgabe für die Politik in der kommenden Legislaturperiode sein.

Sehen Sie hier den Film vom vollständigen zweiten Tag der Veranstaltung „Deutschlands Sicherheit: Der Beitrag des BND“:

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